Tennis

WTA erhöht mit Kurs Druck auf IOC

Die Women’s Tennis Association (WTA) hat mit ihrer Entscheidung, als Reaktion auf den Fall Peng Shuai in China keine Turniere mehr zu veranstalten, nicht nur viel Lob geerntet, sondern auch den Druck auf das Internationale Olympische Komitee (IOC) gehörig erhöht. Denn die IOC-Spitze bemühte sich mit Hinblick auf die Olympischen Winterspiele Anfang Februar 2022 um einen sanften Kurs gegenüber den chinesischen Machthabern. Nun wird der Ruf nach einer deutlichen IOC-Reaktion immer lauter.

Peng Shuai, ehemalige Weltranglistenerste im Doppel, hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Ihr Posting wurde bald danach gelöscht. Seither äußerten Sportler, Politiker und Menschenrechtler Sorge um das Wohlergehen der Tennisspielerin. Ein erstes Videotelefonat von IOC-Präsident Thomas Bach mit Peng konnte die Wogen nicht glätten.

Am Donnerstag gab das IOC einen weiteren Kontakt mit Peng per Videokonferenz bekannt. Man teile die Sorge vieler Menschen und Organisationen um das Wohlergehen und die Sicherheit der 35-Jährigen und habe dieser umfassende Unterstützung zugesichert, hieß es in einer IOC-Aussendung vom Donnerstag.

WTA setzt Turniere in China und Hongkong aus

Einen Monat nachdem Tennisspielerin Peng Shuai einem ranghohen chinesischen Politiker sexuelle Übergriffe vorgeworfen hat, ist die Sorge um sie weiter groß. Der Frauentennis-Weltverband WTA zieht nun drastische Konsequenzen und wird vorerst keine Turniere in China und Hongkong mehr ausrichten.

„Es gibt verschiedene Wege“

Nach der Kritik infolge des ersten Gesprächs mit IOC-Chef Thomas Bach wegen fehlender Forderungen an China hieß es nun, man setze auf „stille Diplomatie“ und habe für Jänner vor den Winterspielen in Peking ein persönliches Gespräch vereinbart. „Es gibt verschiedene Wege, ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit zu erreichen“, beteuerte das IOC.

Das IOC hatte schon nach der Vergabe der Winterspiele 2022 an Peking heftige Kritik von Menschenrechtsorganisationen und vor allem von US-Sportverbänden erhalten. Nach dem Bekanntwerden des Boykotts durch die WTA wurde sofort die Brücke zu den anstehenden Olympischen Spielen geschlagen. Die ehemalige Weltranglistenerste Martina Navratilova etwa lobte die WTA via Twitter und schrieb: „IOC, was sagst du? Bislang kann ich dich kaum hören.“

WTA-Chef sieht keine Alternative

Die WTA hatte sich am Mittwoch entschieden, die geplanten Turniere für 2022 in China und Hongkong nicht auszutragen, sollte die Situation um Peng nicht endgültig geklärt sein. Das Bach-Telefonat war für WTA-Chef Steve Simon nicht Beweis genug. „Mit gutem Gewissen sehe ich nicht, wie wir unsere Athleten fragen können, dort anzutreten, wenn Peng Shuai nicht erlaubt ist, frei zu kommunizieren“, sagte WTA-Chef Steve Simon in der Mitteilung. Chinas Führer hätten der WTA keine andere Wahl gelassen. „Ich bedaure sehr, dass es so weit gekommen ist“, so Simon.

Peng werde anscheinend unter Druck gesetzt, ihre Vorwürfe der sexuellen Übergriffe zu widerrufen. „Wenn mächtige Menschen die Stimmen von Frauen unterdrücken können und Vorwürfe von sexuellem Missbrauch unter den Teppich kehren, dann würde das Fundament, auf dem die WTA gegründet wurde – Gleichberechtigung für Frauen – einen immensen Rückschlag erleiden“, schrieb Simon. „Ich werde und kann nicht zulassen, dass das der WTA und ihren Spielerinnen widerfährt.“

Lob von vielen Seiten

Simon erntete für seinen harten Kurs Lob von vielen Seiten. Die frühere Weltklassespielerin und erste WTA-Präsidentin Billie Jean King sagte, sie finde es gut, dass die WTA einen „starken Standpunkt zur Verteidigung der Menschenrechte in China und auf der ganzen Welt eingenommen“ habe. Auch deshalb sei das Damen-Tennis führend im Damen-Sport. Die WTA stehe „auf der richtigen Seite der Geschichte“, so die US-Amerikanerin.

Tennislegende Billie Jean King
APA/AFP/Ulises Ruiz
„Grand Dame“ Billie Jean King begrüßte das harte Vorgehen der WTA

„Diese Art von Führung ist mutig und braucht es, um sicherzustellen, dass die Rechte aller Individuen geschützt und alle Stimmen gehört werden“, teilte der US-Tennisverband (USTA) mit. Und auch die Nummer eins bei den Männern, Novak Djokovic, lobte die Entscheidung: „Ich unterstütze die Position der WTA voll und ganz, weil wir nicht genug Informationen über Shuai Peng haben“, sagte der Serbe am Rande des Finalturniers im Davis-Cup in Madrid.

Boykott über 2022 hinaus möglich

Vonseiten der WTA schloss man auch nicht aus, den Boykott Chinas zu verlängern. Eine Absage der für in dem Land geplanten Veranstaltungen über das Jahr 2022 hinaus sei eine mögliche Konsequenz, sagte WTA-Chef Simon am Mittwochabend (Ortszeit) nach Angaben der US-Nachrichtenagentur AP. Man sei hoffnungsvoll, „aber wir sind darauf vorbereitet, wenn es so weitergeht, dass wir in der Region nicht operieren“, so Simon. „Das ist ein organisatorischer Versuch, der wirklich etwas anspricht, bei dem es darum geht, was richtig und falsch ist.“

Simon betonte allerdings erneut die Forderung der WTA: „Wir wollen definitiv selbst mit Peng sprechen und sicher sein können, dass sie wirklich in Sicherheit und frei ist und nicht zensiert wurde, bedroht oder irgendetwas in der Art“, sagte der WTA-Präsident. Laut Simon sei auch keines der Turniere in China abgesagt worden, sie könnten wie geplant gespielt werden, sollte die Regierung Chinas die Forderungen der WTA erfüllen. „Wir haben noch nichts abgesagt, aber wir sind darauf vorbereitet, an diesen Punkt zu kommen“, sagte Simon. Man werde dann auch darüber diskutieren, ob das nur für 2022 gelte oder für die Zukunft. „Das sind alles Fragen, die kommen werden.“

Die WTA geht mit ihrem harten Kurs gegenüber der Führung in Peking auch ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risiko ein. Denn China ist mit einer Reihe von Veranstaltungen wichtiger Geldgeber der Damen-Tour. Mit der Stadt Shenzen gibt es etwa einen laufenden Zehnjahresvertrag über die Austragung der WTA-Finals, die heuer allerdings wegen der Coronavirus-Pandemie ins mexikanische Guadalajara verlegt worden waren. Ein Ende der geschäftlichen Beziehungen mit China könnte die WTA Millionen kosten.

Knappe Reaktion aus China

Von offizieller chinesischer Seite gab es am Donnerstag nur eine knappe Reaktion auf die WTA-Maßnahme. Ein Sprecher des Außenministeriums ging auf den Boykott allerdings nicht konkret ein, sondern sagte nur, China verurteile generell die Politisierung des Sports. Vor einem Monat hatte das Außenministerium bereits gefordert, dass „bestimmte Leute“ den „bösartigen Hype“ und die „Politisierung“ von Peng stoppen sollten.

Deutlicher meldete sich der Chefredakteur der chinesischen Staatszeitung „Global Times“ zu Wort. „Die WTA will Peng Shuai zwingen, die Attacke des Westens auf das chinesische System zu unterstützen“, schrieb Hu Xijin auf Twitter. Am 21. November habe Peng einen 30-minütigen Videocall mit IOC-Präsident Bach gehabt, in dem sie ihm mitteilte, sie sei sicher. Für WTA-Boss Simon sei das aber nicht genug, man sei nicht davon überzeugt, dass es ihr gutgehe. Zudem sei eine intensive und transparente Ermittlung zu den Vorwürfen gegen den früheren Vizepremier Zhang Gaoli zu führen.