RedBull Pilot Max Verstappen dicht gefolgt von Mercedes Fahrer Lewis Hamilton.
AP/James Gasperotti
Formel 1

Alles angerichtet für ein wildes WM-Finale

Der Titelkampf geht ans Limit – oder sogar darüber hinaus. Nach dem Triumph von Lewis Hamilton bei der chaotischen Grand-Prix-Premiere in Saudi-Arabien bekommt die Königsklasse des Motorsports ihr großes Finale. Der Mercedes-Star und Red-Bull-Pilot Max Verstappen gehen punktegleich ins letzte Saisonrennen am Sonntag (14.00 Uhr MEZ, live in ORF2) in Abu Dhabi. Und es ist nicht auszuschließen, dass es dort im intensiven WM-Zweikampf noch einmal wild hergeht.

In Dschidda lieferten die beiden Ausnahmepiloten einander auch Ausnahmemanöver – vor allem in puncto Kompromisslosigkeit. Verstappen erhielt im Rennen eine Fünfsekundenstrafe und nachträglich noch zehn Sekunden für eine Aktion, die Hamilton richtig aufregte. „Er ist sicher über dem Limit“, meinte der 36-jährige Engländer. „Ich habe so viele Kollisionen mit ihm vermieden.“ Einige Fahrer an der Spitze würden entweder nicht an die Regeln denken – oder denken, dass diese für sie nicht gelten.

In besagter Szene krachte der siebenfache Weltmeister Verstappen ins Heck. Der Red-Bull-Mann hatte zuvor unerlaubt die Strecke verlassen und sollte den Briten auf Anweisung seines Teams wieder vorbeilassen, um einer Strafe zu entgehen. Verstappen verlangsamte ruckartig, Hamilton fuhr ihm bei dessen „Bremstest“ ins Auto. Mit beschädigtem Frontflügel schaffte es Hamilton am Ende dennoch vor seinem Widersacher über die Ziellinie.

Vor Finale: Nerven liegen blank

Lewis Hamilton und Max Verstappen gehen am Sonntag punktegleich ins Fomel-1-WM-Finale in Abu Dhabi. Sowohl bei den WM-Rivalen als auch bei den beiden Teams liegen nach dem Chaos-Grand-Prix in Dschidda die Nerven blank.

Wolff glaubt an „sauberes“ Rennen

„Ich wollte ihn vorbeilassen, also bin ich auf die rechte Seite, aber er wollte nicht überholen und dann haben wir uns berührt“, beschrieb Verstappen die Szene, die die Gemüter hochgehen ließ. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff warf wutentbrannt sein Headset zu Boden. Einen finalen Crash am Sonntag in Abu Dhabi befürchtet der Wiener nicht – auch wenn Verstappen bei einem Doppelausfall mit 24 Jahren aufgrund der höheren Anzahl an errungenen Saisonsiegen erstmals Weltmeister wäre.

„Ich glaube, es wird nicht eskalieren“, meinte Wolff nach dem Rennen. „Das waren heute so viele Warnschüsse für alle Beteiligten, dass es sauber abgehen wird und sauber abgehen muss.“ Es könne sich niemand leisten, mit einem Ergebnis dazustehen, das nicht auf der Strecke ausgefahren worden sei. „Wir wollen einfach eine saubere Weltmeisterschaft, möge der beste Mann gewinnen. Wenn es am Ende Max ist, dann habe ich damit kein Problem. Aber es muss einfach ein faires Rennen sein“, sagte Wolff.

Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko warf den Regelhütern schon in Saudi-Arabien Benachteiligung vor. „Man kann nicht mit zweierlei Maßstäben messen. Wenn sich ein siebenfacher Weltmeister verschätzt, kann das passieren, aber nicht zu unseren Lasten“, sagte der Steirer und sah den Fehler in der Schlüsselszene klar bei Hamilton. Die Stewards urteilten anders. Die Zehnsekundenstrafe für Verstappen war für das Ergebnis aber folgenlos.

Zum zweiten Mal in der F1-Geschichte

Erst zum zweiten Mal in ihrer Geschichte geht die Formel 1 damit mit zwei nach Punkten gleichauf liegenden Titelanwärtern in ein WM-Finale. Bisher war das nur 1974 der Fall, als sich der Brasilianer Emerson Fittipaldi gegen den Schweizer Clay Regazzoni durchsetzte.

Verstappen holt den WM-Titel, wenn …

  • er das Rennen in Abu Dhabi vor Hamilton beendet
  • beide Fahrer ausscheiden oder das Rennen nicht in den Punkterängen beenden
  • er Zehnter wird und dabei die schnellste Rennrunde fährt, wenn Hamilton nicht besser als Neunter wird

Hamilton holt den WM-Titel, wenn …

  • er das Rennen in Abu Dhabi gewinnt
  • er Verstappen hinter sich lässt und auf den Plätzen zwei bis acht landet
  • er Neunter wird und Verstappen als Zehnter nicht die schnellste Rennrunde fährt
  • er Zehnter wird und Verstappen hinter sich lässt

Mit Jody Scheckter besaß damals noch ein dritter Pilot Titelchancen, der Südafrikaner schied in Watkins Glen aber aus. McLaren-Pilot Fittipaldi sicherte sich mit Platz vier seinen zweiten WM-Titel. Niki Laudas Ferrari-Teamkollege Regazzoni wurde in einem Ersatzauto nur Elfter. Überschattet wurde das Rennen vom tödlichen Unfall des Österreichers Helmut Koinigg.

Verstappen mit besseren Karten

47 Jahre später haben sich die Sicherheitsbedingungen geändert. Riskiert wurde auf dem engen Straßenkurs in Dschidda viel – allen voran von Verstappen. Mit Platz zwei war der Niederländer am Ende nicht einmal unzufrieden, zumal sein Auto mit jenem von Mercedes nicht ganz mithalten konnte. 369,5:369,5 lautet der Punktestand nach 21 Rennen zwischen ihm und Hamilton. Nach Saisonsiegen, die bei Punktegleichheit entscheiden würden, führt Verstappen aber immer noch 9:8.

Schlechter sind die Aussichten für Red Bull in der Konstrukteurs-WM. Dort liegt das österreichisch-englische Team bei maximal 44 noch möglichen Punkten 28 hinter Mercedes. „Wir brauchen ein Wunder, um das zu gewinnen“, so Teamchef Christian Horner. Der Engländer gab sich aber stolz, Mercedes bis zum Finale gefordert zu haben. „Wir haben noch diesen einen Wurf, um mit Max diesen Titel gewinnen zu können – und dafür werden wir alles tun.“ Auch Horner hoffte auf ein „faires und sauberes“ Rennen. „Wir wollen den Titel auf der Strecke gewinnen, nicht in der Rennleitung oder im Kiesbett.“

„Jetzt geht es um alles oder nichts“

Wolff formulierte es vor dem finalen Showdown so: „Jetzt geht es um alles oder nichts.“ Zum 30. Mal in ihrer Geschichte und erstmals seit 2016 wird die Formel-1-WM erst im letzten Rennen entschieden. 2016 war auch die bisher letzte Saison, in der der Weltmeister nicht Hamilton hieß. Vor fünf Jahren hatte sich der Brite das einzige Mal seinem Mercedes-Stallrivalen Nico Rosberg beugen müssen. Der Deutsche beendete daraufhin seine Karriere.

Grand Prix von Saudi-Arabien in Dschidda

Endstand nach 50 Runden (308,450 km):
1. Lewis Hamilton GBR Mercedes 2:06:15,118
2. Max Verstappen NED Red Bull + 21,825 *
3. Valtteri Bottas FIN Mercedes 27,531
4. Esteban Ocon FRA Alpine 27,633
5. Daniel Ricciardo AUS McLaren 40,121
6. Pierre Gasly FRA Alpha Tauri 41,613
7. Charles Leclerc MON Ferrari 44,475
8. Carlos Sainz ESP Ferrari 46,606
9. Antonio Giovinazzi ITA Alfa Romeo 58,505
10. Lando Norris GBR McLaren 1:01,358
11. Lance Stroll CAN Aston Martin 1:17,212
12. Nicholas Latifi CAN Williams 1:23,249
13. Fernando Alonso ESP Alpine 1 Runde
14. Yuki Tsunoda JPN Alpha Tauri 1 Runde
15. Kimi Räikkönen FIN Alfa Romeo 1 Runde

* Inklusive Zeitstrafe von 10 Sekunden

Out: Mick Schumacher (GER/Haas), Nikita Mazepin (RUS/Haas), Sergio Perez (MEX/Red Bull), George Russell (GBR/Williams), Sebastian Vettel (GER/Aston Martin)

Schnellste Runde: Hamilton (1:30,854 / 47.)