Lewis Hamilton (GBR/ Mercedes) und Max Verstappen (NED/ Red Bull) nebeneinander auf der Rennstrecke
GEPA/XPB Images/Bearne
Formel 1

Hamilton hat keine Angst vor finalem Crash

Die Anspannung ist groß, die Atmosphäre im Duell um den Formel-1-WM-Titel vergiftet. Nicht wenige Beobachter fürchten, dass die letzte Konfrontation zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen auf der Strecke in diesem Jahr mit einem finalen Crash enden wird. Serienweltmeister Hamilton, der zum Titelgewinn unbedingt die Zielflagge sehen muss, macht sich deswegen aber keine Sorgen. Rennleiter Michael Masi forderte die WM-Kontrahenten schon einmal auf, sich an die Spielregeln zu halten.

Unter dem Hinweis auf die „Event Notes“ stellte Masi klar, dass bei grobem sportlichem Fehlverhalten auch ein Punkteabzug in der laufenden Meisterschaft oder eine Disqualifikation möglich ist. Damit wollte der Australier mit dem Verweis auf das Regelwerk wohl rechtzeitig eine eindringliche Warnung an die punktegleichen Piloten senden, die im Lauf dieser Saison schon dreimal kollidiert sind.

Verstappen wird dank der größeren Anzahl an Siegen Weltmeister, wenn beide Fahrer ausscheiden. Sollte er deshalb seinen Mercedes-Gegner etwa zu offensichtlich in einen Ausfall drängen, sind schwere Sanktionen möglich, die abseits des sportlichen Rennausgangs den Titel kosten könnten. Neu wäre das nicht. Michael Schumacher wurde 1997 in Jerez im Nachhinein bei ähnlicher Konstellation von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen und verlor auch seinen Vizeweltmeistertitel, nachdem er versucht hatte, den Kanadier Jacques Villeneuve beim letzten Saisonlauf aus dem Rennen zu befördern.

Showdown unter strenger Beobachtung

Das Duell um den WM-Titel zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton wird in Abu Dhabi unter strengster Beobachtung ablaufen. Der Rennleiter droht den Piloten bei absichtlichen Vergehen mit drakonischen Strafen.

Zahlreichen Experten fällt in dem Zusammenhang auch der Zoff zwischen Alain Prost und Ayrton Senna ein, die sich 1989 und 1990 jeweils in die Autos fuhren. Oder erneut Schumacher, der 1994 nach einem Crash mit Damon Hill und beidseitigem Aus erstmals Weltmeister wurde.

Duell der Gegensätze

Der Kampf um den WM-Titel ist in dieser Saison ein Duell der Gegensätze, die größer kaum sein könnten. Auf der einen Seite ist der 24-jährige Verstappen, der bisher keinen Titel und auch keine der Nachwuchsserien gewann (außer im Kart-Bereich). Äußerungen zu Themen abseits des Motorsports sind vom Niederländer so gut wie nicht zu bekommen.

Verstappen holt den WM-Titel, wenn …

  • er das Rennen in Abu Dhabi vor Hamilton beendet
  • beide Fahrer ausscheiden oder das Rennen nicht in den Punkterängen beenden
  • er Zehnter wird und dabei die schnellste Rennrunde fährt, wenn Hamilton nicht besser als Neunter wird

Hamilton holt den WM-Titel, wenn …

  • er das Rennen in Abu Dhabi gewinnt
  • er Verstappen hinter sich lässt und auf den Plätzen zwei bis acht landet
  • er Neunter wird und Verstappen als Zehnter nicht die schnellste Rennrunde fährt
  • er Zehnter wird und Verstappen hinter sich lässt

Sein Gegner ist der 36-jährige Hamilton, siebenfacher Weltmeister und jeweils 103-maliger GP-Gewinner und Pole-Setter. Die Bilanz des Briten veränderte die Wahrnehmung des bis dahin für möglich Gehaltenen, entriss er doch Schumacher längst die Bestmarken an Siegen und Polepositions: Nun könnte er zum alleinigen Rekordchampion aufsteigen. Außerdem entwickelte sich Hamilton in den letzten Jahren zu einem Wortführer im Kampf um Menschenrechte und gegen Rassismus.

Verstappen bei Punktegleichheit Weltmeister

Der Startschuss zum Showdown fällt am Sonntag um 17.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ, live in ORF2) auf dem Yas Marina Circuit. Mit jeweils 369,5 Punkten werden die Kontrahenten in den Großen Preis von Abu Dhabi starten. Diese Ausgangslage gibt es erstmals seit 1974 und zum zweiten Mal überhaupt in der Formel-1-Geschichte. Scheiden beide aus, ist Verstappen der neue Champion, da er mehr Siege herausgefahren hat – neun gegenüber Hamiltons acht. „Es wird ein spannendes Rennen, und wir möchten die Saison auf die beste Art und Weise beenden“, sagte Verstappen.

Was aber niemand will, ist eine sich hinziehende WM-Entscheidung in einem Jurykammerl, zumal die FIA-Verantwortlichen um Renndirektor Masi nach dem Grand Prix von Saudi-Arabien in der Vorwoche schon heftig in der Kritik stehen. Masi, dem erratische Entscheidungen ohne erkennbare, durchgängige Linie vorgeworfen werden, wird in Medienberichten sogar die baldige Absetzung prophezeit. In Dschidda fuhr Hamilton Verstappen ins Heck, nachdem dieser die Geschwindigkeit auf untypische Weise reduziert hatte.

Kollisionen in Silverstone und Monza

Schon davor hatte es in der zu Ende gehenden Saison zwei Kollisionen zwischen den Titelrivalen gegeben. Im Juli kam es in Silverstone in der ersten Runde zu einem Crash bei Höchstgeschwindigkeit, der das frühe Rennende für Verstappen bedeutete. Hamilton gewann danach trotz einer Zeitstrafe für das Manöver. Im September beförderten sich Verstappen und Hamilton in Monza beide spektakulär ins Aus.

Crash von Max Verstappen (Red Bull) und Lewis Hamilton (GBR) am 12. September 2021 in Monza
Reuters/Jennifer Lorenzini
Ein Doppelausfall wie in Monza würde Verstappen zum Weltmeister machen – es sei denn, die Jury fällt ein gegensätzliches Urteil

In puncto aggressive Fahrweise schenken sich die beiden Streithähne nicht viel, Verstappen hat allerdings mehr Strafpunkte ausgefasst. Gemeinsam mit seinem Red-Bull-Teamkollegen Sergio Perez liegt der Niederländer im diesbezüglichen Ranking auf Platz zwei, mehr hat nur der japanische Alpha-Tauri-Pilot Yuki Tsunoda gesammelt. Sorgen vor einem Unfall macht sich Hamilton deswegen aber nicht. „Ich fürchte nicht das, was vielleicht gar nicht passiert“, sagte der Mercedes-Star. „Solchen Gedanken gebe ich gar keinen Platz.“

Crash von Damon Hill (GBR) und Michael Schumacher in Adelaide 1994
AP/Mark Brock
Durch einen wilden Crash mit Damon Hill fixierte Michael Schumacher (im rechten Auto) 1994 seinen ersten WM-Titel

Streckenänderungen als Herausforderung

Zwölfmal wurde bisher auf dem Yas Marina Circuit gefahren. Dreimal wurde dort der Titel vergeben: 2010 an Sebastian Vettel, 2014 an Hamilton, 2016 an Nico Rosberg. Die meisten Siege auf dem Kurs holte Hamilton mit fünf (2011, 2014, 2016, 2018, 2019), Verstappen gewann im Vorjahr. Seitdem sind auf dem Kurs einige Veränderungen vorgenommen worden.

„Es gibt neue Streckenabschnitte, die wir lernen und verstehen müssen, und das bedeutet für alle einen Schritt ins Ungewisse“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Das letzte Saisonrennen wird intensiv, aber es ist wichtig, sich nicht ablenken zu lassen, einen kühlen Kopf zu bewahren und mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, damit wir erneut die Performance abliefern können, die wir beim letzten Mal erbracht haben.“

Der ORF berichtet live, das Duo Ernst Hausleitner und Alexander Wurz wird aus Abu Dhabi kommentieren. Aufgrund des Skirennens in Val d’Isere wird die Übertragung aber in ORF2 statt in ORF1 über den TV-Schirm flimmern.