„Gebt mir noch zwei oder drei Jahre mehr, dann werde ich noch viel dominanter sein. Auch wenn ich jetzt schon Weltmeister und Ranglistenerster bin.“ Dieser und ähnliche Sprüche haben dazu beigetragen, dass der Waliser, früher semiprofessioneller Rugby-Spieler, einen schweren Stand bei den Darts-Fans hat. Nicht überall, wo Price auftaucht, fliegen ihm die Herzen der Fans zu.
Oft muss er sich, der aufgrund seines aggressiven Auftretens auf der Darts-Bühne polarisiert, auch Buhrufe anhören und sich auspfeifen lassen. Price gilt unter den 96 Teilnehmern aus 30 Nationen trotzdem als der aussichtsreichste Anwärter auf das Siegespreisgeld von 500.000 Pfund (etwa 585.000 Euro) und die 25 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy, die im Finale am 3. Jänner vergeben wird. Am Mittwoch feierte er zum Auftakt gegen Ritchie Edhouse einen 3:1-Sieg.
Alphatiere auf der großen Bühne
Vor diesmal im Gegensatz zum Vorjahr vollen Rängen und der dartsüblichen Partykulisse gelten neben Price wie immer der Niederländer Michael van Gerwen, der ehemalige Weltmeister Peter Wright und der Jahresbeste Jonny Clayton als stärkste Konkurrenten von Price. Vor allem Price’ walisischer Landsmann Clayton überzeugte heuer mit fünf Turniersiegen im TV, der höchsten Kategorie bei Darts-Turnieren.

Doch Price macht sich darüber keine Gedanken. „Ich mache mir keine Sorgen über Michael, über Peter oder über irgendjemanden. Ich versuche einfach, gut Darts zu spielen, und wenn das gelingt, gewinne ich 95 Prozent der Spiele“, sagte Price. Van Gerwen lässt solche Attacken natürlich nicht unkommentiert. „Wenn ich mein A-Game spiele, kann mir niemand gefährlich werden“, sagte der Niederländer dem Fachportal „Checkout – Der Darts-Podcast“.
Sherrock ist „keine Kuriosität“
Price hat auf seinem Weg zur neuerlichen Thronbesteigung einige Hürden zu nehmen, die zweifellos schlagzeilenträchtigste ist das mögliche Drittrundenduell mit Fallon Sherrock, die als beste Spielerin bei großen Turnieren gilt: bester Mann gegen beste Frau.
Die 27-jährige Engländerin ist es aber leid, auf diese Rolle reduziert zu werden, wie es nach den jüngsten Erfolgen beim Grand Slam geschehen ist. „Ich bin eine professionelle Darts-Spielerin und keine Kuriosität. Letztlich nehme ich an Darts-Veranstaltungen teil, die für alle offen sind, und nicht als Frau in einem Männer-Event“, sagte Sherrock der dpa. Vor zwei Jahren hatte sie als erste Frau einen Mann besiegt und nach einem Erfolg über den Österreicher Mensur Suljovic die dritte WM-Runde erreicht.
Verschmähte Liebe: Österreicher und die WM
Österreich ist bei dieser WM gleich durch drei Akteure vertreten. Neben dem 49-jährigen Suljovic, in Darts-Kreisen „The Gentle“ genannt, sind auch erst als viertes Brüderpaar der WM-Geschichte Rowby-John und Rusty-Jake Rodriguez am Start. Der Wiener Suljovic, der heuer wegen einer nicht näher genannten Erkrankung monatelang pausieren musste, ist als Nummer 26 der Rangliste für die zweite Runde gesetzt und trifft dort am letzten Spieltag vor Weihnachten auf den Sieger der Partie des gefährlichen Außenseiters Alan Soutar (SCO) gegen Diogo Portela (BRA).
Während Suljovic auf der WM-Bühne nach einigen enttäuschenden Auftritten endlich sein Potenzial ausspielen will, haben die Rodriguez-Brüder unterschiedliche Ziele. Für den 27-jährigen Rowby-John, der heuer als Finalist bei der Team-WM gemeinsam mit Suljovic und als Achtelfinalist beim Grand Slam „sein bestes Jahr“ hatte, geht es um die Sicherung der Spielberechtigung für die Profitour der Professional Darts Coporation (PDC).
Der walisische Qualifikant Nick Kenny ist dabei am Samstag seine erste Hürde. „Ich werde Kenny natürlich nicht unterschätzen, aber das Ziel lautet ganz klar zweite Runde. Ich weiß, dass meine WM-Bilanz nicht die beste ist, und möchte da auf jeden Fall ein bisschen was gutmachen“, so Rodriguez bei Dartn.de. Von sechs WM-Matches konnte der Wiener erst eines gewinnen. In der zweiten Runde am 22. Dezember würde Luke Humphries (ENG/19) warten.
Toptalent „kann weit kommen“
Sein erst 20-jähriger Bruder gilt dafür im Darts-Zirkus als Toptalent, das heuer auf Nebenschauplätzen überzeugen konnte, jedoch bei der WM im sechsten Anlauf endlich sein erstes Spiel vor TV-Kameras gewinnen will. Die Auslosung scheint das zu ermöglichen. Am 20. Dezember ist der Neuseeländer Ben Robb sein Gegner, bei einem Sieg wartet am 23. Dezember Chris „Hollywood“ Dobey (ENG/30). Die Tourkarte hat er bereits sicher.

„Ich will erst einmal genießen und von Spiel zu Spiel schauen. Ich kann schon weit kommen. Ich werde das Turnier wohl nicht gewinnen, aber ich kann vieles schaffen, wenn ich mein Spiel ans Board bringe“, wird Rusty-Jake von Dartn.de zitiert. 333-mal hat er heuer bereits das Maximum von 180 Punkten geworfen und zählt damit zu den Top Zwölf im PDC-Ranking.
Von ziemlich jung bis ganz schön alt
Neben dem für Darts-Verhältnisse noch jungen Rusty-Jake sind im „Ally Pally“ weitere Spieler im Fokus, einer davon noch jünger als „RJR3“. So ist der Deutsche Fabian Schmutzler mit 16 Jahren und 58 Tagen der zweitjüngste Spieler der WM-Geschichte nach dem Australier Mitchell Clegg, der bei der WM 2007 ein paar Tage jünger war (16 Jahre, 37 Tage).
Für seinen Einsatz im „Ally Pally“ hat Schmutzler, der im dartsverrückten Deutschland besonders unter Beobachtung steht, drei Tage schulfrei bekommen. Im Gegensatz dazu stehen drei ältere Herren, die bei den Fans ebenfalls immer gut ankommen. Der 54-jährige Raymond „Barney“ van Barneveld, Weltmeister von 2007, gibt nach einem Jahr Pause sein WM-Comeback.
Der „Singapore Slinger“ und der „Bronzed Adonis“
Im Vergleich zu Publikumsliebling Paul „The Singapore Slinger“ Lim ist Barneveld noch jung. Der Mann aus Singapur ist mit 67 Jahren und 326 Tagen der älteste Spieler der WM-Geschichte und war schon 1982 bei einer WM. Da waren 63 Spieler aus dem aktuellen Feld noch gar nicht geboren. Nicht so Steve „The Bronzed Adonis“ Beaton, der seine 31. Darts-Weltmeisterschaft in Folge spielt – auch das ein Rekord.

Der beim Publikum beliebte 57-jährige Engländer trifft zum Auftakt auf Sherrock. Die zu erwartende lautstarke Unterstützung für seine Gegnerin nimmt der erfahrene Beaton locker: „Für mich ist es ein Spiel wie jedes andere. Fallon spielt auf der Bühne immer gut. Ich gehe rauf, um zu gewinnen. Vielleicht werde ich ausgebuht, dann stecke ich mir Ohrenstöpsel rein.“ Mit dabei ist mit den Australiern Raymond und Ky Smith auch erstmals ein Vater-Sohn-Gespann. Das ist die Darts-WM. Alt gegen Jung, Frau gegen Mann, Vater und Sohn, laut gegen leise, Partystimmung gegen höchste Konzentration: Hauptsache, die Pfeile fliegen.