Die Chancen auf einen erneuten Tournee-Triumph hatte Kraft bereits beim Auftakt in Oberstdorf mit Rang zwölf verspielt. Dem Salzburger, vor sieben Jahren letzter österreichischer Gesamtsieger und vor fünf Jahren in Oberstdorf bisher letzter rot-weiß-roter Tagessieger, fehlen nach der ersten von vier Stationen schon 41,9 Zähler auf Spitzenreiter Ryoyu Kobayashi aus Japan. Auf der Olympiaschanze in Garmisch fand sich Kraft zu Silvester nun überhaupt nicht zurecht.
In den beiden Trainingssprüngen war er zu Mittag auf 102,5 und 115,5 Meter gekommen, in der Qualifikation reichte es nur zu 119,5 Meter. Die Ernüchterung nach der neuerlichen Enttäuschung war deshalb ziemlich groß. „Heute ist gar nichts gegangen, ich habe alles probiert mit den Trainern, auch vom Körperlichen her, aber es passt gerade nicht zusammen“, sagte Kraft, neben Jan Hörl Österreichs bisher einziger Saisonsieger. „Ich bin leer. Dass mir das heute passiert, da hätte ich viel Geld verwettet.“
Kraft verpatzt Garmisch-Qualifikation
Stefan Kraft hat die Qualifikation für den zweiten Tournee-Bewerb am Samstag in Garmisch-Partenkirchen als 59. verpasst.
„Es tut weh, ich bin sprachlos“
Wie schon nach Oberstdorf, wo er nach einem verpatzten ersten Durchgang zumindest in der Entscheidung noch einen Aufwärtstrend gesehen hatte, heiße es nun, die Zähne zusammenzubeißen. „Es nützt nichts, es geht weiter. Heute war ein rabenschwarzer Tag, solche Tage gibt es. Wer mich kennt, weiß, dass ich den Kopf nicht in den Sand stecke. Es tut weh, ich bin sprachlos, aber morgen ist ein neuer Tag, ein neues Jahr, dann geht es wieder bergauf.“
Noch vor der Analyse mit dem Trainerteam machte der Salzburger ein Manko in der Anfahrtsposition aus. „Da ist ein falsches Gefühl da. Ich glaube, ich bin auf Zug, bin es aber nicht und will das über den Sprung aufholen. Aber es nichts rausgekommen.“ Trotz der beiden Abstürze im Training sei er überzeugt in den Qualifikationssprung gegangen. „Das Körpergefühl hat sich dann auch gut angefühlt. Ich habe probiert, alles anders zu machen, aber das hat auch nichts gebracht.“
Garmisch war schon davor keine von Krafts Paradeschanzen gewesen, in den vergangenen vier Jahren war er nie besser als 13. gewesen. Sein Topresultat hatte er da 2017 als Dritter gehabt. Erklären könne er sich das freilich nicht. „Diesen Sommer hatte ich da meine besten Sprünge.“ Für den Neujahrstag zog der 28-Jährige in Erwägung, sich auf der Schanze in Seefeld mit ein paar Sprüngen ein gutes Gefühl für den Wochenbeginn auf dem Bergisel zu holen. Das sollte noch besprochen werden.
Widhölzl kündigt „Spezialprogramm“ an
Auf ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl und sein Team wartete jedenfalls die Aufgabe, seinen besten Mann wieder aufzurichten. „Wir werden ein Spezialprogramm machen und schauen, dass er für Innsbruck wieder fit ist“, verriet der Tiroler. „Dass es ihn so erwischt hat, ist aber natürlich bitter.“ Mario Stecher sprach das Mentale an. „Skispringen ist eine nur mit dem Kopf zu bewältigende Sportart. Wenn man ein bisschen entgegen dem Gefühl arbeitet, wird es ganz schwierig. Das ist Stefan passiert“, sagte der Sportliche Leiter. „Das Schöne ist, dass man genauso ganz schnell wieder vorne sein kann.“
Hörl in Qualifikation bester Österreicher
Als bester ÖSV-Adler klassierte sich Jan Hörl in der Garmisch-Qualifikation auf Platz vier.
Die restlichen sechs ÖSV-Adler hatten indes keine Probleme. Bester aus dem rot-weiß-roten Team war Jan Hörl als Vierter mit einem Satz auf 138 Meter, für den er 137,8 Punkte bekam. In die Top Ten kamen auch Daniel Tschofenig als Siebenter und Manuel Fettner als Achter. Für Daniel Huber (18.), Philipp Aschenwald (21.) und Ulrich Wohlgenannt (31.) ging es sich ebenfalls locker mit der Qualifikation für die Top 50 aus. Die beste Leistung zeigte der Deutsche Markus Eisenbichler mit 144,9 Zählern (137 m) vor Ryoyu Kobayashi mit 144 (134 m). Dritter war der deutsche Weltcup-Leader Karl Geiger 138,4 (135,5 m).
Fünfkampf um Tournee-Gesamtsieg
Hinter dem Toptrio zeigten aber auch andere Topspringer neben ÖSV-Star Kraft Schwächen. Das norwegische Trio Halvor Egner Granerud (27.), Robert Johansson (13.) und Marius Lindvik (14.), das in der Tournee-Wertung die Plätze zwei bis vier belegt, konnte sein Können nicht komplett abrufen. Im engen Rennen um den goldenen Adler sowie das Preisgeld von 100.000 Schweizer Franken (rund 97.000 Euro) für den Tournee-Gesamtsieg liegt auch der fünftplatzierte Geiger nur umgerechnet rund 3,4 Meter hinter Spitzenreiter Kobayashi.