Vincent Kriechmayr (AUT)
GEPA/Angelika Warmuth
Ski alpin

Viele Siegesanwärter auf der „neuen“ Streif

Vor der ersten Hahnenkamm-Abfahrt in Kitzbühel am Freitag (11.30 Uhr, live in ORF1) bereitet vor allem das Wetter den Veranstaltern und den Rennläufern Sorgen. Die für das Wochenende erwartete Neuschneemenge könnte selbst den professionell aufgestellten Kitzbüheler Ski-Club an seine Grenzen bringen. Dennoch hofft Mitfavorit Vincent Kriechmayr auf ein Rennen von ganz oben, sonst gebe es ein „Gemetzel“. Matthias Meyer peilt derweil sein viertes Kitzbühel-Podest in Folge an, die Favoritenliste für den Sieg auf der „neuen“ Streif ist allerdings lange.

„Wenn wir von der Alten Schneise starten, gibt es ein Gemetzel“, sagte Kriechmayr. „Dann fehlen die schwersten Passagen, Mausefalle, U-Hakerl, Steilhangausfahrt, dann ist der Favoritenkreis sehr, sehr groß.“ Der Favoritenkreis für die Abfahrten ist ohnehin schon groß, bei sechs Saison-Abfahrten krönten sich fünf verschiedene Speed-Fahrer zu Siegern.

Nur Aleksander Aamodt Kilde gewann bisher zwei Saison-Abfahrten. Der Norweger wartet allerdings in Kitzbühel noch auf eine Spitzenplatzierung in der Abfahrt, der 29-Jährige war noch nie besser als Rang sechs (2016). „Ein Streif-Sieg gehört zu den größten Erfolgen, die man feiern kann“, sagte Kilde, der im Vorjahr verletzt fehlte. Einen Olympiasieg würde er aber laut Eigenaussage heuer noch lieber bejubeln. Dennoch soll der bisher einzige Stockerlplatz in Kitzbühel – Zweiter im Super-G 2020 – Gesellschaft kriegen.

Generalprobe in Kitzbühel geht an Innerhofer

Das zweite Training für die Abfahrt in Kitzbühel ist am Donnerstag unter ganz anderen Bedingungen als der Auftakt am Mittwoch über die Bühne gegangen. Statt strahlenden Sonnenscheins waren die Athleten in der Generalprobe für die Abfahrt am Freitag (11.30 Uhr, live in ORF1) mit Schneefall und Wind konfrontiert.

Viele Siegesanwärter

Kilde, der in diesem Winter bisher fünf von elf Speed-Rennen gewann, findet es allerdings schade, dass der Super-G der neuen auch coronavirusbedingten Programmplanung zum Opfer fiel: „Aber die Abfahrt ist auch cool. Dennoch hoffe ich, dass der Super-G zurückkommt.“ Neben Kilde zählen auch die weiteren Saisonsieger Kriechmayr, Matthias Mayer und Dominik Paris allesamt zu den Topfavoriten, ein Streif-Sieg von Gröden-Gewinner Bryce Bennett aus den USA wäre hingegen eine Überraschung.

Aleksander Aamodt Kilde (NOR)
GEPA/Harald Steiner
Im Vorjahr war Kilde die Teilnahme an den Hahnenkamm-Rennen verletzungsbedingt verwehrt, heuer ist er einer der Topfavoriten

Zum Favoritenkreis zählt selbstverständlich auch der Schweizer Beat Feuz, der im Vorjahr beide Abfahrten gewann und seit fünf Hahnenkamm-Abfahrten immer auf dem Stockerl stand. Und auch Paris muss man auf dem Zettel haben. Der Italiener könnte am Wochenende mit einem vierten Triumph Franz Klammer einholen. Nur Didier Cuche gewann die Streif bisher fünfmal, zuletzt triumphierte der Schweizer 2012.

Mayer peilt viertes „Kitz“-Podest an

Für den letzten ÖSV-Sieg auf der Streif sorgte Mayer vor zwei Jahren. Der Zweite und Dritte des Vorjahres peilt heuer sein viertes „Kitz“-Podest in Folge an. Der Kärtner weiß aber: „Es sind fünf, sechs Athleten in der Abfahrt, die auf einem richtig guten Niveau fahren. Ein Rutscherle irgendwo zu viel, und du bist dort nicht mehr dabei.“

Er sei zwar zuletzt „ein bisschen hinten angestanden“, sagte der Sieger von 2020 ohne gemindertes Selbstbewusstsein. „Ich bin gut drauf und weiß, was ich zu tun habe.“ Auch die Wertung im Disziplinen-Weltcup bestätigt das enge Favoritenfeld. Paris, der bisher noch nie die Abfahrtskugel gewinnen konnte, führt die Disziplinen-Wertung derzeit an, Kriechmayr hat als Fünfter lediglich 31 Punkte weniger.

Matthias Mayer jubelt 2020 über den Sieg auf der Streif
GEPA/KSC/EXPA/Johann Groder
Mayer krönte sich 2020 in Kitzbühel zum Streif-Sieger

Kriechmayr im Training mit Luft nach oben

Außenseiterchancen rechnet sich auch Christof Innerhofer, der Trainingsschnellste vom Donnerstag aus: „Ich fühle mich wohl mit dem Set-up, das ich seit Wengen endlich (richtig) eingestellt habe. Ich freue mich aufs Rennen, egal ob Schlechtwetter ist.“ Kriechmayr schwärmte im Zielhang von der Innerhofer-Fahrt und sagte zum Südtiroler: „Ich weiß, wen ich mir anschauen muss. Nur dich.“ Doch der Routinier weiß: „Auf den Vinc ist extra aufzupassen. Er fährt im Training immer extra langsam, und im Rennen ist er da.“

Viele Sorgen in Kitzbühel

Ein unsicheres und schwieriges Hahnenkamm-Wochenende steht bevor. Vor allem die Schlechtwetterfront mit viel Schnee bereitet den Veranstaltern auf der Streif Sorgen. Aber auch die Gastronomen und Hoteliers belastet die Situation, da viele Gäste heuer ausbleiben.

Kriechmayr wurde im ersten Training nur 49., am Donnerstag steigerte er sich auf den neunten Platz. „Es war schon wesentlich besser. Vom Oberhausberg habe ich aber viel Zeit verloren, das muss ich mir anschauen.“ Gewinnt der Doppelweltmeister aus Cortina nach Wengen auch in Kitzbühel, wäre er der erste Athlet seit dem Schweizer Didier Defago 2009, dem das gelingt.

Unstimmigkeiten über Streckenänderung

Derweil scheidet die neue Liniensetzung über den Hausberg die Geister der Abfahrer. Die „Eberharter“-Linie, die seit Stephan Eberharters Triumphfahrt 2004 auf der Hausberg-Querfahrt gesucht wurde, kann nicht mehr anvisiert werden. Durch Geländekorrekturen und eine neue Kurssetzung (ein Tor mehr) werden die Rennläufer dazu gebracht, den Schwung in die Querfahrt runder zu nehmen. Das soll in einer Temporeduktion beim gefährlichen Zielsprung resultieren.

Kilde ist der Meinung, dass die neue Streckenführung zwar einen Versuch wert gewesen sei, man nächstes Jahr allerdings wieder etwas ändern müsse. „Es schaut so aus, dass dieses Tor morgen ganz wichtig wird“, sagte der Norweger nach dem Abschlusstraining, in dem er nach Platz eins am Vortag als 39. nicht alle Karten aufdeckte. Mit immer mehr Schlägen auf der Piste und den zu erwartenden schwierigen Wetterverhältnissen könnte also der Hausberg einmal mehr zum Kriterium im Kampf um die Spitzenpositionen werden. „Schlechte Sicht hat man oft in diesem Sport, da muss man einfach gut sein“, so Kilde.

Puelacher zuversichtlich für die Rennen

Doch die veränderte Strecke ist nicht nur aus nostalgischen Gründen umstritten, sondern auch weil das Tempo nur marginal abgenommen hat. „Ziel verfehlt“, resümierte Paris. Für die Traverseneinfahrt gäbe es nun „nur noch eine Linie, die funktioniert“, sagte etwa Romed Baumann, stellvertretend für viele andere Läufer. Für den für den Deutschen Skiverband fahrenden Tiroler war die Passage früher „selektiver“ und mit „mehr Spaß“ verbunden.

Änderung der Streckenführung hin oder her – die ÖSV-Läufer wollen im Kampf um den Abfahrtssieg auf jeden Fall mitmischen. Auch Rennsportleiter Andreas Puelacher blickt zuversichtlich auf das Wochenende: „Wir haben die Strecke im Griff, ich bin sehr zuversichtlich für die Rennen. Wir sind gut vorbereitet und wissen, was uns erwartet.“