Ski alpin

Kilde trumpft erstmals auf der Streif auf

Aleksander Aamodt Kilde ist seiner Favoritenrolle in Kitzbühel gerecht geworden. Der Norweger gewann am Freitag die leicht verkürzte Streif-Abfahrt 0,42 Sekunden vor dem 41-jährigen Franzosen Johan Clarey. Für Matthias Mayer reichte es mit 0,67 Sekunden Rückstand auf Kilde, der seinen bereits fünften Saisonsieg feierte, nur zum vierten Platz – weil Clareys Landsmann Blaise Giezendanner mit Startnummer 43 überraschte.

Gegen Kilde hatte keiner der Topfahrer ein Mittel gefunden. Der 29-Jährige gab sich auf dem Weg zu seinem ersten Abfahrtstriumph in Kitzbühel unantastbar und nahezu fehlerlos. „Unglaublich, ich verstehe es selber nicht, warum ich so schnell war. Das war ich bisher noch nie“, staunte Kilde, der im Abschlusstraining über Platz 39 nicht hinausgekommen war.

„Da habe ich etwas probiert, und es hat nicht funktioniert, jetzt habe ich wieder den alten Ski genommen, und der war super“, erläuterte er und verwies auf seinen Kreuzbandriss im Jänner des vergangenen Jahres. „Es ist unglaublich, ich habe mir in der Früh ein Foto von mir mit Krücken angeschaut und mir gedacht, es ist gewaltig, wie ich wiederhergestellt wurde. Jetzt weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Es ist so geil.“

1. Aleksander A. Kilde (NOR)
2. Johan Clarey (FRA)
3. Blaise Giezendanner (FRA)

Giezendanner verdrängt Mayer

Mayer durfte sich nach einer großteils makellosen Fahrt auf der selektiven Streif zumindest bis zur Nummer 43 über seinen fünften Podestplatz in dieser Saison neben den beiden Siegen in Wengen (Super-G) und Lake Louise (Abfahrt) freuen, ehe ihn Giezendanner im letzten Moment noch vom Podest stieß. „Es war mit der vorderen Nummer nicht ganz optimal, speziell im Hohlweg ist es später schneller geworden. Aber meine Fahrt war schon gut“, sagte der 31-Jährige. „Es ist bei solchen Verhältnissen immer ein Hin und Her.“

Giezendanner nutzte die Gunst der Stunde zu seinem überhaupt ersten Podestplatz im Weltcup. „Ich bin sprachlos, ich muss mir das selber noch einmal anschauen. Ich könnte nicht glücklicher sein. Mein Ski war großartig“, sagte der 30-Jährige. „In Wengen war ich noch Sekunden hinter Kilde, jetzt bin ich knapp hinter ihm. Ein unglaublicher Sprung.“ Giezendanners bestes Saisonergebnis war übrigens Platz 26 in Bormio.

Mayer bester Österreicher

Der Sieger von 2019 legte auf der verkürzten und im unteren Teil leicht veränderten Streif eine starke Fahrt hin

Platz zehn für Hemetsberger

Den weiteren Österreichern hinter Mayer blieb auf der legendären Streif ein absoluter Spitzenplatz verwehrt. Daniel Hemetsberger wurde als zweitbester mit 1,26 Sekunden Rückstand Zehnter, Vincent Kriechmayr hatte wie schon in beiden Trainings Probleme und schwang als 13. (+ 1,47) ab, Otmar Striedinger als 16. (1,66). Chancenlos war Max Franz, der mit Startnummer eins 3,62 Sekunden einbüßte.

Für eine Schrecksekunde sorgten wiederum Daniel Danklmaier und Christian Walder. Danklmaier verlor im Steilhang einen Ski und stürzte, blieb aber zum Glück unverletzt. Walder rutschte mit der hohen Startnummer 40 nach davor starken Zwischenzeiten in der Einfahrt zur Traverse von der Strecke. „Vom Fahren her kann ich mir nichts vorwerfen, ich war gut auf dem Außenski. Pech, da kann man nichts machen“, erklärte Danklmaier.

Sturz von Danklmaier

Für den Steirer Daniel Danklmaier endete das Rennen unsanft

Start von der Mausefalle

Kitzbühel war zum erhofften Spektakel geworden. Ein Sprintrennen mit Start von der Alten Schneise blieb den Athleten trotz Schneefalls davor erspart. Die Original-Streif dufte es dennoch nicht sein. Wegen zu starken Windes im obersten Teil ging es vom ersten Reservestart oberhalb der Mausefalle los. Entscheidende Passagen wie U-Hakerl und Steilhang-Ausfahrt waren zur Freude der Fahrer aber dabei.

Bis zur letzten Sekunde war dafür auf der Piste gearbeitet worden – sogar großteils eisig und unruhig präsentierte sich die Streif. Die niedrigen Startnummern mancher Österreicher waren dennoch kein Vorteil. Franz zog als Testpilot („Eins war definitiv nicht ideal“) an manchen Stellen die Spur und hatte zudem im unteren Teil ab der neu gestalteten Einfahrt zur Traverse Probleme und wurde als 40. später durchgereicht.

Franz als Testpilot

Der Kärntner Max Franz blieb als Testpilot mit Startnummer eins chancenlos

Kriechmayr mit Problemen

Weit besser machte es Doppelweltmeister Kriechmayr, der als aktueller Lauberhorn-Sieger als Mitfavorit auf die Streif gekommen war. Der 30-Jährige (Nummer 3) übernahm nach einer Aufholjagd vorübergehend die Führung, wurde aber umgehend von Landsmann Hemetsberger abgelöst, der die erste Richtzeit hinlegte. Nach zwei vierten Plätzen in Wengen in Bormio war der Oberösterreicher den Erwartungen der 1.000 Zuschauern gerecht worden.

Kriechmayr haderte später: „Es war meine Entscheidung, die Nummer zu wählen. Aber ich habe die Steilhang-Ausfahrt nicht optimal erwischt, da bin ich weit geworden, und es hat mir die Geschwindigkeit gefehlt. Das muss ich versuchen wieder besser zu machen. Natürlich wurmt es mich, aber es ist, wie es ist.“

Rochaden an der Spitze

Als Mayer (7) startete, führte bereits der US-Amerikaner Travis Ganong. Mit einem Husarenritt nach Rückstand im oberen Abschnitt übernahm der Kärntner, Kitz-Sieger von 2020, wieder die Spitzenposition. Die Strecke wurde wie erwartet an manchen Passagen mit jedem Läufer schneller. Für Mayer hieß es nun zittern. Der Schweizer Beat Feuz blieb nach Zwischenbestzeit im Ziel hinter ihm, auch Bryce Bennett (USA).

An Favorit Kilde gab es für Mayer jedoch kein Vorbeikommen. Trotz leichter Probleme pulverisierte der Norweger die Zeit Mayers und untermauerte zugleich seine Ambitionen auf den fünften Saisonsieg, den zweiten in der Abfahrt und den zwölften insgesamt. Mayer durfte immerhin noch mit dem Podest liebäugeln. Aber noch standen einige Kapazunder oben.

Zittern bis zum Schluss

Bangen mussten beide beim Schweizer Weltcup-Gesamtführenden Marco Odermatt, der als zwischenzeitlich Dritter 0,11 Sekunden hinter Mayer abschwang, Fünfter wurde und also nach davor zwei zweiten Plätzen in dieser Saison auf seinen ersten Abfahrtssieg weiter warten muss. Vom Podest verdrängt wurde Odermatt zunächst überraschend von Routinier Clarey, der sich zu dem Zeitpunkt zwischen Kilde und Mayer positionierte. Für den finalen Paukenschlag sorgte Giezendanner, der auch Mayers Traum vom Podest platzen ließ.

Giezendanner überrascht

Der Franzose Blaise Giezendanner sorgte mit Nummer 43 als Dritter für eine Überraschung

An Kildes Triumph war nicht mehr zu rütteln – bereits zum fünften Mal in den vergangenen zehn Jahren war der Abfahrtssieger übrigens nicht auf der Originalstrecke gekürt worden. Kilde gesellte sich in den illustren Kreis von Peter Fill (2016), Kjetil Jansrud (2015), Hannes Reichelt (2014) und Didier Cuche (2012). Am Samstag (10.30 bzw. 13.30 Uhr) steht in Kitzbühel der Slalom auf dem Ganslernhang auf dem Programm, für Sonntag (13.30 Uhr) ist eine zweite Abfahrt geplant. Beide Rennen sind live in ORF1 und im Livestream zu sehen.