Skifahrer Dave Ryding (GBR)
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Ski alpin

Britische Tränen nach Sensation im Schnee

In Dave Ryding hat Kitzbühel einen neuen Lieblingshelden gefunden. Völlig unerwartet schwang sich der 35-Jährige am Samstag beim Slalom auf dem legendären Ganslernhang zum ersten britischen Weltcup-Sieger der Geschichte auf und verhalf Großbritannien damit als 22. Nation zu einem Eintrag in die alpinen Siegerlisten. Die überwiegend britischen Fans und Touristen in Kitzbühel dürften ihren neuen Helden trotz Coronavirus-Pandemie gebührend feiern.

Schon nach der dramatischen Slalom-Entscheidung bei Schneetreiben war den Emotionen freier Lauf gelassen worden. Tränen kullerten da wie dort, bei Ryding, seinen Betreuern, Teamkollegen und auch bei so manchen Journalisten, die Ryding seit Jahren im Weltcup begleiten. Zwölf Jahre nach seinem Weltcup-Debüt in Alta Badia war Ryding als Routinier an der Spitze angekommen. Das Preisgeld von 100.000 Euro fiel nicht ins Gewicht – mehr wog die Freude.

Trainer Jai Geyer, vier Jahre jünger als Ryding, verdrückte nach dem Triumph vor Freude ein paar Tränen. "Es bedeutet so viel. Niemand hat es mehr verdient als Dave. Er war schon so nah dran, und jetzt ist er der erste Brite. Absolut großartig“, sagte Geyer. Er selbst hatte als Skirennfahrer einst nicht den Sprung in den Weltcup geschafft und seine Karriere vor fünf Jahren beendet. Sein Schützling dagegen fährt nicht nur im Weltcup, Ryding gewinnt.

Der ehemalige Skifahrer Jai Geyer (GBR).
GEPA/Mitchell Gunn
Geyer als Aktiver beim Nor-Am-Cup 2014 in Aspen, als Trainer von Ryding fand er in die Erfolgsspur

Feiertag für Großbritannien

„Wir kennen Dave, er ist ein sehr intelligenter und solider Fahrer. Dabei hat er sich vor dem Rennen nicht so gut gefühlt, er war verkühlt. Die Erwartungen haben wir deshalb eigentlich zurückgeschraubt. Jetzt das. Es bedeutet so viel für den britischen Skisport.“ Der war in Kitzbühel-Slalom nicht nur durch Ryding vertreten – Laurie Taylor und Billy Major jubelten mit Ryding und durften sich an diesem denkwürdigen Tag mit ihrem Teamkollegen wie Sieger fühlen.

Sensationssieg für Ryding in Kitzbühel

Dave Ryding hat sensationell den Slalom in Kitzbühel gewonnen und damit für den ersten britischen Sieg in der alpinen Weltcup-Geschichte gesorgt.

Die 25-jährigen Taylor und Major gelten als Zukunftsaktien der Briten im Weltcup, im Europacup feierten beide schon Siege und sind zugleich Ryding auf der Spur, der 2013 als erster britischer Skirennfahrer die Europacup-Gesamtwertung für sich entschieden hatte. „Die zwei haben mich im Training ordentlich gepusht und haben mich noch einmal auf ein anderes Level gebracht.“

Kitzbühel mag Ryding eben

Dabei war Ryding schon in der Vergangenheit als zweimal Zweiter und einmal Dritter haarscharf an seinem ersten Weltcup-Sieg dran gewesen. Die Podestpremiere hatte er 2017 als Zweiter (nach Halbzeitführung) hinter Marcel Hirscher ebenfalls schon in Kitzbühel gefeiert, Zweiter wurde er weiters beim Cityevent in Oslo 2019, Dritter beim Slalom in Adelboden im Jänner vor einem Jahr. Jetzt endlich steht er ganz oben.

„Mein Name ist jetzt Teil der alpinen Skigeschichte. Ich glaube, ich bin jedermanns zweitliebster Skifahrer“, sagte Ryding. „Jeder weiß, wo ich herkomme, jeder kennt meine Geschichte. Ich habe da einfach Jungs dabei, die ihr Leben für mich eigentlich pausieren, drei Monate nicht zu Hause sind. Es ist ein Wahnsinn. Ich habe immer gekämpft und hart gearbeitet, um dann ausgerechnet an diesem Ort zu gewinnen. Ich glaube, Kitzbühel mag mich“, sagte Ryding.

„Voll schön für ihn natürlich und Großbritannien. Er kann Ski fahren, das wissen wir alle miteinander, sonst wäre er nicht in der ersten Gruppe. Er hat das diesmal am besten gemacht“, so ÖSV-Cheftrainer Andreas Puelacher. „Der Dave ist ein richtig netter Mensch“, ergänzte Michael Matt. Ryding selbst sagte über sich: „Ich schätze, in diesem alten Hund ist noch Leben. Mit 13 bin ich in die Welt hinausgezogen, um Ski zu fahren. Es war ein langer Weg bis zum Sieg. Er bedeutet mir alles.“

Auf Kunstpisten groß geworden

Vater Carl Ryding war es, der seinem Sprössling in der Grafschaft Lancashire nördlich von Liverpool und Manchester das Skifahren beigebracht hatte. Für Skifahren ist die Gegend eher nicht bekannt. „Ich bin nicht auf Schnee aufgewachsen, sondern auf Plastikmatten“, so Ryding mit Verweis auf die Kunstpisten, auf denen er als Achtjähriger die ersten Skirennen bestritt.

Dave Ryding im ORF-Interview

Der erste britische Sieger eines Weltcup-Rennens spricht über seine Emotionen und seinen Werdegang.

Wettkämpfe auf Schnee lernte Ryding als Zwölfjähriger kennen und schätzen, die ersten FIS-Bewerbe absolvierte er mit 15 Jahren. Vier Jahre später wurde er Juniorenmeister seines Landes in Slalom und Riesentorlauf und ins britische Skiteam geholt. Bald darauf gewann Ryding seine ersten FIS-Rennen und etablierte sich im Europacup. In Val d’Isere im Februar 2009 gab er seine Premiere für Großbritannien bei einer alpinen Ski-WM. Im Weltcup debütierte Ryding erst zehn Monate später im Alter von 23 Jahren.

„Jeden Tag habe ich daran gedacht, wie ich ein besserer Skifahrer werden kann, egal, ob es Sommer oder Winter war. So habe ich mein Leben die letzten 20 Jahre gelebt, und jetzt stehe ich tatsächlich ganz oben“, sagte Ryding. „Ich hoffe sehr, dass ich die nächste Generation inspiriert habe und ihnen gezeigt habe, dass alles möglich ist.“