Salzburg-Trainer Matthias Jaissle
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Interview

Wie Jaissle seine zweite Chance ergriff

Vor rund einem halben Jahr war Matthias Jaissle nur österreichischen und deutschen Fußballkennern ein Begriff, seither haben ihn Fans in ganz Europa kennengelernt. Der 33-jährige Deutsche führte als jüngster Trainer mit der jüngsten Mannschaft Österreichs Serienmeister Salzburg erstmals in der Clubgeschichte ins Achtelfinale der UEFA Champions League – und das in seiner ersten Saison als Profitrainer. Sein persönliches Schicksal, mit 26 Jahren die Spielerkarriere beenden zu müssen, lotste ihn ebenso nach Salzburg wie die langjährige Förderung durch den ehemaligen hiesigen Sportdirektor Ralf Rangnick.

„Das Karriereende war ein Schock, man fällt in ein Loch, wenn man seinem Traum als Fußballprofi nicht mehr nachkommen kann. Mir war aber schnell klar, dass ich dem Fußball erhalten bleiben möchte“, sagte der gebürtige Nürtinger (Baden-Württemberg) im Interview mit ORF.at. Erst ein Kreuzbandriss, dann schwerwiegende Probleme mit der Achillessehne sorgten für ein frühes Ende als Innenverteidiger, der einst mit den späteren Weltmeistern Manuel Neuer und Sami Khedira in der U21 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gemeinsam spielte.

Wie schon als Spieler wurde Jaissle auch als Trainer vom ehemaligen Salzburg-Sportdirektor und heutigen Manchester-United-Trainer Rangnick gefördert. Dieser hatte einst bei der TSG Hoffenheim die dortige Pressingschule eröffnet und den Aufsteiger 2008 sensationell zum Herbstmeistertitel geführt. „Die Überzeugung zu haben, dass dieser Fußball erfolgreich ist, wenn alle ihn mittragen und mitziehen – das macht mit einem etwas“, erklärte Jaissle über die prägende Zeit.

 Ralf Rangnick und Matthias Jaissle, 2008
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Ex-Salzburg-Sportchef Rangnick holte Jaissle als Spieler nach Hoffenheim und förderte ihn auch nach dessen frühem Karriereende

Dem Kader gehörte damals neben Jaissle auch der ehemalige ÖFB-Teamtormann Ramazan Özcan an. „Wissen konnte man es damals natürlich noch nicht, dass Matthias nun diese Karriere einschlagen würde, aber die Charaktereigenschaften waren schon ausgeprägt – intelligent, aufmerksam, professionell“, erinnerte sich der heutige Leverkusen-Nachwuchstrainer an den jungen Spieler, aus dem ein junger Trainer wurde, der in Salzburg zunächst als Nachwuchscoach, dann als Liefering-Trainer und nun bei den Profis erfolgreich arbeitet.

ORF.at: Ehe es mit den Pflichtspielen wieder losgeht, blicken wir noch einmal zurück: Wie haben Sie die Winterpause nach Ihrem ersten halben Jahr als Profitrainer in Salzburg verbracht?

Matthias Jaissle: Es war wichtig, nach der intensiven Herbstsaison ein paar Tage im Kreis von Freunden und Familie abzuschalten. Ich war in den Bergen, aber auch in der Sonne. Ich habe ein bisschen Abstand gewonnen, auf der anderen Seite habe ich einige Spiele aus der Herbstsaison angeschaut. Dazwischen habe ich auch gelesen, insgesamt gesehen war es in Summe ein angenehmer Urlaub.

ORF.at: Welches Buch lesen Sie aktuell?

Jaissle: Eine Biografie über (den langjährigen Erfolgstrainer von Manchester United, Anm.) Alex Ferguson, die ich zu Weihnachten geschenkt bekommen habe. Es ist ein ganz interessantes Buch über den Führungsstil eines sehr beeindruckenden Trainers. Vor allem, wie er mit Spielerpersönlichkeiten umgegangen ist und sie geführt hat, ist interessant. Sein Weg und vor allem die Konstanz sind beeindruckend.

Matthias Jaissle jubelt mit Mannschaft
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Jaissle führte Salzburg im Herbst als erste österreichische Mannschaft ins Achtelfinale der UEFA Champions League

ORF.at: Die jüngste Mannschaft mit dem jüngsten Trainer zog ins Achtelfinale der Champions League ein und gab sich auch national keine Blöße. Hat Sie dieser erfolgreiche Herbst auch überrascht?

Jaissle: Überrascht ist vielleicht das falsche Wort. Wir wissen es in jedem Fall zu schätzen und konnten auch nicht damit rechnen, dass es am Ende so gut lief. Es war eine sehr starke Herbstrunde, aber es ist erst Halbzeit, und die Titel werden erst am Ende vergeben. Wir müssen auf Zug bleiben, zumal die Jungs jung und entwicklungsfähig sind. Da gilt es im Detail immer wieder Dinge anzupassen und zu entwickeln.

ORF.at: Zum Beispiel?

Jaissle: Ohne alle zu nennen, sind es beispielsweise die Lösungen im letzten Drittel, wenn der Gegner tief steht. Man sieht auch, dass sich da selbst Topmannschaften in den Topligen häufig schwertun, wenn das gegnerische Team sehr defensiv agiert. Es gilt da, die Balance zu finden. Das ist aber auch das Schöne, dass nie Stillstand angesagt ist. Wir müssen versuchen, die Spieler auf eine neue Ebene zu bringen.

ORF.at: Sie selbst haben Ihre vielversprechende Spielerkarriere bereits mit 26 Jahren beenden müssen. War für Sie gleich klar, dass Sie dem Fußball als Trainer weiter erhalten bleiben würden?

Jaissle: Das Karriereende war zunächst ein Schock, und man fällt in ein Loch, wenn man seinem Traum nicht mehr nachkommen kann. Mir war aber schon schnell klar, dass ich dem Fußball erhalten bleiben möchte. Ich wollte die Branche auch einfach noch besser kennenlernen, wollte mich über ein Studium auch facettenreicher aufzustellen. Da war aus allen Bereichen wie Management und Scouting vieles dabei, um die Komplexität des Fußballs besser zu verstehen. Das war mein Anspruch.

Matthias Jaissle und Mario Mandzukic, 2011
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Jaissle spielte 31 Bundesliga-Spiele für Hoffenheim, ehe er mit nur 26 Jahren seine Karriere beenden musste

ORF.at: In Leipzig, wo Rangnick als Sportdirektor agierte, konnten Sie dann auch bei einem Club Erfahrungen sammeln.

Jaissle: Ich sollte im Nachwuchs eine Art Traineeprogramm in diversen Abteilungen durchlaufen, und wie es das Schicksal so wollte, begann ich auf dem Trainingsplatz als Kotrainer unter Sebastian Hoeneß (heutiger Hoffenheim-Trainer, Anm.) in der U16. Dort war schnell klar, dass ich das auf Dauer machen möchte. Es hat mir großen Spaß gemacht, junge Spieler zu entwickeln. So blieb ich dabei und machte die nächsten klassischen Schritte in der Trainerausbildung. Es kam das Angebot, mit Alexander Zorniger zu Bröndby Kopenhagen zu gehen und im Profibereich als Kotrainer zu arbeiten. Das war eine coole und lehrreiche Zeit im Ausland, danach kam das Angebot aus Salzburg.

ORF.at: Rangnick hat Sie als Spieler nach Hoffenheim geholt und quasi als Trainer nach Leipzig, was auch Ihre Karriere in Salzburg auflegte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezeichnet Sie als seinen „Kronprinzen“, und er gilt als Ihr Mentor. Was ist er für Sie?

Jaissle: Das ist vor allem medial ein großes Thema. Er hat mich mit 18 Jahren beim VfB Stuttgart gescoutet und nach Hoffenheim geholt, mir einen klaren Weg aufgezeigt, und dort bin ich auch das erste Mal mit dieser Art von Fußball in Berührung gekommen. Wir sind zweimal direkt aufgestiegen und haben in der Bundesliga für Furore gesorgt. Diese Art von Fußball hat mich geprägt. Die Überzeugung zu haben, dass sie erfolgreich ist, wenn alle sie mittragen und mitziehen – das macht mit einem etwas. Als Trainer war Ralf eine wichtige Person für mich, und wir stehen nach wie vor immer mal wieder im Austausch.

ORF.at: Sie werden aufgrund Ihres niedrigen Traineralters von 33 Jahren auch mit Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, der ein Jahr älter ist, verglichen. Ist er ein Vorbild für Sie?

Jaissle: Ich tue mir mit Vergleichen grundsätzlich schwer, was ich aber sagen möchte: Er ist ein absoluter Toptrainer, und man kann nur den Hut ziehen vor dem, was er in seinen jungen Jahren schon hingelegt hat. Das ist sehr beachtlich. Ich freue mich schon auf die Spiele gegen die Bayern, gegen eine absolute Topmannschaft und einen absoluten Toptrainer. Man versucht zwar hin und wieder, von anderen Teams und Trainern neue Impulse für die eigene Mannschaft mitzunehmen – aber in erster Linie versuche ich, meinen Weg zu gehen.

Trainer Julian Nagelsmann
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Im Champions-League-Achtelfinale bekommt es Jaissle mit Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zu tun

ORF.at: Wie sehen Sie die Ausgangslage vor den Spielen gegen Bayern München im Achtelfinale der Champions League?

Jaissle: Die meisten Experten rechnen mit deutlichen Bayern-Siegen. Wir sind auf jeden Fall klarer Außenseiter, haben keinen Druck. Den hatten wir im Play-off in Bröndby. Wir wollen das jetzt auch genießen, aber sind ehrgeizig genug, alles rauszuhauen und alles auf den Platz zu bringen, um mutig auf dem Platz aufzutreten. Was dann am Ende rauskommt, werden wir sehen. Das wäre ein Blick in die Glaskugel.