Bernhard Raimann
AP/Butch Dill
Football

Raimann setzt zum Sprung in die NFL an

In den vergangenen Jahren haben sich österreichische Athleten auf unterschiedliche Weise der National Football League (NFL) genähert, noch hat es keiner von ihnen geschafft, einen Pflichtspieleinsatz auf dem Feld zu verbuchen und damit in die Fußstapfen der bisherigen heimischen NFL-Legionäre Toni Fritsch, Toni Linhart und Ray Wersching zu treten. Die Chancen stehen gut, dass sich das in der kommenden Spielzeit ändert. Der Burgenländer Bernhard Raimann machte sich im College-Football als Offensive Tackle einen Namen.

Der 24-Jährige wird im NFL-Draft, wo die 32 Teams die Talente wählen, relativ hoch gehandelt. Die Hoffnung, als erster Österreicher nach 35 Jahren ein Pflichtspiel in der NFL zu bestreiten, ist gut begründet.

Denn anders als einige seiner Landsmänner spielt er schon seit Jahren in den USA und profitierte auch von einem Positionswechsel. Zudem wurde er nicht nur zur Senior Bowl, einem Allstar-Game für College-Spieler, eingeladen, sondern auch am Mittwoch zum NFL Combine. Damit darf der Steinbrunner im März in Indianapolis eine Woche lange den Clubvertretern vor dem Draft sein Können präsentieren.

Wenn die Saison am Sonntag mit der Super Bowl LVI in Los Angeles zwischen den hiesigen Rams und den Cincinnati Bengals ihren Höhe- und Schlusspunkt findet, waren mit Sandro Platzgummer (New York Giants) und Bernhard Seikovits (Arizona Cardinals) auch zwei Athleten aus Österreich Teil dieser Spielzeit – allerdings nur in den jeweiligen Trainingskadern. Für mehr als Einsätze in den Vorbereitungsspielen hat es für das Duo aus Tirol beziehungsweise Wien bisher nicht gereicht.

Der Runningback und der Tight End kamen über das International Pathway Program in die NFL. Diese Plattform ermöglicht es Spielern außerhalb der USA, eine Chance in Übersee zu bekommen. Mit Leonel Misangumukini weilt wieder einer aus den erfolgreichen heimischen Football-Jahrgängen 1996 und 1997 in den USA, doch den Athleten außerhalb der Vereinigten Staaten wird am Ende nur selten das notwendige Vertrauen für Pflichtspieleinsätze entgegengebracht. Seikovits und Platzgummer spielten nur in der Preseason. Bei Raimann ist die Lage eine andere, zumal er eben schon länger in den USA weilt.

Auszeichnungen im College, im Draft hoch gehandelt

Der 24-Jährige, der wie Seikovits bei den Vienna Vikings im Football seine ersten wichtigen Schritte gegangen war, ist zwar auch nicht der erste Österreicher, der auf höchstem College-Level agierte, aber bei den Central Michigan Chippewas wandelte sich Raimann zu so einem wertvollen Spieler auf der Position des Offensive Tackles, dass er vom Analyseunternehmen Pro Football Focus am Ende dieser Saison zum „Mid-American Conference Offensive Player 2021“ gewählt wurde.

Es folgte die Einladung zur Senior Bowl. Tackles, die den Quarterback beschützen, gelten nicht als Stars, erfüllen aber eine immens wichtige Aufgabe und werden damit auch im Draft gerne höher gewählt. Nicht zuletzt halten es NFL-Experten für möglich, dass Raimann in der Talentewahl im April in einer der ersten Runden genommen wird. Noch nie wurde ein Österreicher im Draft ausgewählt, die drei Kicker Fritsch, Linhart und Wersching kamen alle ungedraftet zu ihren Teams.

Bernhard Raimann
AP/Butch Dill
Bernhard Raimann (r.) wurde zum Allstar-Game im College-Football eingeladen

Experte Daniel Jeremiah, der „Draft-Guru“ von NFL Network, führt den Steinbrunner in seiner diesjährigen Talenteliste an der 28. Stelle und kann sich sogar vorstellen, dass er an Nummer 17 gewählt wird. Da sind die anderen Kenner wohl nicht zu Unrecht vorsichtiger, doch es sagt schon genug über den 2,01-Meter-Mann, der 138 Kilogramm auf die Waage bringt, aus. „Er sollte ein verlässlicher Starter zu einem frühen Zeitpunkt seiner Karriere sein“, unterstrich Jeremiah, der wie viele andere vom ungewöhnlichen Werdegang beeindruckt ist.

Ein ungewöhnlicher Werdegang

Das Bemerkenswerte: Raimann spielt die Position erst seit zwei Jahren und Football erst seit zehn. Was Jeremiah eine „faszinierende Story“ nennt, startete nach Aussage von Raimann selbst mit der Lust auf mehr physische Action, als ihm etwa Fußball bot. Mit 13 Jahren sah er erstmals den „eigeformten Ball“, danach ging es Schritt für Schritt weiter. Ab 14 spielte Raimann als Wide Receiver und Cornerback bei den Vikings, bald ging es aber als Austauschschüler nach Übersee.

„Ich dachte mir, hey, ich will Freitagnacht (traditionelle Zeit für Highschool-Football, Anm.) spielen. Ich dachte mir, das wäre cool – und das war es“, sagte Raimann am Rande der „Senior Bowl“. Vom Ballsportgymnasium Wien ging es an die Delton-Kellogg High School, und er überzeugte auch dort so sehr, dass er 2017 an der Central Michigan University unterkam. Das taten vor ihm unter anderen auch „Enfant terrible“ Antonio Brown und der erste NFL-Pick im Jahr 2013, Eric Fisher, der als Tackle mit Kansas City die Super Bowl gewann.

Vom Tight End zum Tackle

Raimann war zu diesem Zeitpunkt aber noch gar kein Tackle, sondern spielte als Tight End. Als solcher gehört auch Blocken zum Job, was später hilfreich sein sollte. Weil er für die Position des Quarterback-Beschützers die Handmaße quasi in die Wiege gelegt bekam, nahm er die Einladung zur Umschulung 2020 an. Dann kam die Pandemie, doch Raimann konnte in nur sechs Spielen in der Saison überzeugen.

„Er brachte nicht nur die Maße mit, auch die Intelligenz“, sagte sein Head-Coach Jim McElwain. Athletiktrainer Joel Welsh fügte an: „Er ist eine Rarität, selbstmotiviert und unabhängig. Er ist ein Vollprofi.“ Raimann legte etwa positionsbedingt in kurzer Zeit 20 Kilogramm zu.

Draft im April in Las Vegas

Vergangenen Sonntag spielte Raimann in der Senior Bowl in Mobile, Alabama. Dort, wo der Draft beginnt, so lautet zumindest das Motto der Veranstaltung. In der Trainingswoche mit Coaches eines NFL-Teams, in seinem Fall der New York Jets, konnte sich Raimann kontinuierlich steigern und auch im Spiel aufzeigen. Was an Erfahrung gegenüber anderen fehlt, macht Raimann offenkundig mit Arbeit an sich wett.

Der Draft geht heuer von 28. bis 30. April in Las Vegas über die Bühne. Wenn ihn bis dahin das Glück nicht komplett verlässt, wird Raimann als erster Österreicher in der Talentelotterie ausgewählt werden und einen sicherlich außergewöhnlichen Werdegang vorerst krönen.