Joe Burrow
Reuters/USA Today Sports/Isaiah J. Downing
Super Bowl

Joe „Cool“ und Co. fordern Starensemble

Er sieht aus wie der erwachsene Kevin McCallister aus „Kevin – Allein zu Haus“ und ist gegenüber seinen Gegnern ebenso eiskalt: Quarterback Joe Burrow, auch als Joe „Cool“ bekannt, trägt in der Nacht auf Montag (00.30 Uhr MEZ) mit Wide Receiver Ja’marr Chase und Kicker Evan McPherson die Hoffnungen der Cincinnati Bengals in der Super Bowl LVI gegen die Los Angeles Rams. Die Startruppe aus Kalifornien ist im Endspiel der National Football League (NFL) im eigenen Stadion Favorit, die Bengals wissen aber zu überraschen.

„Vor der Saison hätte ich das für verrückt gehalten, jetzt überrascht mich nichts mehr“, sagte der 25-jährige Burrow über die Serie, die die Bengals hingelegt haben. Vor zwei Jahren noch Stockletzter haben sie nun in der Postseason die topgesetzten Tennessee Titans und die Kansas City Chiefs mit Superstar Patrick Mahomes aus der Saison genommen. Die Bengals haben sich mit Draftpicks und guten Transfers gemausert und streben nach dem ersten Titel – 1982 und 1989 war man im Finale jeweils den San Francisco 49ers unterlegen.

Auf der anderen Seite haben die Los Angeles Rams auf einzigartige Weise ein Team zusammengestellt, das nun unter Zugzwang ist. Zum einen, weil man für Starspieler viele Erstrundenpicks abgegeben und die Zukunft „verkauft“ hat. Zum anderen, weil man die Super Bowl im eigenen Stadion spielt. Die Rams, die zum fünften Mal im Finale stehen und 2000 (als St. Louis Rams) gewannen, haben viele Spieler, die den Unterschied ausmachen können, unter anderen Matthew Stafford. Der 34-jährige Spielmacher hat nach elf Jahren bei den chronisch erfolglosen Detroit Lions ebenfalls die Chance auf die Karrierekrönung.

Liga in dieser Saison im Sturm erobert

Burrow hat die NFL in dieser Saison im Sturm erobert und ist indes nicht der erste „coole“ Joe in der NFL: Da war einst Joe Namath, der im Jahr der Mondlandung die New York Jets zu ihrem einzigen Titel führte und ob seines extravaganten Lebensstils im „Big Apple“ zum ersten NFL-Popstar avancierte. Und da war auch Joe Montana, der mit den San Francisco 49ers viermal die Super Bowl gewann und so wie im Endspiel 1988/89 gegen die Bengals stets die Ruhe bewahrte. „Schaut, da ist (der Schauspieler) John Candy“, beruhigte Montana seine Teamkollegen, ehe er sie zu einem Last-Minute-Finalsieg führte.

Grafik zur Super Bowl
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA; Foto: AFP

Burrow ist eine Mischung aus beiden NFL-Legenden und könnte nun dem „Joe Club“ beitreten. Nur Namath und Montana haben bisher jeweils die nationale College- und die Profimeisterschaft gewonnen. Burrow könnte gleichziehen und als erster Spieler überhaupt komplett abräumen, schließlich gewann er auch die Heisman-Trophy als bester College-Spieler und wurde an erster Stelle im Draft ausgewählt.

Burrow gab Verliererteam ein Siegergesicht

Das war vor zwei Jahren, nachdem Burrow mit der Lousiana State University die College-Meisterschaft gewonnen hatte, auch die Bilder beim Feiern mit der Zigarre im Mund blieben in bester Erinnerung. Die NFL-Debütsaison endete nach einer schweren Knieverletzung aber vorzeitig, was wiederum zu einer schlechten Bilanz der Bengals führte.

Doch auch das mündete in einen geglückten Draft: Cincinnati holte auf Wunsch von Burrows seinen kongenialen Passempfänger aus dem College, Ja’marr Chase, der sogleich einen Rookie-Rekord (1.455 gefangene Yards) aufstellte. Mit Kicker Evan McPherson, der in der Postseason bisher alle Field Goals verwertet hat, gelang ein weiterer Goldgriff. Auf dem Transfermarkt wurde die Verteidigung verstärkt.

Joe Mixon und Joe Burrow jubeln mit Ja’Marr Chase (Cincinnati Bengals)
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Burrow (9) und Chase (1) hievten die Bengals gemeinsam in dieser Saison in neue Höhen

Der Schlüssel ist und bleibt aber Burrow, der dem Verliererteam ein Siegergesicht gab. Burrow führte etwa die Bengals nach einem 3:21-Rückstand bei den Chiefs im Halbfinale ins Endspiel. Zum Vergleich: Das Team aus Ohio, das nur 250 Kilometer von Burrows Heimat Athens spielt, hatte davor in der Postseason 31 Jahre kein Spiel gewonnen. Wie Mahomes bei den Chiefs war Burrow ein „Gamechanger“. „Ich habe die Außenseitergeschichte satt“, sagte Burrows schon im Jänner und verwies auf das Kollektiv: „Wir sind ein gutes Football-Team“.

Das zeigt sich in 4.611 Yards und 34 Touchdowns in der Regular Season (beides Clubrekord). Noch schöner strahlen die Zahlen, wenn man die brüchige Offensive Line bedenkt. Burrow wurde im Grunddurchgang 51-mal gesackt, alleine im Viertelfinale gegen die Tennessee Titans neunmal (Play-off-Rekord), er fand dennoch einen Weg ins Sofi Stadium nach Los Angeles. Das hat auch mit Head Coach Zac Taylor (38) zu tun, der vor drei Jahren noch im Staff von LA-Coach Sean McVay (36) war und nun mit ihm das jüngste Trainerduo in der Super Bowl bildet.

Neuzugang Stafford führt Starensemble an

Die Rams sind unterdessen einen anderen, einzigartigen Weg gegangen und haben sich das Team vorwiegend „zusammengekauft“. Daher gab und gibt es für sie von 2017 bis 2023 keine Talente aus der ersten Runde im Draft. 2019 verlor das Team des jüngsten Headcoachs der Liga die Super Bowl gegen die New England Patriots mit 3:13, in dieser Saison gingen sie nun „All in“ und eisten Matthew Stafford aus Detroit los.

Matthew Stafford (Los Angeles Rams)
APA/AFP/Getty Images/Christian Petersen
Der 34-jährige Matthew Stafford hat die Rams-Offensive sichtbar verbessert

Dort wurde der Quarterback 2009 wie Burrow ebenfalls an erster Stelle im Draft gewählt. Danach ging es aber nicht steil bergauf wie bei seinem Gegenüber, sondern maximal in die erste Play-off-Runde. Mit den Lions gewann Stafford in der Postseason kein einziges Mal, mit den Rams heuer schon dreimal. Damit zahlten sich der Verlust von zwei Erstrundenpicks an Detroit schon einmal aus. Die Tatsache, dass er den Rams den Titel bringen soll, dürfte ihn nicht stressen. „Druck ist ein Privileg“, sagte Stafford, der mit Cooper Kupp und dem wieder aufgeblühten Odell Beckham jr. auch auf fähiges Personal zählen kann.

Schlüsselspieler in der Defensive

Sehen lassen kann sich auch die Verteidigung: Der dreifach als bester Defensivspieler der Liga ausgezeichnete Aaron Donald hätte sich längst den Titel verdient, ihm zur Seite gestellt wurde in dieser Saison Von Miller, der bei der 50. Finalausgabe aufseiten der siegreichen Denver Broncos als wertvollster Spieler ausgezeichnet worden war.

Mit Jalen Ramsey ist zudem einer der besten Cornerbacks der Liga im Team, Safety Eric Weddle wurde nach Verletzungspech sogar aus der Pension geholt. „Jetzt oder nie“ – das Team von Eigentümer Stan Kroenke, dem auch der englische Fußballclub Arsenal gehört, hat alles in Bewegung gesetzt: Im eigenen Stadionkomplex, der fünf Milliarden Dollar kostete, soll am Sonntag die Krönung erfolgen.

National Football League

Super Bowl LVI in Los Angeles:
Los Angeles Rams Cincinnati Bengals 23:20
Conference Championships:
Kansas City Chiefs Cincinnati Bengals 24:27 n.V.
Los Angeles Rams San Francisco 49ers 20:17
Divisional Round:
Tennessee Titans Cincinnati Bengals 16:19
Green Bay Packers San Francisco 49ers 10:13
Tampa Bay Buccaneers Los Angeles Rams 27:30
Kansas City Chiefs Buffalo Bills 42:36 n.V.
Wildcard-Weekend:
Cincinnati Bengals Las Vegas Raiders 26:19
Buffalo Bills New England Patriots 47:17
Tampa Bay Buccaneers Philadelphia Eagles 31:15
Dallas Cowboys San Francisco 49ers 17:23
Kansas City Chiefs Pittsburgh Steelers 42:21
Los Angeles Rams Arizona Cardinals 34:11