Frau mit russischer Flagge vor einem Stadion in Moskau
AP/Pavel Golovkin
Ukraine-Konflikt

Sportwelt zeigt Russland Rote Karte

Der Angriff auf die Ukraine hat für die Sportlerinnen und Sportler Russlands und dessen Verbündeten Belarus weitreichende Konsequenzen. Denn die Sportwelt zeigt den Aggressoren solidarisch die Rote Karte. Nachdem die russischen und belarussischen Verbände am Montag im Fußball ausgeschlossen wurden, folgten auch am Dienstag weitere Sportarten der Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Aktiven von Bewerben auszuladen.

Dazu gehören neben dem Skiweltverband, die internationalen Föderationen für Eiskunst- und Eisschnelllauf, Eishockey, die Handball- und Volleyballverbände sowie Kanu und Rudern. Der Weltverband der Leichtathletik hat sich als ein weiterer großer Dachverband den Sanktionen gegen Russland und Belarus angeschlossen, hieß es in einer Mitteilung von World Athletics am Dienstag. Dazu gehören die Hallen-WM in Belgrad und die Freiluft-WM in Eugene (USA) sowie die Team-WM im Gehen in Muscat, die am Freitag im Oman beginnt.

Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) wird am Mittwoch, zwei Tage vor der Eröffnung der Winter-Paralympics in Peking, über einen Ausschluss von Russland und Belarus entscheiden. Erst am 2. März sei die IPC-Exekutive vollständig versammelt, teilte der Dachverband dem Branchendienst Insidethegames.biz mit. Die ukrainischen Athleten werden trotz Krieges wohl rechtzeitig in Peking eintreffen. Die 20 Athleten seien auf dem Weg in die chinesische Hauptstadt und können am Mittwoch ankommen, so ein IPC-Sprecher.

FIS schließt Russland vom Weltcup aus

Der Angriff auf die Ukraine hat für die Sportlerinnen und Sportler Russlands und dessen Verbündeten Belarus weitreichende Konsequenzen. Denn die Sportwelt zeigt den Aggressoren solidarisch die Rote Karte.

Eishockey zog schnell nach

Im Eishockey könnte der russische Ausschluss einen überraschenden Aufstieg für Österreich bedeuten. Wenige Stunden nach den Fußballverbänden zog auch der Internationale Eishockeyverband (IIHF) eine scharfe Grenze und schloss Russland und Belarus von allen Bewerben bis in den Jugendbereich aus. Damit geht auch die A-WM im Mai in Finnland ohne dem Duo über die Bühne. Vor allem das Fehlen der russischen „Sbornaja“, inklusive Sowjetzeit 27-facher Titelträger, wirbelt die Kräfteverhältnisse ordentlich durcheinander. Zudem wurde Russland die Austragung der U20-WM Ende des Jahres entzogen.

Igor Ozhiganov (RUS)
Reuters/David W. Cerny
Die Spieler der „Sbornaja“ (l.) bekamen von der IIHF die Rechnung für den Krieg ihrer Regierung präsentiert

Der Ausschluss des Olympiazweiten Russland und von Belarus könnte auch Auswirkungen auf den Terminplan der österreichischen Nationalmannschaft haben. Denn Österreich und Frankreich, die 2019 beim letzten unter „normalen“ Umständen durchgeführten WM-Turnier abgestiegen waren und planmäßig bei der WM der Divison IA in Slowenien antreten sollen, könnten für die beiden ausgeschlossenen Mannschaften in den A-Pool nachrücken. Eine derartige Entscheidung soll in den kommenden Tagen fallen.

ÖEHV wartet ab

Beim Österreichischen Eishockeyverband (ÖEHV) ist man jedenfalls für alle Eventualitäten bereit. "Wir sind im ständigen Kontakt und Austausch mit der IIHF zu den Entwicklungen. Ob wir bei der A-WM oder wie ursprünglich geplant bei der WM Division IA spielen werden, ist aktuell offen. Diese und weitere Fragen, wird die IIHF in den kommenden Tagen klären“, so Sportdirektor und Herren-Teamchef Roger Bader. Alternativ könnte das Turnier in Finnland mit 14 statt 16 Teams gespielt werden.

Apropos Eis: Am Dienstag folgte der Internationale Eislaufverband (ISU) der Empfehlung des IOC und gab den Ausschluss von Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus von ihren Bewerben bekannt. Davon betroffen sind die Sparten Eiskunstlauf, Eisschnelllauf und Shorttrack. Gerade im Eiskunstlauf stand Russland auch bei den Olympischen Spielen in Peking abseits des damals noch schwelenden Ukraine-Konflikts im Mittelpunkt, nachdem ein positiver Dopingtest der 15-jährigen Europameisterin Kamila Walijewa publik wurde.

Fußballverbände bei Ausschluss einig

Am Montag wurden Russland und Belarus sowohl von der FIFA als auch der UEFA von sämtlichen Wettbewerben ausgeschlossen. Für die russische Nationalmannschaft bedeutet das das Aus in der WM-Qualifikation für die Endrunde in Katar, auch der russische Vertreter in der UEFA Europa League, Spartak Moskau, muss den Aufstieg ins Viertelfinale kampflos RB Leipzig überlassen. Dazu beendete die UEFA auch den Vertrag mit Sponsor Gasprom.

Stand jetzt würde auch das russische Frauen-Nationalteam von der kommenden EM-Endrunde in England ausgeschlossen werden. Das Team war in Gruppe C mit den Niederlanden, Schweden und Schweiz gelost worden. Schon davor hatten sich mehrere Verbände, allen voran Polen, Schweden und Tschechien, geweigert, bis auf Weiteres gegen Russland anzutreten. Am Montag gab auch Albanien, das in der Nations League zweimal auf die Russen hätte treffen sollen, seine Weigerung anzutreten bekannt.

FIFA und UEFA suspendieren Russland

Der Internationale Fußballverband (FIFA) sowie der Europäische Fußballverband (UEFA) haben am Montag Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine von allen Wettbewerben suspendiert. Zudem beendet die UEFA die Zusammenarbeit mit dem russischen Sponsor Gasprom.

Von russischer Seite wurde das Vorgehen von FIFA und UEFA scharf kritisiert. Das verstoße „gegen alle Standards und Prinzipien des internationalen Wettbewerbs“ sowie gegen „das Ethos von Sportsgeist und Fairplay“, hieß es in einer Erklärung des Verbandes RFS. Der Ausschluss sei „ausdrücklich diskriminierend“. Er betreffe „eine enorme Anzahl von Athleten, Trainern und Betreuern, Vereins- und Nationalmannschaftsfunktionären und – was noch wichtiger ist – Millionen russischer und internationaler Fans“, argumentierte der Verband. Der RFS behalte sich das Recht vor, die Entscheidung von FIFA und UEFA gemäß dem internationalen Sportrecht anzufechten.

Keine Volleyball-WM in Russland

Am Dienstag entzog schließlich der Internationale Volleyballverband (FIVB) Russland die Männer-Weltmeisterschaft. Ein neuer Ausrichter für das WM-Turnier vom 26. August bis 11. September werde nun gesucht, teilte die FIVB am Dienstag mit. Wegen des Krieges in der Ukraine sei es „unmöglich, Weltmeisterschaften in Russland vorzubereiten und durchzuführen“, hieß es in dem Statement. Der Weltverband sei „ernsthaft besorgt über die eskalierende Situation und die Sicherheit der Menschen in der Ukraine“.

Die FIVB hatte Russland bereits als Etappenort der Nationenliga gestrichen. Ursprünglich waren bei den Frauen ab Ende Juni in Ufa und bei den Männern ab Anfang Juli in Kemerewo Partien in Russland vorgesehen. Die Ersatzausrichter sollen in Kürze benannt werden. Auch im Handball und Basketball wurden Russland und Belarus für alle Bewerbe gesperrt.

Restliche Skisaison ohne Russland

Die restliche alpine Weltcup-Saison wird unterdessen ohne Beteiligung der Teams aus Russland und Belarus stattfinden. Diese Entscheidung gab der Internationale Skiverband (FIS) am Dienstag bekannt. Gemäß den Vorgaben des IOC gelte der Ausschluss für alle FIS-Sparten und -Wettkampfserien.

Bis dato hatte die FIS laut einem Beschluss in der Vorwoche die Teilnahme der Russen und Belarussen unter Auflagen noch erlaubt. Nun folgte man aber dem Beispiel zahlreicher anderer Verbände und damit einer dementsprechenden Empfehlung des IOC vom Montag. Die nunmehrige Entscheidung sei aber nicht leichtfertig getroffen worden, hieß es in einer Mitteilung mit Bedauern bezüglich der tragischen Ereignisse in der Ukraine und der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Konfliktes.

ÖSV-Präsidentin ändert Meinung über Nacht

Der Österreichische Skiverband (ÖSV) hatte sich noch am Montagabend in Person von Präsidentin Roswitha Stadlober gegen den Ausschluss Russlands sowohl in Weltcups als auch bei den Paralympics ausgesprochen. Stadlober befürwortete im Interview mit Servus TV eine Starterlaubnis Russlands und von Belarus unter neutraler Flagge ohne Nationenpunkte sowie ohne Hymnen.

Am Dienstag hörte sich das angesichts „dramatischer Entwicklungen in den letzten Stunden“ aber ganz anders an. „Wir sind bestürzt über die aktuellen Entwicklungen und sprechen der ukrainischen Bevölkerung unsere Anteilnahme aus. Es kann keinen friedlichen Wettstreit geben, während Zivilisten sterben, ukrainische Sportler als Soldaten ihre Heimat verteidigen und die Sicherheit von Athletinnen und Athleten nicht gewährleistet ist“, wurde Stadlober in einer ÖSV-Aussendung zitiert. Man unterstütze deshalb vollumfänglich die Linie des IOC und des Internationalen Skiverbandes.

„Kein Weg geht an Neupositionierung des Sports vorbei“

„Der völlige Ausschluss musste jetzt sein, ohne Rücksicht auf die russischen und belarussischen Athleten“, so die Menschenrechtsexpertin Sylvia Schenk der dpa. „Für die Zukunft muss geklärt werden, wo der Sport die Grenzen zieht.“ Eine Zeitenwende sei bereits durch die Olympischen Winterspiele in Peking mit den großen menschenrechtlichen Problemen eingeläutet worden.

„Jetzt geht endgültig kein Weg mehr an einer grundlegenden Neupositionierung des nationalen und internationalen Sports vorbei“, betonte sie. „Es braucht Menschenrechtskonzepte mit konkreten Maßnahmen auf allen Ebenen des Sports, die Abkehr von schmutzigem Geld – ob von Oligarchen oder zweifelhaften Regierungschefs – und darüber hinaus eine strikte Trennung von Sport und Politik.“