Marco Odermatt
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Ski alpin

Odermatts Erfolg ist kein Zufall

Marco Odermatt ist mit 24 Jahren erstmals Gesamtweltcup-Sieger. Fast genau sechs Jahre nach seinem Weltcup-Debüt steht arithmetisch fest, dass er beim Finale in Courchevel nicht mehr von Aleksander Aamodt Kilde (NOR) eingeholt werden kann. Der Erfolg von Odermatt, der in drei Disziplinen zur absoluten Weltspitze gehört, ist kein Zufall. Der Schweizer zählt zu jenen Sportlern, die ständig und akribisch nach Verbesserungen streben.

„Wenn ich sie dann in der Hand habe, ist es etwas anders nächste Woche“, sagte Odermatt schon nach dem Gewinn der kleinen Kristallkugel für den Riesentorlauf am Samstag. „Ein spezielles Gefühl, weil es ist nicht so wirklich greifbar. Man spürt schon, körperlich geht es mir wirklich sehr gut, es schmerzt nichts. Aber dass der Kopf ein bisschen müde wird, ist logisch nach so einer Saison.“

Mit einem dritten Platz im Riesentorlauf von Kranjska Gora fixierte Odermatt am Sonntag dann auch den Gesamtsieg, an dem es aber schon im Jänner keine ernsthaften Zweifel mehr gegeben hatte. „Marco hat sich nach seinem fantastischen Winter die große Kugel sehr verdient. Er ist ein unglaublicher Skifahrer, obwohl er noch so jung ist. Es ist cool, ihm beim Fahren zuzuschauen. Er motiviert mich, noch mehr zu tun, um noch besser zu werden“, meinte der Norweger Kilde, dem als Speed-Spezialist seit dem Comeback nach einem Kreuzbandriss eine dritte starke Disziplin fehlt, um Odermatt bis ans Äußerste fordern zu können.

Fehlende Gegenwehr der Konkurrenz

„Dass Marco die große Kugel jetzt schon gewinnt, überrascht mich nicht. Eher unerwartet ist für mich, dass die Gegenwehr der Konkurrenten nicht größer ist“, wurde sein Landsmann Carlo Janka, der in der Saison 2009/2010 im Weltcup triumphiert hatte, von der Nachrichtenagentur SDA zitiert. „Es ist beeindruckend, mit welcher Abgeklärtheit Marco fährt, und das in allen seinen drei Disziplinen.“ Nach Janka kam zwölf Jahre kein anderer Schweizer bis ganz an die Spitze.

Für Odermatt erwies sich auf dem Weg dorthin der Riesentorlauf als stärkstes Standbein, das untermauern vier Siege, zwei zweite Plätze und ein dritter Rang. In jedem Rennen kam der Mann aus dem Kanton Nidwalden auf das Podium. Im Februar krönte er sich in Peking auch zum Olympiasieger in dieser Disziplin. Es war die erste große bestandene Reifeprüfung für den Frühreifen.

Rennintelligenz und mentale Stärke

Druck und Erwartungshaltung kannte Odermatt schon lange. Sein Aufstieg lief kontinuierlich, nicht überfallsartig ab. Sechsmal Gold und einmal Bronze holte Odermatt, dessen großes Vorbild Didier Cuche ist, bei zwei Junioren-Weltmeisterschaften. „Wenn einer so viele Junioren-WM-Medaillen macht, dann weißt du, da kommt einer daher, der sehr, sehr schnell ist“, sagte der scheidende ÖSV-Rennsportleiter Andreas Puelacher einmal in diesem Winter.

Andere Trainer und Ex-Rennläufer bekunden, dass den Blondschopf eine kaum gesehene Rennintelligenz auszeichne und er selten einen Fehler zweimal mache. Odermatt könne auch wie kein anderer seine Kräfte bündeln, er sei mental außerordentlich stark. So ließ er sich von dem Druck, als großer Hoffnungsträger des Schweizer Alpinsports zu gelten, nicht aus dem Fokus bringen. Seinen ersten Weltcup-Podestplatz schaffte er am 9. März 2019 mit Platz drei im Riesentorlauf in Kranjska Gora. Sein erster Sieg gelang ihm im Super-G am 6. Dezember desselben Jahres in Beaver Creek.

Was sein Umfeld betrifft, steht Odermatt für stabile, geordnete Verhältnisse. Mit der Luzerner Firma Stöckli etwa hat er seit 13 Jahren den gleichen Skiausrüster. Sein professionelles und stets freundliches Auftreten machte ihn auch für viele andere Partner interessant. Seit drei Jahren ist Odermatt einer der Botschafter der Uhrenmanufaktur Longines, seit vergangenem Mai ist Red Bull sein Hauptsponsor. Dazu hat er Individualverträge mit zwei der wichtigsten Partner von Swiss-Ski abgeschlossen, mit der Bank Raiffeisen und mit der japanischen Sportbekleidungsfirma Descente.