50 Jahre nachdem sich Joe Davis 1927 in Birmingham zum ersten Weltmeister gekrönt hatte, wurde das 1971 eröffnete Crucible Theatre in Sheffield zum Nabel der Snooker-Welt. Seit 1977 ist der „Schmelztiegel“, der seinen Namen zu Ehren der die Region um Sheffield lange prägenden Stahlindustrie trägt, ohne Unterbrechung Austragungsort der WM. Das Theater steht in Großbritannien auf einer Stufe mit dem Wembley-Stadion, Wimbledon, dem Rugby-Tempel Twickenham und seinem Darts-Pendant Alexandra Palace.
Nach zwei Jahren mit Zuschauerbeschränkungen wird das Crucible bei der diesjährigen Ausgabe, die der englische Titelverteidiger Mark Selby gegen seinen walisischen Konkurrenten Jamie Jones am Samstag eröffnet, heuer wieder aus allen Nähten platzen und zum – für Snooker-Verhältnisse – Hexenkessel werden. Im Fall des Theaterbaus in Sheffield, der dem damaligen Promoter Mike Watterson von seiner Frau als Austragungsort empfohlen wurde, bedeutet das 980 mit fachkundigen Zuschauern besetzte Plätze, die den Akteuren genau auf die Queues schauen werden.

Der im Vergleich zu anderen Veranstaltungshallen beschauliche Rahmen sorgt dennoch für eine unvergleichliche Atmosphäre. Diese ist derart speziell, dass die Verantwortlichen der World Snooker Tour dem Crucible bis zumindest 2027 die Treue geschworen haben – und das trotz deutlich lukrativerer Angebote etwa aus Asien, wo sich Snooker ebenfalls einer großen Beliebtheit erfreut.
Verfluchte „Gladiatoren-Arena“
„Das Crucible ist eine Gladiatorenarena. Hier kannst du absolute Höhepunkte erleben, hier können aber auch die Tiefpunkte extrem sein. Dann geht es auch darum, wie man aus diesen Tiefs herauskommt und sich wieder stabilisieren kann“, beschrieb der sechsfache Weltmeister Ronnie O’Sullivan die einzigartige Bühne, die das Theater in der Grafschaft South Yorkshire den Snooker-Stars bietet.
Zur speziellen Aura des Crucible gehört vor allem der Heimvorteil der britischen Spieler. Der Australier Neil Robertson (2010), Ken Doherty aus Irland (1997) und der Kanadier Cliff Thorburn (1980) sind die einzigen Nichtbriten, die sich im Crucible die Krone aufsetzen konnten. Dazu kommt der spezielle „Fluch“ des Theaters. Denn seit 1977 konnte noch kein neuer Weltmeister seinen Titel verteidigen. Weder der schottische Rekordweltmeister Stephen Hendry noch der aktuelle Champion Selby konnte dem Premierentitel gleich im Folgejahr einen weiteren folgen lassen.

Immerhin kennt Selby das Gefühl, die WM-Krone zu verteidigen. Denn der 38-jährige „Jester from Leicester“, aktuell vierfacher Champion, war in den Jahren 2016 und 2017 der bisher letzte Spieler, dem die erfolgreiche Wiederholung des Titels gelang. Selby zählt neben seinem Vorgänger von 2020 O’Sullivan auch heuer wieder zu den klaren Favoriten auf den Thron. Dazu werden auch die ehemaligen Weltmeister Judd Trump aus England und der Australier Robertson für den wichtigsten Triumph des Jahres als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt. Ding Junhui und Zhao Xintong aus China gehören ebenfalls zum erweiterten Kreis der Titelanwärter.
Erstmals Iraner qualifiziert
Insgesamt 32 Spieler – die Top 16 der Weltrangliste und 16 Qualifikanten – machen sich auf die Jagd nach dem Siegerscheck in Höhe von 500.000 Pfund oder rund 602.000 Euro. Das Finale ist für den 2. Mai angesetzt. Im Best-of-35 wird der neue Weltmeister ermittelt. Österreicher ist auch heuer keiner mit von der Partie, nachdem es Florian Nüßle im Vorjahr immerhin in die zweite Runde der Qualifikation geschafft hatte.
Apropos Qualifikation: Die überstand mit Hossein Vafaei heuer erstmals ein Spieler aus dem Iran. Der 27-Jährige, aktuell die Nummer 18 der Weltrangliste, setzte sich in der letzten Runde gegen den Chinesen Lei Peifan knapp mit 10:9-Frames durch und bereichert damit das Feld der besten 32. Dort trifft Vafaei in der ersten Runde gleich mit Trump, dem Weltmeister von 2019, auf einen Titelkandidaten.