Jochen-Rindt-Platz in Graz
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Chronik

Das Vermächtnis der Legende Jochen Rindt

Am 10. Juli steht auf dem Red Bull Ring in Spielberg der mittlerweile wieder traditionelle Grand Prix von Österreich auf dem Programm. Dass das obersteirische Aichfeld zum rot-weiß-roten Nabel des Motorsports wurde, ist untrennbar mit dem Namen Jochen Rindt verbunden. Aber es ist nicht sein einziges Vermächtnis. Denn auch 52 Jahre nach seinem Unfalltod in Monza ist der erste österreichische Weltmeister präsent wie eh und je. Am Montag hätte er seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Nicht nur in Rindts Heimatstadt Graz kann man auf dem Jochen-Rindt-Platz in die Straßenbahn einsteigen, im Stadtteil Seiersberg in der Jochen-Rindt-Straße wohnen oder im Grazer Stadtmuseum eine Ausstellung über sein Leben besuchen, auch rund um die steirische Landeshauptstadt ist ein Weg oder eine Straße mit dem Namen der Motorsportlegende zu finden. Selbst im 23. Wiener Gemeindebezirk wurde eine Straße zu Ehren des Rennfahrers, dessen Leben am 5. September 1970 in der Parabolica-Kurve von Monza endete, benannt.

Dass auch auf dem Red Bull Ring die vorletzte Kurve nach Rindt benannt ist, ist logisch. Ohne den Weltmeister von 1970 wäre die 1969 eröffnete Strecke in der Obersteiermark nie gebaut worden. Denn Rindt löste mit seinen Erfolgen in seiner kurzen Karriere jenen Hype in Österreich aus, der heutzutage nachhallt. „Er war ein derart charismatischer Typ, der ohne Allüren seine Freude am Motorsport für sich und für uns alle umgesetzt hat“, erinnerte sich vor ein paar Jahren der 2019 verstorbene Niki Lauda, „man hätte eine Rennstrecke nie gebaut, wenn kein Rennfahrer als Magnet da gewesen wäre.“

Jochen Rindt wäre 80

Formel-1-Legende Jochen Rindt wäre am Ostermontag 80 Jahre alt geworden. Der Weltmeister von 1970 kam beim Training in Monza ums Leben. In einer Dokumentation erinnern sich Wegbegleiter an den Ausnahmesportler.

Rindt als „Beginn einer Tradition“

Im Sog der Euphorie um Rindt schwang sich nicht nur Lauda zum dreifachen Weltmeister und Superstar auf. Österreichische Piloten – wie etwa Gerhard Berger, der jahrelang vorne mitfuhr – gehörten zum gewohnten Bild in der Königsklasse des Motorsports. „Jochen Rindt bedeutet für uns Österreicher den Beginn einer Formel-1-Tradition. Er hat es ins Leben gerufen“, so der ehemalige Pilot und aktuelle ORF-Experte Alexander Wurz. Auch Berger schlägt in dieselbe Kerbe: „Wenn wir heute über den traditionellen Motorsport sprechen, dann beginnt jede Story mit Jochen Rindt.“

Jochen Rindt in 1970
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Auch 52 Jahre nach seinem Tod ist der Mythos Jochen Rindt ungebrochen

Auch wenn seit Christian Kliens letzten Runden in der Saison 2010 kein österreichischer Fahrer mehr in der Formel 1 ein Rennen bestritten hat, ist der rot-weiß-rote Einfluss nach wie vor groß. Der ehemalige Rindt-Fan Dietrich Mateschitz, der 1970 beim ersten Rennen auf dem Österreich-Ring als Zuschauer mit dabei war, hat mit Red Bull Racing und Alpha Tauri aktuell zwei Teams am Start und stellt mit dem Niederländer Max Verstappen den Weltmeister. Bei den Konstrukteurchampions von Mercedes hat mit Toto Wolff ebenfalls ein Österreicher das Sagen. „Ohne ihn wären wir nie so weit gekommen, wo wir jetzt sind“, sagt daher auch Rindts Schulfreund und heutiger Red-Bull-Berater Helmut Marko.

Ein charismatischer Europäer

Dass der Name Jochen Rindt auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod nicht nur Motorsportfans ein Begriff ist, liegt in seinem filmreifen Leben begründet. Als Sohn eines deutschen Unternehmers und einer Österreicherin wuchs der am 18. April 1942 in Mainz geborene Rindt bei seinen Großeltern in Graz auf, nachdem die Eltern 1944 bei einem Bombenangriff auf Hamburg ums Leben gekommen waren. Rindt blieb zwar auf Anraten des Großvaters zeit seines Lebens deutscher Staatsbürger, fuhr aber mit österreichischer Lizenz. „Ich fühle mich als Europäer“, war daher auch seine Antwort auf die Frage nach seiner Nationalität.

Seinen Entschluss, Rennfahrer zu werden, traf er 1961 bei einer Reise zum Nürburgring mit seinem Jugendfreund Marko. Er ging nach England, um Anschluss an die internationale Szene zu finden. Rindt stieg schnell zum Star auf und gewann bereits 1965 den 24-Stunden-Klassiker in Le Mans. Eine Zigarette im Mundwinkel, sein markantes Gesicht und ein verschmitztes Lächeln wurden zum Markenzeichen, seine TV-Sendung „Motorama“ Kult. Er moderierte im Pelzmantel oder interviewte seine Formel-1-Kollegen. In Wien veranstaltete er 1965 erstmals die „Jochen-Rindt-Show“. Privat fand er sein Glück in Nina. Sie heirateten 1967, 1968 kam Tochter Natascha zur Welt.

In der Formel 1 fehlte ihm lange ein siegfähiges Auto. 1964 bestritt er sein erstes von 60 Rennen. Erst 1969 kam die große Chance: Lotus-Chef Colin Chapman wollte ihn als Clark-Ersatz. Der Brite galt als genialer, aber rücksichtsloser Konstrukteur. „Bei Lotus kann ich Weltmeister werden oder sterben“, sagte Rindt vor seiner Vertragsunterzeichnung. Die Beziehung war von Beginn weg schwierig. „Ich habe zu Lotus noch nie ein Vertrauen gehabt“, schimpfte Rindt, nachdem in Barcelona ein Flügel an seinem Wagen gebrochen und er verunfallt war. Aber im vorletzten Rennen der Saison in Watkins Glen feierte er doch noch den ersten Sieg.

Postum zum WM-Titel

Im Jahr darauf triumphierte Rindt in Monaco nach einer Aufholjagd durch die engen Straßen des Fürstentums. In Zandvoort startete er eine Siegesserie, doch der Feuertod seines Freundes Piers Courage überschattete das Rennen. Es folgten erste Plätze in Clermont-Ferrand, Brands Hatch und beim Formel-1-Debüt des Hockenheimrings. Bei seinem Heimrennen auf dem Österreichring schied er trotz Poleposition und der Unterstützung Hunderttausender Fans zwar aus, dennoch lag er mit 45 Punkten auf Kurs zum Titel.

Der österreichische Formel 1 Piot Jochen Rindt überquert als erster die Ziellinie beim Gran Prix von Holland am 21. Juni 1970.
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In seinem Schicksalsjahr 1970 gewann Rindt fünf von 13 Rennen, unter anderem den GP der Niederlande

Am 5. September 1970 wurde Rindt in Monza im Training eine gebrochene Bremswelle beim Anbremsen zur Parabolica zum Verhängnis. Die Erschütterung inner- und außerhalb der Motorsportwelt über Rindts Tod war groß, vergleichbar nur mit den Unfalltragödien des Briten Jim Clark 1968 in einem Formel-2-Rennen auf dem Hockenheimring und des Brasilianers Ayrton Senna 1994 in Imola. 30.000 Menschen gaben Rindt in Graz sechs Tage nach dessen Tod das letzte Geleit. Rennfahrerkollege Joakim Bonnier sagte in seiner Trauerrede: „Und egal, was in den nächsten Wochen noch passiert: Für uns ist Jochen der Weltmeister.“

Bonniers Prophezeiung wurde wenig später auch wahr. Bis zum vorletzten Rennen hatte Ferrari-Pilot Jacky Ickx zwar die Chance, seinen toten Rivalen noch abzufangen. Ein Defekt und Platz vier in Watkins Glen verhinderten das jedoch. Der Belgier war erleichtert, wie er Jahre später gestand: „Das Schönste war zu erleben, wie der Weltmeistertitel dann doch noch an Jochen ging.“ Für Österreichs Motorsportfans wäre Rindt auch so oder so ewig der wahre Champion geblieben.