Mit Toni Fritsch, Toni Linhart und Ray Wersching mischten drei heimische Sportler in den 1970er und 1980er Jahren als Kicker in der NFL kräftig mit, in der Saison 1987/88 war Wersching als bisher letzter Österreicher in einem Pflichtspiel im Einsatz. Mit Sandro Platzgummer (New York Giants) und Bernhard Seikovits (Arizona Cardinals) stehen zwar aktuell schon zwei österreichische Athleten bei NFL-Teams im Trainingskader, doch ihre Chance zu spielen sind ungleich mit jenen von Raimann, der sich als College-Spieler in den USA etabliert hat.
„Er erfüllt eine Vision, die ich vor zehn, 15 Jahren genannt habe, nämlich dass wir einen Österreicher in der NFL haben werden“, sagte auch Michael Eschlböck, der Präsident des heimischen Football-Verbandes AFBÖ. Dessen Pendant bei Raimanns Heimatverein Dacia Vienna Vikings, Karl Wurm, merkte gegenüber ORF.at an: „Bernhard ist kein reiner Glücksfall, da steht auch ein System und Ernsthaftigkeit dahinter. In erster Linie ist es ein Verdienst des Spielers, aber er hat auch alle Möglichkeiten genützt, die ihm geboten wurden.“
Raimann hat tatsächlich alle Möglichkeiten genützt. Erst mit 13 Jahren kam ihm Football überhaupt erstmals unter, vor dem ersten Training bei den Vikings wollte der zurückhaltende Steinbrunner zunächst noch umdrehen. Das prägende Austauschschuljahr in den USA ging er dafür umso offensiver an, um letztlich auch das maßgebliche Stipendium auf der Central Michigan University (CMU) zu erhalten und sich in den folgenden vier Jahren für die NFL entscheidend in Stellung zu bringen.
„Es kommt auf die Willenskraft an“
Davor absolvierte er noch das Wiener Ballsportgymnasium 2017 als Jahrgangsbester. Raimann startete seine Karriere zunächst als Wide Receiver, wurde zum Tight End und schulte erst vor zwei Jahren – zu Beginn der CoV-Pandemie – auf Offensive Tackle um. Diese spezielle Geschichte gefällt freilich auch den Experten in Übersee, die ihn bei ihren Draft-Prognosen vorwiegend innerhalb der ersten drei Runden sehen. Raimann sagte erst vergangene Woche bei einem Medientermin zu diesem unwirklichen Weg: „Es kommt auf die Willenskraft an.“
Raimann, der sich in größter Bescheidenheit übt, weiß, wo er herkommt. „In Österreich zu spielen hat mir sehr weitergeholfen, als Spieler, größtenteils aber als Athlet. Ich weiß jetzt, dass die Vikings ein super Programm laufen haben, auch die anderen wie die Danube Dragons oder die Swarco Raiders. Das Fundament hat mir immens weitergeholfen, um auch Positionen wechseln zu können.“
Möglichkeiten mit aller „Ernsthaftigkeit“ genützt
In den vergangenen Jahren kamen Österreicher wie die nicht minder entschlossenen Platzgummer und Seikovits NFL-Einsätzen nahe, aber so nah wie Raimann kam noch keiner zuvor. Er gilt als Fixstarter zur kommenden Saison. Das hat mitunter banale und nicht beeinflussbare Gründe, wie etwa Körpermaße, aber eben auch andere. „Seine Ernsthaftigkeit“, benannte es Vikings-Präsident Wurm kurz und knapp.
Raimann könnte sich in NFL etablieren
American-Football-Export Bernhard Raimann steht kurz davor, rot-weiß-rote Sportgeschichte zu schreiben. Beim am Donnerstag beginnenden NFL-Draft hat der Burgenländer hervorragende Chancen, als erster Österreicher ausgewählt zu werden.
„Du erkennst rasch einen Kirchturmkaiser, einen hoch talentierten Spieler, der nicht bereit ist, entsprechend weiterzuarbeiten, um nicht nur das Rennen um den Kirchturm zu gewinnen, sondern auch darüber hinaus etwas zu erreichen. Und es gibt welche, die sagen, es liegt an mir“, so Wurm, der sich an einen unauffälligen Nachwuchsspieler erinnert, der „aber funktioniert hat, wenn du ihn gebraucht hast“.
Wurm hebt die Möglichkeiten bei den Vikings hervor, etwa die 365 Tage geöffnete Kraftkammer und die Kooperation mit dem Wiener Ballsportgymnasium, das auch NBA-Pionier Jakob Pöltl besucht hatte.
Weitere Österreicher drängen in NFL
Raimann kippte in die Sportart Football, blieb aber stets realistisch. „Ich kann mich noch erinnern, als wir vor seinem Austauschjahr zusammengesessen sind. Er ging nicht rüber, um NFL-Profi zu werden. Das wäre nicht er gewesen. Er sagte, er schaut, was er dort erreichen kann“, so Wurm, dessen Team mit der erstmaligen Teilnahme an der European League of Football (ELF) auch vor einer Zeitenwende steht.
Leonel Misangumukini, der sich wie Platzgummer und Seikovits den Weg in die NFL über das International Pathway Program zu bahnen versucht, sagt über seinen früheren Mitspieler: „Ihn zeichnet die Arbeitsethik aus, die Liebe zum Detail, was nach dem Positionswechsel entscheidend war. Er ist drangeblieben und hat diese mentale Stärke, das ist wichtig. Bei den Vikings sind die Erwartungen hoch, es gibt einen gesunden Druck.“
Sollte auch Misangumukini nach dem Draft ein Platz in einem Team zugeteilt werden, könnten in der Saison 2022 gleich vier Österreicher unter Vertrag stehen. „Es entwickelt sich immer mehr in die richtige Richtung, dass Österreicher über verschiedene Wege in die NFL kommen“, freut sich auch Raimann. Den erfolgreichen Tiroler Football-Weg vertritt nicht nur Platzgummer, Christoph Henle etwa hat auch vier Jahre bei den Baylor Bears auf höchster College-Stufe hinter sich.
Heimischer Zuwachs in US-Major-Leagues
Vorerst steht Raimann im Rampenlicht, das freut auch dessen Landsmann Pöltl. „Ähnlich wie bei mir wird es bei ihm hoffentlich ein bisschen eine Welle auslösen und vielleicht den einen oder anderen Österreicher zum Football-Fan machen, der davor vielleicht nicht so viel mit dem Sport zu tun hatte.“ Auch Pöltl hofft auf Zuwachs, der Vorarlberger Luka Brajokvic hat auf dem College aufgezeigt und sich für den Draft in der National Basketball Association (NBA) angemeldet.
Im Eishockey ist Österreich in der National Hockey League (NHL) seit 2001 vertreten und sollte es durch Marco Rossi auch zukünftig sein. Nur im Baseball zeichnet sich noch kein Nachfolger ab, der in die Fußstapfen von Kurt Krieger (1949 bis 1951, St. Louis Cardinals, Anm.) als zweiten Legionär in der Major League Baseball (MLB) treten könnte. Das Beispiel Raimann macht aber auch hier Hoffnung.