Veronika Aigner, Elisabeth Aigner, Barbara Aigner und Johannes Aigner
GEPA/Patrick Steiner
Behindertensport

Das Erfolgsrezept der Familie Aigner

Die Familie Aigner hat bei den Paralympischen Spielen im März in China in den alpinen Skibewerben mit ihrem Siegesrausch für Aufsehen gesorgt. Ende April haben die Zwillinge Barbara und Johannes ihren erst 17. Geburtstag gefeiert. Erfolgreicher sind sie aber schon als alle Routiniers. Johannes gewann fünfmal Edelmetall, seine Schwestern Barbara und Veronika eroberten jeweils zwei Medaillen.

Auf die Frage, was das Erfolgsrezept der sehbeeinträchtigten Geschwister sei, sagte Johannes im Interview mit ORF.at: „Ich glaube, die Mischung macht es, denn wir haben die Behinderung schon seit Geburt, sind aber trotzdem von klein auf Ski gefahren.“

Der 17-Jährige, der mit seiner Familie auf einem Bauernhof am Eichberg in der Nähe von Gloggnitz wohnt, fügte hinzu: „Wir waren schon früh auf Leistungsschulen fürs Skifahren. Wir sind alle mit unserer Sehbeeinträchtigung aufgewachsen, und dann lernt man auch, damit umzugehen. Das gibt es im Parasport nicht so oft.“ Einen großen Anteil am Erfolg haben auch die Eltern Petra und Christian.

„Mama und Papa haben uns nie irgendetwas verboten"

„Mama und Papa haben uns nie irgendetwas verboten“, erklärt Veronika. „Wenn ein Kind eine Beeinträchtigung hat, sagen die Eltern oft: ‚Ne, mach das nicht, das kannst du nicht.‘ Das gab es bei uns nie, sondern sie haben es uns immer alles probieren lassen. Es gibt viele Kinder mit Beeinträchtigung, aber nur ein winziger Teil davon übt auch einen Sport aus. Denn viele Kinder werden in Watte gepackt, damit nichts passiert, aber im Endeffekt sind es genauso Menschen und sie können gute Sachen leisten.“

Jubel von Klara Sykora, Barbara Aigner, Veronika Aigner und Elisabeth Aigner (AUT)
GEPA/Patrick Steiner
Klara Sykora und die Geschwister Barbara, Veronika und Elisabeth (v. l. n. r.) gewannen bei den Paralympics vier Medaillen

Aigner-Geschwister trumpfen bei den Paralympics auf

Dass die Aigner-Geschwister sogar außergewöhnliche Sachen leisten können, bewiesen sie bei den Paralympischen Spielen. Johannes, genannt „Hansi“, eroberte in China in allen Alpin-Entscheidungen Edelmetall und schrieb damit österreichische Paralympics-Geschichte. Der 17-Jährige gewann gemeinsam mit seinem Guide Matteo Fleischmann (20) Gold in der Abfahrt und im Riesentorlauf, Silber in der alpinen Kombination und im Slalom sowie Bronze im Super-G. Damit ist er der erste österreichische Athlet, der fünf paralympische Alpin-Medaillen bei denselben Spielen gewann.

Seine ältere Schwester Veronika krönte sich zweimal zur Paralympics-Siegerin. Die 19-Jährige fuhr mit ihrer Schwester Elisabeth (23) als Guide zur Goldmedaille im Slalom und im Riesentorlauf. Im Slalom feierte die Familie Aigner sogar einen Doppelsieg, denn Barbara, die Zwillingsschwester von Johannes, gewann mit ihrem Guide Klara Sykora (21) Silber, und im Riesentorlauf eroberten die beiden Bronze.

Johannes Aigner
GEPA/Patrick Steiner
Johannes Aigner und sein Guide Matteo Fleischmann sind ein äußerst erfolgreiches Duo

Die Geschwister können mit ihren Guides mit Hilfe von Bluetooth-Kopfhörern kommunizieren. „In den Speed-Disziplinen kann Matteo (sein Guide, Anm.) schwer abschätzen, wie weit ich entfernt bin, da muss ich ihm dann Feedback geben. Im Slalom hört er an den Stangen, wann ich meinen Schwung mache. Im Riesentorlauf geht es auch noch einigermaßen mit dem Hören", erklärte Johannes.

Gutes Verständnis auch abseits der Piste

Generell funktioniert die Zusammenarbeit zwischen ihm und Matteo gut, die beiden sind zudem gut befreundet und verbringen auch gemeinsame Zeit neben der Piste. Zwischen Barbara und ihrem Guide Klara klappt die Kooperation ebenfalls sehr gut: „Wir hatten noch nie Probleme“, so die 17-Jährige.

Auch die familiäre Konstellation zwischen Veronika und Guide Elisabeth verläuft sehr erfolgreich: „Lisi (Elisabeth, Anm.) und ich haben noch nie richtig gestritten, wir sind da voll verbunden. Klar nervt man sich hier und da mal, aber das sind dann nur kleine Sachen, und wir brauchen dann ab und zu kurz Abstand. Wir merken es dann eh gleich, wenn die andere Person mal nicht gut gelaunt ist, aber so richtig gestritten haben wir echt noch nie.“

„Mama ist sogar aufgeregter als wir“

Bei der Frage, ob Mama oder Papa bei den Skirennen nervöser ist, waren sich die Geschwister sofort einig: „Mama. Sie ist sogar aufgeregter als wir.“ Veronika führte aus: „Als der Hansi (bei den Paralympics, Anm.) gefahren ist, waren wir auch beim Zuschauen. Dann hat sie bei jeder Zwischenzeit gefragt, wie weit er vorne ist, und war die ganze Zeit voll nervös. Das habe ich mir schon gar nicht mehr anhören können und musste weggehen. Vielleicht lässt es sich der Papa nicht so anmerken, dass er aufgeregt ist. Ich glaube schon auch, dass er immer nervös ist, aber die Mama definitiv um einiges mehr.“

Petra und Christian Aigner
GEPA/Patrick Steiner
Die Eltern Petra und Christian Aigner fieberten bei den Paralympics in China mit ihren Kindern mit

Aigner-Geschwister sind auf dem Boden geblieben

Trotz der Erfolge ist Familie Aigner auf dem Boden geblieben. „Wir sind als gleiche Personen von den Paralympics gekommen, wie wir hingefahren sind“, meinte Veronika. Das Einzige, was sich verändert habe, sei, dass sie teilweise von Leuten angesprochen werden, die sie zuvor noch nie gesehen haben. Doch ansonsten sei auch nach den Triumphen in Peking alles gleich geblieben.

„Wenn ich mit meinen Leuten fort bin, möchte ich nicht unbedingt übers Skifahren reden. Das wäre so, wie wenn jemand arbeitet und dann nur noch über die Arbeit redet. Wir sind trotzdem gleich deppert und gehen unseren Hobbys nach und haben die gleichen Freunde. Wir sind durch die Erfolge keine anderen Menschen geworden.“

Kühe, Hühner und Computer

Veronika beschäftigt sich in ihrer Freizeit gerne mit Pferden, sie geht dann reiten und macht „Blödsinn“: „Generell interessiert mich komplett das Landwirtschaftliche. Ich absolviere in die Richtung auch verschiedene Ausbildungen wie Milchverwaltungskurse und Fleischverwaltungskurse. Ich will mir auch zwei Kühe kaufen, da muss ich nur schauen, wo der Platz ist.“

Barbara hat ihre Interessen ebenfalls in der Landwirtschaft: „Außerhalb der Piste züchte ich Hühner, das finde ich schon brutal spannend. Vor der Coronavirus-Pandemie haben wir mit zehn Hühnern angefangen, jetzt haben wir so um die 50 Hennen von verschiedenen Rassen daheim.“ Johannes hat hingegen seine Interessen neben der Piste im technischen Bereich und repariert beispielsweise gerne elektronische Geräte. „Ich habe mit Matteo auch mal einen PC gebaut“, erzählte der 17-Jährige.

Nächste Ziele bereits im Blick

Obwohl die Saison gerade erst vorbei ist, sind die Geschwister nach einer kurzen Pause bereits wieder ins Training mit den jährlichen Fitnesstests eingestiegen, und auch das Konditionstraining ging los. „Mitte Mai fangen wir dann auch wieder mit den Kursen an, da wird dann die Technik bisschen verfeinert und für die nächste Saison mitgenommen. Generell hat man nach der Saison zwar schon immer kurz Pause, aber dann muss man direkt schauen, dass man weiterarbeitet“, sagte Johannes.

Johannes Aigner und Matteo Fleischmann
GEPA/Patrick Steiner
Johannes (l.) und sein Guide Matteo verbringen auch außerhalb des Skifahrens viel Zeit miteinander

Denn die Geschwister haben schon ihre nächsten Ziele im Blick. Der Fokus ist allerdings noch nicht auf die nächsten Paralympics gelegt: „Wir schauen mehr von Saison zu Saison, weil in vier Jahren kann erstens noch viel passieren, und zweitens haben wir noch weitere große Events dazwischen. Wir halten uns immer an dem näherliegenden Großevent fest, und darauf wird dann die Priorität gelegt“, so Johannes.

Der nächste Höhepunkt für die Geschwister ist die WM in Aare in Schweden. „Bis zur WM will ich gescheit trainieren und meine Technik verbessern. Und bei der WM will ich wieder eine Medaille mit heim bringen“, sagte Barbara und fügte hinzu: „Generell schauen wir immer von Saison zu Saison. Also jetzt konzentriere ich mich noch nicht auf die nächsten Paralympics, sonst wird man ja verrückt.“

„Weil ich mich durchbeißen wollte“

Bevor Veronika sich auf die WM vorbereiten will, wird sie jedoch erst mit ihrer Reha weitermachen. Denn die 19-Jährige verletzte sich im Februar 2021 im Abfahrtstraining in Saalbach schwer und zog sich an beiden Knien einen Kreuzband- und Meniskusriss zu. „Ich musste das Gehen wieder neu lernen, das war echt eine zache Zeit. Da hatte ich dann auch mal Tiefs. Ich habe mich dann in der Rehazeit öfter gefragt, warum ich mir das antue, für was ich das alles mache. Da ist es wichtig, die Motivation zu halten und Spaß zu haben.“

Noch hat sie keine volle Bewegung in ihren Knien, und auch Kraft müsse sie weiter aufbauen. „Dadurch, dass ich es an beiden Beinen hatte, kann es auch noch eine Zeit lang dauern“, so Veronika. Generell habe es viele Leute gewundert, dass sie in China schon wieder so gut Skifahren konnte, denn am Anfang hieß es sogar, dass sie gar nicht mit zu den Paralympics fliegen dürfe, da ihre Knie den Belastungen noch nicht standhalten würden.

Doch Veronika bestand den Fitnesstest und konnte in China überzeugen. „Beim Slalom haben mir die Knie schon wieder gut wehgetan. Dann habe ich es aber keinem gesagt, weil ich mich durchbeißen und es auch riskieren wollte.“