Oliver Glasner
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Interview

Glasner versetzt Frankfurt in Ekstase

Als sechster österreichischer Trainer steht Oliver Glasner am Mittwoch (21.00 Uhr) in einem Europacup-Finale. Die erste Saison bei Eintracht Frankfurt könnte im Endspiel der UEFA Europa League in Sevilla gegen die Glasgow Rangers mit seinem bisherigen Karrierehöhepunkt enden. „Die Chancen stehen 50:50“, sagte der 47-Jährige im Gespräch mit ORF.at. Klar ist hingegen jetzt schon: Glasner hat Frankfurt in Ekstase versetzt.

Dabei begann es wie zumeist unter den Fittichen des Innviertlers: Nach einem mühsamen Start entwickelte sich seine Spielidee über die Zeit zu einer Erfolgsformel. So wurde Glasner in Österreich mit dem LASK Vizemeister, qualifizierte sich mit dem VfL Wolfsburg für die UEFA Champions League und führte die Eintracht nun in ihr erstes Endspiel im Europacup seit 42 Jahren – 1980 gewann man den UEFA-Cup. „Es herrscht ein totaler Hype in der gesamten Stadt“, sagt Glasner, der zuvor mit seiner Mannschaft und 30.000 Frankfurter Fans im Rücken im Camp Nou beim großen FC Barcelona eine Sternstunde erlebte.

Für den ausgelösten Hype ist nicht zuletzt der akribische Arbeiter aus Oberösterreich zuständig. Der frühere Verteidiger pocht vor dem wichtigsten Spiel seiner Karriere aber auch betont auf Lockerheit, die er seit einer vor elf Jahren überstandenen Notoperation in Folge eines Blutgerinnsels selbst vorlebt. Im ORF.at-Interview spricht der dreifache Vater, dessen Familie im Estadio Ramon Sanchez Pizjuan vollzählig anwesend sein wird, über seine erste Saison in Frankfurt und nimmt auch zur Teamchefbestellung von Ralf Rangnick Stellung.

ORF.at: Ihr Tormann Kevin Trapp hatte nach dem Finaleinzug gemeint, Sie hätten schon zu Beginn der Hinrunde den 18. Mai erwähnt gehabt. War das Endspiel immer ein konkretes Ziel?

Oliver Glasner: Zu Saisonbeginn noch nicht, nach der Gruppenphase habe ich aber schon gesagt: Wir bestreiten die K.-o.-Duelle, um in die nächste Runde zu kommen, egal gegen welchen Gegner. Denn ich habe im Herbst auch gesehen, was möglich ist, wenn wir unsere Stärken auf den Platz bringen. Beispielsweise wenn man das Spiel in München (2:1-Sieg bei Bayern, Anm.) hernimmt. Wir haben Betis, Barcelona und West Ham eliminiert, das ist schon außergewöhnlich.

ORF.at: Außergewöhnlich ist seit Wochen auch die Atmosphäre rund um die Eintracht. Trifft es der Begriff „Ausnahmezustand“?

Glasner: Ja, absolut. Es herrscht ein totaler Hype in der gesamten Stadt. Jeder drückt uns die Daumen, mittlerweile habe ich das Gefühl, dass dem auch in ganz Deutschland so ist. Nach dem Sieg in Barcelona haben uns selbst die gegnerischen Fans gratuliert, alle haben uns nur das Beste gewünscht. Europa ist hier derzeit allgegenwärtig.

Martin Hinteregger (Eintracht) und Oliver Glasner (Eintracht)
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An Frankurts Höhenflug haben mit Martin Hinteregger und Oliver Glasner zwei Österreicher großen Anteil

ORF.at: Wie wohl fühlen Sie sich in Ihrem ersten Jahr in Frankfurt?

Glasner: Frankfurt war und ist eine riesige Challenge. Im Sommer hat ein großer Umbruch auf allen Ebenen stattgefunden, ein neuer Sportvorstand ist gekommen, ein neues Trainerteam, viele neue Spieler waren in der Kabine, das muss sich alles erst einmal finden. Wir haben eine gemeinsame Idee von Fußball entwickeln müssen, auch den Umgang miteinander. Großes Kompliment an die Spieler, die der Idee immer vertraut haben, auch als wir schlecht gestartet sind oder schlecht gespielt haben. Sie haben voll mitgezogen, und es fand eine unfassbare fußballerische Entwicklung statt, das macht mich stolz.

ORF.at: Als es zu Beginn noch nicht rund lief, wurden schnell auch kritische Stimmen laut, obwohl Sie zuvor beim LASK und in Wolfsburg erfolgreich gearbeitet haben. Hat Sie das gewundert?

Glasner: Das ist leider das Business. Das beste Beispiel ist Claudio Ranieri, der mit Leicester City englischer Meister und als Welttrainer ausgezeichnet wurde und in der Saison darauf gehen musste. Ich habe das medial mitbekommen, aber man hat ein Gespür dafür, wie es intern aussieht, und da habe ich nie große Unruhe vernommen, habe immer vollste Unterstützung gehabt. Auch von den Spielern her, das ist das Wichtigste. Ich schaue bei einem Club natürlich auch, wer als sportlicher Leiter agiert und ob unsere Idee übereinstimmt. Nur so können wir etwas Gemeinsames entwickeln.

ORF.at: Frankfurt ist ein Club, der im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Alleine 30.000 Zuschauer waren im Camp Nou, nach Sevilla reisen wieder Zigtausende mit. Macht es das so speziell?

Glasner: Im Endeffekt ist es das, warum man es macht. Auf der einen Seite zählt für mich, was wir sportlich bewegen und wie wir als Mannschaft wachsen können. Auf der anderen Seite ist es das Schönste, wenn man die Fans glücklich machen kann. Ich habe beim LASK genossen, wie mir Menschen nach dem Aufstieg gedankt und eine Freude wie kleine Kinder zu Weihnachten haben. Hier ist es auch so. Egal ob jung oder alt, ob männlich oder weiblich. Das reißt mit.

ORF.at: Einen Monat danach: Was ist Ihre prägnanteste Erinnerung, wenn Sie an die Sternstunde im Camp Nou denken?

Glasner: Eigentlich das Tor zum 3:0. Da habe ich mir gedacht: Jetzt führen wir im Camp Nou mit 3:0, kann es das geben? Es waren aber insgesamt so viele Eindrücke, die man sich gar nicht alle merken kann. Es gibt von der Medienabteilung ein Gruppenfoto, wo wirklich alle drauf sind, Spieler, Betreuer, Staff und dahinter die Frankfurter Fans ganz in Weiß. Das habe ich auch der Mannschaft schon öfters gezeigt, weil wir eben gemeinsam als Gruppe Außergewöhnliches zu leisten imstande sind. Das Bild bleibt im Kopf. Schön war natürlich auch zu hören, wenn Spieler wie Sergio Busquets (Barcelona-Kapitän, Anm.) sagen, es ist schwierig, gegen uns zu spielen.

Spieler von Eintracht Frankfurt jubeln
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Sternstunde im Camp Nou: Frankfurt eliminierte den FC Barcelona und feierte mit 30.000 Fans im Stadion

ORF.at: Auch die Hürde West Ham wurde genommen. Wie sehen Sie nun die Chancenverteilung gegen die Glasgow Rangers?

Glasner: 50:50. Die Rangers stehen völlig verdient im Finale, sie haben Dortmund und Leipzig zu Recht ausgeschaltet, und die beiden stehen deutlich vor uns in der Bundesliga. Sie haben eine klare Struktur, leben von ihrer Leidenschaft und Bereitschaft, ähnlich wie wir. Daher sehe ich keinen Favoriten. Wir schauen aber immer zuerst auf uns, wir passen natürlich Nuancen an den Gegner an, aber unsere Stärken haben uns ins Finale gebracht. Wir haben bisher kein Spiel in der Europa League verloren und müssen nichts über den Haufen werfen.

ORF.at: Sie sind nach Max Merkel, Ernst Happel, Hermann Stessl, Ernst Dokupil bzw. dem eingebürgerten Bela Guttmann der sechste heimische Coach in einem EC-Finale und könnten als erster seit Happel den Titel holen. Was würde Ihnen das bedeuten?

Glasner: Ich habe das natürlich mitbekommen. Das freut mich auf der einen Seite, dass ich der sechste österreichische Trainer in einem Europacup-Finale bin, aber ich bin auch keiner, der das in den Lebenslauf schreibt und damit herumläuft. Das bin ich nicht, das brauche ich nicht, und das verändert mein Leben in keinster Weise.

ORF.at: Mit Michael Angerschmid und Ronald Brunmayr sind zwei langjährige Wegbegleiter und Landsleute in Ihrem Trainerteam. Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit beschreiben?

Glasner: Es ist ein Wunschszenario, dass man mit zwei seiner besten Freunde zusammenarbeiten kann. Wir kennen uns lange, sie kennen meine Macken, denn ich bin auch nicht immer einfach, sehr fordernd. Sie wissen auch, wenn ich lauter werde, wie sie das einordnen müssen. Wir haben aber totales Vertrauen zueinander, totale Loyalität – das ist wichtig. Wir haben überhaupt an die 40 Leute im Betreuerteam, denn alles ist sehr aufwendig, und da ist auch wirklich Jeder wichtig.

ORF.at: In jedem Europacup-Finale ist zumindest ein Österreicher involviert. Unterstreicht das die positive Entwicklung des heimischen Fußballs?

Glasner: Für David (Alaba, Anm.) ist es fast schon normal (lächelt). Dass mit Gernot (Trauner, Anm.) und mir zwei ehemalige LASK- und Ried-Protagonisten in einem Finale stehen, ist schon eher unerwartet. Aber ich denke, dass man mittlerweile sieht, wie viele Legionäre wir haben. Viele in Deutschland, weitere in Italien, in Spanien, und viele sind Leistungsträger. Österreichische Trainer wie Ralph Hasenhüttl, Adi Hütter und auch Peter Stöger waren und sind im Ausland erfolgreich. Wir brauchen uns nicht kleiner machen, als wir sind, aber es ist auch nicht selbstverständlich, in allen drei Finalen vertreten zu sein.

ORF.at: Angesichts dieser Entwicklung: Hat Sie es eigentlich noch überrascht, dass Ralf Rangnick ÖFB-Teamchef wurde?

Glasner: Es hat mich schon ein wenig überrascht, weil er jemand ist, der gern jeden Tag auf dem Platz steht oder Einfluss auf eine Mannschaft hat. Als Teamchef siehst du nur alle paar Monate deine Spieler, von dem her dachte ich, dass ihn die Arbeit in einem Club noch mehr reizt. Aber er hat sich das, wie ich ihn kenne, sicherlich sehr gut überlegt und wird seine Leidenschaft dafür einsetzen.

ORF.at: Sie kennen Ihn aus gemeinsamen Salzburger Zeiten, als er Ihr Vorgesetzter war. Begrüßen Sie die Entscheidung?

Glasner: Ralf Rangnick ist ein Toptrainer mit großem Namen und viel Erfahrung, aber ich denke beispielsweise auch, dass Peter Stöger seine Qualitäten gehabt und dem Team gutgetan hätte. So wird es aber auch bei Ralf sein. Wichtig wird sein, dass die Spieler bei ihren Clubs spielen und gesund bleiben. Von dem bist du als Trainer abhängig, wenn dem so ist, wir das sicherlich erfolgreich sein. Ich finde auch, dass Franco Foda am Ende viel zu schlecht weggekommen ist für das, was er geleistet hat. Da sieht man wieder, wie schnell es geht. Bei der EM hatten wir das beste Ergebnis bisher, danach gab es auch viele Ausfälle. Die Bewertung findet oftmals zu oberflächlich statt.

ORF.at: Sind Sie bei der Teamchefsuche kontaktiert worden?

Glasner: Ich bin angerufen worden, es haben aber keine tiefer gehenden Gespräche stattgefunden, weil ich von Haus aus gesagt habe, dass das für mich jetzt kein Thema ist.

ORF.at: Ihre Trainerkarriere geht steil nach oben, ein Europacup-Triumph könnte Türe öffnen. Wohin soll Ihr Weg Sie noch führen?

Glasner: Es ist unsere Intention, hier in Frankfurt gemeinsam etwas aufzubauen, was wir letztes Jahr begonnen haben. Und ich habe aufgehört, mir über die Zukunft Gedanken zu machen. Carpe diem, lebe im Hier und Jetzt. Ich sauge die aktuelle Energie auf, das macht mir Spaß und ist ein super Lebensgefühl. Was kommt, kommt.