David Kickert (AUT) und Teamkollegen
GEPA/Daniel Goetzhaber
Eishockey-WM

Tschechien prüft Österreichs Reserven

Österreich hat bei der Eishockey-WM in Finnland seinen ersten Ruhetag nach dem Punktegewinn gegen die USA in einem emotionalen Hoch genießen können. Am Dienstag (15.20 Uhr, live in ORF Sport +) wartet in der Nokia Arena von Tampere mit Tschechien aber schon das nächste Team mit dem Prädikat „Weltklasse“. Teamchef Roger Bader steigt nach den bisherigen Vorstellungen auf die Bremse, denn aufgrund der physischen Intensität des Turniers musste Österreich bereits seine Reserven ausschöpfen – und die werden gleich einem Härtetest unterzogen.

Lukas Haudum fasste die Stimmungslage im österreichischen Team nach den bisherigen Spielen mit einem Satz treffend zusammen: „Das finde ich verdammt geil, es macht Spaß“, sagte der KAC-Stürmer mit langjähriger Schweden-Erfahrung nach der Überraschung gegen die USA. Ein klein wenig schwang bei den Österreichern auch der Ärger über die verpasste Chance mit. „Es waren sehr viele Sachen, die man positiv mitnehmen muss. Aber am Ende sind wir Sportler und wollen gewinnen, daher ist es bitter“, sagte Kapitän Thomas Raffl.

Dass seine Spieler auf die Niederlage trotz des nicht eingeplanten Zählers zunächst enttäuscht vom Eis schlichen, freute Teamchef Bader am spielfreien Tag aber genauso wie die Leistung seiner Truppe im Spiel. „Wir sind Spitzensportler, und wenn man da ein Spiel in der Overtime verliert, dann ist man erst einmal enttäuscht. Aber das verfliegt nach ein paar Minuten, weil man dann realisiert, dass man eine super Leistung geboten hat. Aber das spricht für die Professionalität der Mannschaft“, sagte der Schweizer.

Österreich hat Lust auf mehr

Österreichs Eishockeynationalteam hat nach dem starken Auftritt gegen die USA nun Lust auf mehr. Im Duell mit Tschechien wird Teamchef Roger Bader Umstellungen vornehmen.

Ausfall als hoher Preis

Der unerwartete Punkt bei der knappen 2:3-Niederlage gegen die USA am Sonntag, bei der nur die Stange einer Sensation im Weg war, forderte von der österreichischen Mannschaft einen hohen Tribut. Für Benjamin Baumgartner, eine wichtige Säule im Team, ist die WM vorbei. Der 22-Jährige erlitt bei einem Check von US-Kapitän Seth Jones eine laut offizieller Diktion „Unterkörperverletzung“ – es dürfte den linken Knöchel oder das linke Knie erwischt haben – und musste die Heimreise antreten. Zum Glück hatte Bader mit Simeon Schwinger einen „Joker“ im Talon, der nun gegen die Tschechen als 14. Spieler im Kader sein WM-Debüt feiern wird.

Viel mehr darf aber wohl nicht passieren, wollen die Österreicher im wahrscheinlich entscheidenden Duell um den Klassenerhalt gegen Großbritannien noch in voller Stärke agieren. „Der Ausfall ist schade, denn man benötigt schon das ganze Personal für diese sieben Spiele“, sagte Bader, der bisher auch den angeschlagenen Verteidiger Clemens Unterweger nicht einsetzen konnte, und verwies auf das dichte Programm mit sieben Spielen in zehn Tagen. Trotzdem wird der Schweizer auch gegen Tschechien wieder vier volle Blöcke einsetzen und keine Kräfte schonen: „Wir müssen die Energie gut auf alle Spieler verteilen.“

Seth Jones (USA) und Benjamin Baumgartner (AUT) im Zweikampf
GEPA/Daniel Goetzhaber
Diesem harten Check von Jones (l.) hielt das linke Bein von Baumgartner nicht stand

Wie fatal sich ein ausgedünnter Kader speziell gegen die Tschechen auswirkt, musste Bader vor drei Jahren in Bratislava mit ansehen. Damals hatte der Schweizer gegen den sechsfachen Weltmeister nur 17 halbwegs gesunde Spieler und damit nur drei komplette Linien zur Verfügung. Das Resultat war eine 0:8-Pleite, an der die Spieler schwer zu kiefeln hatten. Doch an solche Horrorszenarien verschwendet der Teamchef vor dem dritten Spiel in Tampere keine Gedanken: „Ich konzentriere mich nur auf das Hier und Jetzt. Ich versuche das auch der Mannschaft vorzuleben.“

Viertes Duell in eineinhalb Monaten

Das Jetzt ist ein Duell mit einem guten Bekannten – nicht nur aufgrund der gemeinsamen Grenze zwischen Österreich und Tschechien. Die Auswahlen beider Nationen stehen einander in Tampere zum vierten Mal in den vergangenen eineinhalb Monaten gegenüber. Gleich dreimal durften die Österreicher gegen den sechsfachen Weltmeister in der Vorbereitung üben. Zwar gingen alle drei Partien mit 1:5 und zweimal 1:4 verloren, doch die Formkurve von Baders Team zeigte dabei von einem zum nächsten Spiel deutlich nach oben.

Erik Kirchschlaeger (AUT) und David Cienciala (CZE)
GEPA/Christian Moser
In den drei Spielen in der Vorbereitung hielten die Österreicher (in Rot) mit den Tschechen immer besser mit

„Es war immer mein Ziel, die Mannschaft auf ein so hohes Niveau zu bringen. Dass es so schnell ging, war schon erfreulich zu sehen“, sagte Bader und verwies auf die „Stellschrauben“, die von ihm und seinem Trainerteam in der Vorbereitung „richtig gedreht wurden. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in so kurzer Zeit dieses Niveau erreichen.“ Geht es nach dem 57-Jährigen, dann sollen sich auch die Tschechen nach dem Duell mit Österreich so fühlen, wie die Schweden und die USA: „Sie hätten es sicher lieber einfacher gegen uns gehabt.“

Tschechien: „Gut organisierte Weltklasse“

Eines schreibt Bader aber allen Beobachtern und Fans ins Stammbuch: Man solle von seiner Mannschaft gegen Tschechien kein Wunder erwarten. „Da müssen wir ein perfektes Spiel spielen, um in die Nähe von Punkten zu kommen“, so der Teamchef. Trotz des Debakels bei Olympia, wo man erstmals das Viertelfinale verpasste, und des Neuanfangs unter dem finnischen Trainer Kari Jalonen – der erste Ausländer hinter der tschechischen Bande – sei der Nachbar weit über seine Mannschaft zu stellen: „Wir erwarten eine gut organisierte, strukturierte Mannschaft mit Weltklassespielern in ihren Reihen.“

Sein Gegenüber Jalonen kennt Bader gut. Der 62-Jährige war nach erfolgreichen Stationen in der Heimat bei Kärpät Oulu und HIFK Helsinki, wo er drei bzw. einen Meistertitel gewann, von 2016 bis 2020 Cheftrainer beim SC Bern in Baders Heimat. Jalonen, der zwei Jahre lang auch finnischer Teamchef war, bescherte auch den fanatischen Berner Fans zwei Schweizer Meisterpartys. „Bern war immer gut organisiert, fast langweilig gut, weil sie nichts zugelassen haben. Mit Tschechien spielt er etwas offensiver“, gab der Teamchef Einblick in seine Gegneranalyse.

Noch kein Sieg seit der Unabhängigkeit

Wie sensationell alleine ein Ausgang wie jener der Partie gegen die USA gegen Tschechien wäre, kann auch ein Eishockeylaie an einer einfachen Statistik ablesen. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1993 gab es in 19 Duellen auf allen Ebenen ebenso viele Niederlagen. Nur vor drei Jahren in Linz musste sich eine österreichische Auswahl einer tschechischen in einem Testspiel erst nach Penaltyschießen mit 3:4 geschlagen geben.

Vom letzten österreichischen Sieg gegen ein Team, in dem Tschechen mitspielte, gibt es wohl keine Augenzeugen mehr: Bei der Europameisterschaft 1932 in Berlin gewann Österreich gegen die damalige Tschechoslowakei mit 3:0. Ein derartiges sportliches Wunder muss es im 20. Duell mit dem unabhängigen Nachbarn gar nicht sein. Schon ein Ergebnis wie vor drei Jahren in Linz wäre perfekt.

Gruppe B in Tampere

Tabelle:
1. Finnland 7 6 0* 1** 0 25:5 19
2. Schweden 7 5 1* 1** 0 27:10 18
3. Tschechien 7 4 0* 1** 2 19:13 13
4. USA 7 3 2* 0** 2 18:12 13
5. Lettland 7 2 1* 0** 4 14:20 8
6. Österreich 7 1 1* 2** 3 16:22 7
7. Norwegen 7 1 1* 0** 5 15:29 5
8. Großbritannien 7 0 0* 1** 6 10:33 1

* Sieg nach Verlängerung/Penaltyschießen (zwei Punkte)
** Niederlage nach Verlängerung/Penaltyschießen (ein Punkt)

Top Vier im Viertelfinale - Gruppenletzter steigt ab

Spielplan:
13.05. USA Lettland 4:1
Finnland Norwegen 5:0
14.05. Österreich Schweden 1:3
Tschechien Großbritannien 5:1
Finnland Lettland 2:1
15.05. Norwegen Großbritannien 4:3 n.P.
Österreich USA 2:3 n.V.
Schweden Tschechien 5:3
16.05. Lettland Norwegen 3:2
Finnland USA 4:1
17.05. Österreich Tschechien 2:1 n.P.
Schweden Großbritannien 6:0
18.05. Österreich Norwegen 3:5
Schweden Finnland 3:2 n.P.
19.05. USA Großbritannien 3:0
Tschechien Lettland 5:1
20.05. Finnland Großbritannien 6:0
Österreich Lettland 3:4 n.P.
21.05. USA Schweden 3:2 n.V.
Österreich Finnland 0:3
Tschechien Norwegen 4:1
22.05. Lettland Großbritannien 4:3
Schweden Norwegen 7:1
23.05. Tschechien USA 1:0
Österreich Großbritannien 5:3
24.05. Schweden Lettland 1:0
USA Norwegen 4:2
Finnland Tschechien 3:0