Thomas Raffl und Bernd Wolf
GEPA/Daniel Goetzhaber
Eishockey-WM

Wie Österreich die Batterien auflädt

Die Frage, ob Österreichs Eishockey auch im kommenden Jahr bei der A-Weltmeisterschaft vertreten sein wird, ist vorerst noch unbeantwortet. Trotz der Niederlage im ersten Schlüsselspiel am Mittwoch hat man den Klassenerhalt aber weiter in Griffweite. Der mentale Verschleiß des dichten Programms war beim 3:5 gegen Norwegen vor allem in der Anfangsphase deutlich zu sehen. Oberste Priorität vor den letzten drei Spielen hat daher das Aufladen der strapazierten Batterien.

An der Ausgangslage in Sachen Abstiegskampf hat die Niederlage gegen Norwegen nicht viel geändert. Mit drei Punkten nach vier Spielen gegen die Kaliber Schweden, USA, Tschechien und Norwegen liegt man weit über dem Soll. Die Frage wird aber trotzdem wohl erst im letzten Spiel gegen Großbritannien am Montag (19.20 Uhr) beantwortet. Davor gibt es noch die Auftritte gegen Lettland am Freitag (19.20 Uhr) und am Samstag gegen Gastgeber Finnland (15.20 Uhr, alle Spiele live in ORF Sport +).

Bis dahin gilt es, die „mentale Müdigkeit“, die Teamchef Roger Bader ortete und die auch für Beobachter offensichtlich war, aus den Köpfen zu bringen. Der Donnerstag stand daher noch mehr im Zeichen der Regeneration als der erste freie Tag am Montag. Um die mentale Müdigkeit aus den Köpfen zu bekommen, dürfen die Spieler am erst zweiten freien Tag in Tampere mit ihrer Zeit machen, was sie wollen. Termine zum Thema Eishockey gibt es keine, sprich kein Training und kein Meeting. Nur vereinzelte Gespräche und das gemeinsame Abendessen würden den Spielern in Erinnerung rufen, dass man noch im WM-Modus ist.

Österreich unterliegt Norwegen

Einen Tag nach der Sensation gegen Tschechien muss sich Österreich bei der WM in Finnland am Mittwoch Norwegen mit 3:5 (1:1 1:2 1:2) geschlagen geben.

„Es ist schon eine sehr intensive Zeit für alle, natürlich am meisten für die Spieler. Sogar eine Topnation mit viel Erfahrung würde das merken“, sagte der Teamchef. Auch im Play-off habe man zwar den Spielern schon im Vorfeld Tipps und Anregungen gegeben, um an den nur drei freien Tagen in Tampere die nötige Entspannung zu finden, aber sonst mische er sich da nicht ein, so der Teamchef: „Jeder macht es anders, manche gehen in die Stadt, andere liegen im Bett und schauen fern. Das sind alles erwachsene Menschen.“ Wichtig sei nur, dass alle für einen Tag „wirklich 100 Prozent weg sind vom Eishockey“.

Tampere Hauptplatz
ORF.at/Karl Huber
Ein Kaffee vor dem Stadttheater (r.) und der Vanha kirkko („Alte Kirche“) auf dem Hauptplatz bietet sich als Programm an

Entspannung in der Blase

Zur Entspannung gehört für Bader auch das Ausblenden diverser Medienberichte. „Ich habe für mich eine Blase organsiert und lese im Moment nicht sehr viel, weil ich mich in keine Richtung beeinflussen lassen will“, sagte der Schweizer. Eine Vorgehensweise, die er auch seinen Spielern vor der WM empfohlen hat. „Ich bin aber nicht so blauäugig zu glauben, dass die Spieler nichts auf Social Media lesen“, so der Teamchef, „aber man darf sich auch von positiven Berichten nicht beeinflussen lassen, sondern muss sich auf das nächste Spiel fokussieren.“

Bader hat in seinem straff organisierten Tagesablauf inklusive nächtlichen Videostudiums mit seinen Assistenten Markus Peintner, Reinhard Divis, Philipp Lukas und „Spezialmotivator“ Arno del Curto ebenfalls immer Stunden eingeplant, „um den Kopf freizubekommen“. Dem 57-Jährigen helfe es etwa, durch das von den Industrieanlagen an den Tammerkoski-Stromschnellen geprägte Zentrum von Tampere zu flanieren. Vor allem, wenn es wie am Mittwoch in strahlenden Sonnenschein getaucht ist. Doch auch in zwei Stunden Auszeit seien zumindest seine Gedanken nicht ganz frei, so Bader: „Als Teamchef ist man eigentlich nie weg, sondern 24 Stunden zu 100 Prozent dabei.“

Fabrik in Tampere
ORF.at/Karl Huber
Die alten Fabriken im Stadtzentrum zwischen den Seen Näsijärvi und Pyhäjärvi sind das Wahrzeichen der Industriestadt Tampere

Kleinigkeiten mit großer Auswirkung

Die Spieler sparten vor dem dringend notwendigen Ruhetag jedenfalls nicht mit Selbstkritik. „Natürlich war die Niederlage enttäuschend, aber wir werden die Partie schnell abhaken“, versprach der Torschütze zum zwischenzeitlichen 2:2, Lukas Haudum, den freien Tag ideal zu nutzen. Für den gebürtigen Oberösterreicher habe man sich „auch selbst ins Bein geschossen“. Mit „einfachen Fehlern und unnötigen Strafen“ wurde das berühmte „Momentum hergegeben“, so Haudum: „Es waren Kleinigkeiten, die uns runtergerissen haben.“

Mattias Norstebo (NOR) und Paul Huber (AUT)
GEPA/Daniel Goetzhaber
Gegen Norwegen waren die Österreicher (r. Paul Huber) in den entscheidenden Situationen einen Schritt zu spät

Kapitän Thomas Raffl, der nach einer Pause gegen Tschechien wieder dabei war, sah die 3:5-Niederlage ähnlich. „Es ist bitter. Wir haben uns das Spiel anders vorgestellt. Wir sind mit dem Powerplay-Tor eigentlich gut reingestartet, haben aber gleich im nächsten Powerplay durch einen kleinen Fehler den Ausgleich bekommen. Es war ein Spiel, wo für beide etwas drin war. Am Schluss haben wir Fehler gemacht, die bestraft wurden“, sagte der gebürtige Villacher.

Unbewusst zu kompliziert

Im Vergleich zu den ersten drei Spielen fand auch Teamchef Bader nach dem Spiel gegen Norwegen mehrere Haare in der Suppe. Im Gegensatz etwa zur Sensation gegen Tschechien habe man gegen Norwegen anfangs „zu kompliziert gespielt. Das hat zu Scheibenverlusten geführt, die uns in der Defensive Kraft gekostet haben.“ Seine Spieler hätten vor allem im ersten Abschnitt seine Philosophie vom „vertikalen Eishockey“, etwa gegen die USA und Tschechien, nicht ganz umgesetzt: „Es war das eine oder andere Dribbling oder blinde Pass zu viel“, sagte der Teamchef.

So manche unglückliche Aktion, wie der „blinde Pass“ im Powerplay, der im ersten Drittel zum schnellen Ausgleich der Norweger geführt hatte, würde „im Eifer“ passieren, so Bader: „Es kann instinktiv sein, dass man aufgrund der Topleistungen davor das Gefühl hat, man kann sich vielleicht ein Dribbling oder einen Querpass mehr gönnen. Ich glaube nicht, dass das bewusst war.“ Das Programm von vier Spielen in fünf Tagen und die daraus resultierende „mentale Müdigkeit“ hätten ihren Teil zu den Fehlern beigetragen.

Lob gab es aber für die Moral der Mannschaft, die gegen die Norweger auch beim Spielstand von 2:4 nicht die Flinte ins Korn warf, sondern sich sogar noch die Chance auf den Ausgleich erkämpfte. „Ich bin mit dem Schluss zufrieden, das dritte Drittel war stark“, sagte Bader und verwies trotz der Matchstrafe gegen Verteidiger Philipp Wimmer auf das deutliche Plus an Torschüssen von 13:6: „Da war ich auch sehr, sehr happy mit der Spielweise. Aber es hat nicht gereicht.“

Eishockey-WM 2022 in Finnland

Gruppe B in Tampere

Tabelle:
1. Finnland 7 6 0* 1** 0 25:5 19
2. Schweden 7 5 1* 1** 0 27:10 18
3. Tschechien 7 4 0* 1** 2 19:13 13
4. USA 7 3 2* 0** 2 18:12 13
5. Lettland 7 2 1* 0** 4 14:20 8
6. Österreich 7 1 1* 2** 3 16:22 7
7. Norwegen 7 1 1* 0** 5 15:29 5
8. Großbritannien 7 0 0* 1** 6 10:33 1

* Sieg nach Verlängerung/Penaltyschießen (zwei Punkte)
** Niederlage nach Verlängerung/Penaltyschießen (ein Punkt)

Top Vier im Viertelfinale - Gruppenletzter steigt ab

Spielplan:
13.05. USA Lettland 4:1
Finnland Norwegen 5:0
14.05. Österreich Schweden 1:3
Tschechien Großbritannien 5:1
Finnland Lettland 2:1
15.05. Norwegen Großbritannien 4:3 n.P.
Österreich USA 2:3 n.V.
Schweden Tschechien 5:3
16.05. Lettland Norwegen 3:2
Finnland USA 4:1
17.05. Österreich Tschechien 2:1 n.P.
Schweden Großbritannien 6:0
18.05. Österreich Norwegen 3:5
Schweden Finnland 3:2 n.P.
19.05. USA Großbritannien 3:0
Tschechien Lettland 5:1
20.05. Finnland Großbritannien 6:0
Österreich Lettland 3:4 n.P.
21.05. USA Schweden 3:2 n.V.
Österreich Finnland 0:3
Tschechien Norwegen 4:1
22.05. Lettland Großbritannien 4:3
Schweden Norwegen 7:1
23.05. Tschechien USA 1:0
Österreich Großbritannien 5:3
24.05. Schweden Lettland 1:0
USA Norwegen 4:2
Finnland Tschechien 3:0