Dass Red Bull Racing mit einem Doppelsieg die Spitzenposition in beiden WM-Wertungen der Formel 1 eroberte, war kein Kinderspiel. Ein erneutes technisches Gebrechen verleitete Verstappen zu Schimpftirarden. Das Drag Reduction System (DRS), das den Luftwiderstand reduziert und so das Überholen erleichtert, wollte nicht funktionieren und kostete den Niederländer wertvolle Zeit. Teamkollege Sergio Perez ärgerte sich unterdessen über die Teamorder, die ihm in seinen Augen die Chance auf den Sieg nahm. „In Zukunft müssen wir das stressfreier gestalten“, so Helmut Marko.
Der Berater meinte damit eine geballte Ladung von Problemen und Zwischenfällen, die das Team mehr als nötig um den Sieg zittern ließen. Denn nach dem Ausfall von Charles Leclerc im Ferrari war die Bahn eigentlich frei für den vierten Red-Bull-Sieg in dieser Saison. Zunächst schaffte es Verstappen aber nicht an George Russell im Mercedes vorbei. Das DRS funktionierte nur gelegentlich. „Keine Ahnung, was das ist. Aber da sollten wir mal schauen, was wieder falsch gelaufen ist“, sagte Verstappen im ORF-Interview.
Mercedes macht Boden gut
Im Schatten des Formel-1-Titelduells zwischen Red Bull und Ferrari hat Mercedes in Barcelona 2022 erstmals ein Zeichen gesetzt: Nach dem verkorksten Saisonauftakt ist der Rückstand auf die Spitze deutlich geringer geworden.
Red Bull zu abgespeckt
„Wir sind davon ausgegangen, dass wir das repariert und kuriert hatten. Das war nicht der Fall“, sagte Marko. Der Steirer lieferte eine bemerkenswerte Erklärung, die mit dem neuen Mindestgewicht in der Formel 1 (795 Kilogramm inklusive Fahrer) zu tun hat: „Wenn man viel Gewicht hat, muss man anfangen, Teile leichter zu machen, und da ist eine Grenze überschritten worden. Dann verbiegen sich Teile oder haben nicht mehr die Steifigkeit. Also das ist eine Gratwanderung.“ Für das nächste Rennen müsse man sich überlegen, „ob wir da nicht auf eine sicherere Linie gehen. Zwei Kilo mehr oder weniger, das macht in Monte Carlo nicht den Unterschied aus.“
Neben der DRS-Misere kämpfte Verstappen darüber hinaus mit dem Überhitzen der Systeme in der spanischen Sonne. Beim Verfolgen von Leclerc seien die Temperaturen so in die Höhe geschnellt, „dass wir deutlich reduzieren mussten von der Motorleistung“, sagte Marko. In Runde neun machte Verstappen einen kurzen Abflug ins Kiesbett. „Und dann haben wir noch ein paar Kleinigkeiten gehabt.“ Umso glücklicher war man schließlich über den Sieg. „Vom Speed her waren wir schneller wie die Ferrari im Rennen, auch im Reifenverschleiß waren wir deutlich besser.“
Perez sieht Redebedarf
Perez, der im Finish Verstappen widerwillig vorbeigelassen hatte, wollte über seine Rolle im Nachgang allerdings noch mit der Führungsriege diskutieren. Marko erklärte: „Die zwei waren auf unterschiedlichen Strategien. Also es war klar, dass der ‚Checo‘ mit seinem Reifensatz nicht zu Ende hätte fahren können. Und damit war ganz klar, dass der Max der Schnellere war. Wir haben ihm gesagt, es macht keinen Sinn.“ Dass der Mexikaner in der Situation etwas angefressen war, konnte der Ex-Rennfahrer aber verstehen: „Er hat den Sieg vor Augen gesehen.“
Auf den hofft schon am Sonntag (ab 15.00 Uhr, live in ORF1) Charles Leclerc, wenn die Königsklasse in seiner Heimat Station macht. Allerdings ist Monaco nicht das beste Pflaster für den 24-Jährigen. Erst vor einer Woche crashte Leclerc den historischen 1974er-Ferrari von Niki Lauda, nachdem eine Bremsscheibe brach. Und letztes Jahr konnte der Monegasse, nachdem er die Polepositon ergattert, das Qualifying aber mit einem Crash beendet hatte, das Rennen nicht starten, weil ihm das Getriebe auf dem Weg zur Startposition einging.
Mercedes punktet mit Zuverlässigkeit
Der Ausfall in Barcelona war der erste Defekt für die „Scuderia“ in dieser Saison, während Verstappen bereits zweimal aufgrund von technischen Problemen das Auto vorzeitig abstellen musste. Trotz schlechten Saisonstarts hatten die Mercedes von Teamchef Toto Wolff bis jetzt keine Probleme mit der Zuverlässigkeit. Russell ist zudem der einzige Fahrer im Feld, der alle sechs bisherigen Rennen in den Top Fünf abschloss. Teamkollege Lewis Hamilton tat sich da bisher ein wenig schwerer im neuen W13. Trotzdem zeigt die Formkurve beider Piloten weiter nach oben.
„Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht noch rumdrehen können, auch wenn schon sechs Rennen vorbei sind“, sagte Russell, der Altmeister Hamilton teamintern einen harten Kampf liefert und sehr starke Leistungen zeigt: „Ich bin hier, um zu kämpfen, ich bin hier, um zu gewinnen.“ Das zeigte der 24-Jährige auch im Kampf gegen Verstappen deutlich. Ob Mercedes die Performance beibehalten kann, zeigt sich schon am Wochenende. Der ORF beginnt seine Übertragung mit dem ersten Freien Training am Freitag ab 13.40 Uhr live in ORF1.