Eishockey-WM

Österreich erkämpft sich Klassenerhalt

Österreichs Nationalteam hat sich nach einem der besten WM-Turniere am Montag nach einem Kraftakt mit dem Klassenerhalt belohnt. Die Mannschaft von Teamchef Roger Bader drehte in Tampere einen Zweitorerückstand gegen Großbritannien noch um und setzte sich am Ende mit 5:3 (0:1 0:1 5:1) durch. Die Österreicher schafften damit nach 2018 zum zweiten Mal in den vergangenen 18 Jahren den Verbleib in der A-Gruppe.

Ali Wukovits (45./PP), Dominique Heinrich (48.) und Benjamin Nissner (52.) sowie Thomas Raffl (59.) und Peter Schneider (60./EN) nahmen vor 3.321 Zuschauern in der Nokia Arena den Briten mit einem furiosen Schlussabschnitt noch die sicher geglaubte Teilnahme am Turnier 2023 vom Schläger. Treffer von Matthew Myers (19./PP), Robert Dowd (22.) und Cade Neilson (47.) waren für die Briten, die nach drei Jahren in der A-Gruppe wieder absteigen müssen, zu wenig.

Die Österreicher vermieden im letzten Abdruck einen Umfaller zum Abschluss eines Turniers, in dem man mit einem historischen 2:1-Sieg nach Penaltyschießen gegen Tschechien und Punktegewinnen gegen die USA und Lettland für Furore gesorgt hatte. Baders mit 14 WM-Debütanten angerückte Truppe schenkte dem Teamchef zu seinem 100. Spiel auch das passende Geschenk und nutzte gleichzeitig die Gunst der Stunde. Österreich hatte nur dank des Ausschlusses der Kriegstreiber Russland und Weißrussland an der WM in Finnland teilgenommen.

Raffl erzielt Game-Winning-Goal

Eine Minute vor Schluss machte Kapitän Raffl mit dem 4:3 die Hoffnungen auf ein britisches Happy End zunichte.

Erwartete Aufstellung

Vor dem entscheidenden Spiel um Bleiben oder Absteigen verzichtete Teamchef Bader auf große Rochaden. Einzig der gegen Finnland geschonte Heinrich kehrte in die Verteidigung zurück, als überzähliger Defender drückte Nico Brunner gemeinsam mit dem dritten Goalie David Madlehner auf der Tribüne die Daumen. Apropos Torhüter: Als Nummer eins bot Bader wie erwartet Bernhard Starkbaum auf. Die Routine des Wieners sollte gegen die Briten zum Trumpf werden.

Die Vorfreude auf die Partie war bei den österreichischen Fans bereits vor dem Spiel groß gewesen. Unterstützt von einer kleinen Blaskapelle machten sich die rot-weiß-roten Schlachtenbummler bereits vor der Arena lautstark bemerkbar. In der Halle waren sie stimmlich aber in der Unterzahl. Die Ausgangslage vor der Partie war einfach: Team GB benötigte einen Sieg nach 60 Minuten, Österreich genügte ein Punkt.

Kalte Dusche vor der Pause

Dass die Briten wie im Poker bereit waren, „all in“ zu gehen, war bald zu sehen. Denn nach einer kurzen, aber fruchtlosen Druckperiode der Österreicher hatte die Mannschaft von der Insel deutlich mehr Zug zum Tor. Bei Rot-Weiß-Rot hing eine gewisse Nervosität an den Schlittschuhen, das bisher im Turnier gezeigte Selbstvertrauen schien in der Kabine geblieben zu sein. Starkbaum war mehr gefordert, als den österreichischen Fans lieb war. In der 10. Minute musste der Wiener einen Riesenreflex gegen Cade Neilson auspacken.

Die österreichische Offensive lief noch nicht voll auf allen vier Zylindern. Youngster Marco Kasper und Peter Schneider waren noch die auffälligsten, die Chancen zwar da, aber nicht wirklich zwingend. Ben Bowns im Tor blieb sowohl bei einer Doppelchance von Schneider und Ali Wukovits (15.) als auch bei einer Direktabnahme von Kasper (16.) Sieger. Eine Strafe gegen Manuel Ganahl – der KAC-Stürmer war gegen Goalie Bowns gerutscht – brachte die Österreicher richtig in die Bredouille. Der Puck wollte im Penalty Killing nicht aus dem eigenen Drittel, Myers durfte abstauben, und es stand genau eine Minute vor der ersten Pause 1:0 für Großbritannien.

Briten erzielen 1:0 im Powerplay

Myers staubte in Überzahl zur zu diesem Zeitpunkt verdienten Führung für Großbritannien ab

Hektik übernimmt Kommando

Jetzt war die bisher in Tampere mehrfach gezeigte Moral von Baders Team gefragt. Doch die bekam keine zwei Minuten nach Wiederbeginn den nächsten Dämpfer: Dowd fälschte einen Schuss von Nelson mit dem Schlittschuh ins Tor ab. Weil die Schiedsrichter auch nach Videostudium keine Kickbewegung des Briten erkennen konnten, zählte der Treffer (22.). Im Fansektor von Team GB ging jetzt die Post ab, die Österreicher wirkten erstmals bei dieser WM richtig angeschlagen.

Fragwürdiges 2:0 für Briten

Dowd bugsierte die Scheibe zwar mit dem Schlittschuh über die Linie, die Schiedsrichter konnten aber keine Kickbewegung erkennen

Rot-Weiß-Rot packte zwar die sprichwörtliche Brechstange aus, agierte aber im Aufbau zu hektisch und fehlerhaft. Bowns kam bei den unpräzisen Schüssen auch kaum ins Schwitzen. Die Briten mussten derweil nur auf Schnitzer der Österreicher warten. Und nur Starkbaum war es zu verdanken, dass sowohl Myers als auch Lewis Hook in einer Art Penaltysituation am Goalie scheiterten. Beide Male waren die Briten nach desaströsen Wechseln der Österreicher völlig alleine auf weiter Flur. So stand es nach 40 Minuten „nur“ 2:0

Österreich dreht Partie noch um

Nur noch 20 Minuten trennten Team GB von der A-WM 2023. Bader hatte für den Schlussabschnitt seine Linien wieder durchgemischt, um neue Impulse zu setzen. Die Österreicher drängten mit dem Mute der Verzweiflung auf den Anschlusstreffer, rannten sich aber immer wieder an den britischen Verteidigern fest – oder nahmen sich mit Eigenfehlern selbst den Schwung. Die erste Strafe für die Briten brachte Österreich aber zurück ins Spiel. Wukovits hämmerte Bowns nach Idealzuspiel von Schneider den Puck durch die Schoner (45.).

Wukovits glückt 1:2-Anschlusstreffer

Der Wiener brach mit einem wuchtigen Schlagschuss durch die Schoner von Goalie Bowns den Torbann aus österreichischer Sicht.

Doch die Freude über den Anschlusstreffer währte nicht einmal zwei Minuten, denn Neilson nutzte einen weiteren Aufbaufehler der euphorisierten Österreicher zum 3:1 (47.). Gegen den scharfen Handgelenksschuss konnte auch Starkbaum nichts ausrichten. Doch es schien, als hätten die Eishockeygötter nun Gefallen an der Partie gefunden, denn nur 1:09 Minuten nach dem dritten britischen Treffer waren die Österreicher wieder auf ein Tor dabei. Heinrich traf mit einem präzisen Schuss ins lange Eck und der Klassenerhalt war für Österreich nur noch ein Tor entfernt.

Heinrichs 2:3 bringt Österreich heran (48.)

Dem Verteidiger gelingt mit einem satten Schuss ins lange Eck der neuerliche Anschlusstreffer.

Der neuerliche Anschlusstreffer zeigte nun bei den Briten Wirkung. Vielleicht kam auch die Erinnerung an die Lettland-Partie wieder hoch, als man auch einen Zweitorevorsprung durch die Finger rutschen ließ. Acht Minuten vor Schluss wurden die schlimmsten Befürchtungen der Fans von der Insel wahr. Nissner stocherte mit Hilfe des Schlittschuhs von Joshua Batch den Puck über die Linie. Jetzt war Großbritannien mit einem Schlag abgestiegen. 1:06 Min. vor dem Ende beendete Raffl die Hoffnungen auf ein Happy End für Team GB endgültig und Schneider setzte mit einem Schuss ins leere Tor den umjubelten Schlusspunkt (60.).

Stimme zum Spiel

Roger Bader (ÖEHV-Teamchef): „Alle, die das österreichische Eishockey lieben, haben heute Nerven gezeigt. Wir waren sehr, sehr schlecht eingestiegen. Das erste Drittel war das schlechteste der ganzen WM. Wir waren passiv, auch in der Box drin, was normal unsere Stärke ist. Wir haben natürlich überlegt, warum ist das so? Wir glauben schon, dass sehr viele Spieler sehr nervös waren. Sie haben versucht, das zu überspielen. Ich glaube, dass die Anspannung und die Angst da war, alles zu verlieren. Wir haben dann alles nach vorne geworfen. Wir haben schon gegen Lettland ein super Schlussdrittel gespielt, so eines brauchten wir wieder. Dann hat es auch geklappt. Natürlich bin ich jetzt froh. Wir sind sehr glücklich, dass wir es geschafft haben.“

Bernhard Starkbaum (Torhüter Österreich): „Für schwache Nerven war das sicher nichts. Wir haben gemerkt, es läuft nicht so. In den anderen Partien haben wir mehr das Spiel zerstört, gegen uns haben das die Briten gemacht. Wir haben einfach nicht aufgegeben. Wir wussten ja, wie wir sie knacken können. Wir sind am Schluss für die harte Arbeit im ganzen Turnier belohnt worden. Ich bin froh und stolz, ein Teil dieser Mannschaft zu sein. Was wir in den letzten Wochen geleistet haben, war hart erarbeitet.“

Thomas Raffl (Kapitän Österreich): „Wir sind einfach alle glücklich, dass wir das Ziel erreicht haben. Aber man muss als Spieler auch selbstkritisch zurückblicken, die ersten beiden Drittel waren die schlechtesten, die wir im Turnier gespielt haben. Wir sind eine junge Mannschaft und spielen ein sehr gutes Turnier, und dann läuft trotzdem alles auf nur ein Spiel hinaus. Es ist verständlich, dass Nerven involviert sind. Aber im dritten Drittel haben wir wieder das Eishockey gespielt, das wir spielen wollten.“

Lukas Haudum (Stürmer Österreich): „Wir haben gewusst, dass wir im dritten Drittel alles raushauen müssen, dass uns ein Untentschieden reicht. Das ist dann auch näher dran, als wenn man die ganze Partie drehen muss. Wir haben dann ein Tor geschossen, dann eines gekriegt, aber gleich wieder eines geschossen, und dann ist es gelaufen. Das dritte Tor war natürlich ein bisschen glücklich, aber das haben wir uns verdient. Wenn man zum Tor geht, dann passieren solche Tore. Es ist extrem geil.“

Eishockey-A-WM 2022 in Finnland

Montag:

Österreich – Großbritannien 5:3

(0:1 0:1 5:1)

Tore: Wukovits (45./PP), Heinrich (48.), Nissner (52.), Raffl (59.), Schneider (60./EN) bzw. Myers (20./PP), Dowd (22.), Neilson (47.)

Strafminuten: 6 bzw. 2

Österreich: Starkbaum – Maier, Unterweger; Zündel, Heinrich; B. Wolf, Hackl; Kirchschläger, Wimmer – Kasper, Haudum, Ganahl; Schneider, Nissner, Th. Raffl; P. Huber, Wukovits, Lebler; Schwinger, Achermann, Feldner

Großbritannien: Bowns – Tetlow, Richardson; O’Connor, D. Phillips; Ehrhardt, Jones; Batch – Perlini, Conway, Mosey; Lake, Neilson, Dowd; Hook, Myers, J. Phillips; Ferrara, Lachowicz, Davies; Waller

Gruppe B in Tampere

Tabelle:
1. Finnland 7 6 0* 1** 0 25:5 19
2. Schweden 7 5 1* 1** 0 27:10 18
3. Tschechien 7 4 0* 1** 2 19:13 13
4. USA 7 3 2* 0** 2 18:12 13
5. Lettland 7 2 1* 0** 4 14:20 8
6. Österreich 7 1 1* 2** 3 16:22 7
7. Norwegen 7 1 1* 0** 5 15:29 5
8. Großbritannien 7 0 0* 1** 6 10:33 1

* Sieg nach Verlängerung/Penaltyschießen (zwei Punkte)
** Niederlage nach Verlängerung/Penaltyschießen (ein Punkt)

Top Vier im Viertelfinale - Gruppenletzter steigt ab

Spielplan:
13.05. USA Lettland 4:1
Finnland Norwegen 5:0
14.05. Österreich Schweden 1:3
Tschechien Großbritannien 5:1
Finnland Lettland 2:1
15.05. Norwegen Großbritannien 4:3 n.P.
Österreich USA 2:3 n.V.
Schweden Tschechien 5:3
16.05. Lettland Norwegen 3:2
Finnland USA 4:1
17.05. Österreich Tschechien 2:1 n.P.
Schweden Großbritannien 6:0
18.05. Österreich Norwegen 3:5
Schweden Finnland 3:2 n.P.
19.05. USA Großbritannien 3:0
Tschechien Lettland 5:1
20.05. Finnland Großbritannien 6:0
Österreich Lettland 3:4 n.P.
21.05. USA Schweden 3:2 n.V.
Österreich Finnland 0:3
Tschechien Norwegen 4:1
22.05. Lettland Großbritannien 4:3
Schweden Norwegen 7:1
23.05. Tschechien USA 1:0
Österreich Großbritannien 5:3
24.05. Schweden Lettland 1:0
USA Norwegen 4:2
Finnland Tschechien 3:0