österreichische Mannschaft bei der Hymne
GEPA/Daniel Goetzhaber
Eishockey-WM

Erfolgsgeschichte soll als Weckruf dienen

Die 85. Eishockey-WM der Männer in Finnland darf für Österreich als Erfolgsgeschichte verbucht werden. Dank eines furiosen letzten Drittels am Montag gegen Großbritannien sicherte sich die Auswahl von Teamchef Roger Bader mit einem 5:3-Sieg den Klassenerhalt und ein verdientes Happy End nach dem besten WM-Turnier seit jenem 2004. Der Erfolg der mit 14 Debütanten angetretenen Truppe sollte auch ein Weckruf an alle Verantwortlichen sein, den Schwung zu nutzen.

Der hart erkämpfte 5:3-Erfolg über die Briten, die nach drei Jahren in der A-Gruppe so wie Italien wieder absteigen müssen, war letztendlich der krönende Abschluss eines in dieser Form nicht erwarteten WM-Märchens. Davor schrieben die Österreicher mit einem 2:1-Erfolg im Penaltyschießen über Tschechien heimische Eishockey-Geschichte, knöpften den USA (2:3 nach Verlängerung) einen Punkt ab und waren bei der knappen Niederlage (3:4 n. P.) gegen Lettland knapp an einem Sieg dran. Auch gegen Finnland (0:3) und Schweden (1:3) verkaufte man seine Haut teuer.

Einzig die 3:5-Pleite gegen Norwegen war ein Ausreißer nach unten. Dass es letztendlich der einzige blieb, war einem in dieser Form von österreichischen Mannschaften nicht gewohnten Kraftakts gegen die Briten geschuldet. Denn zur Mitte des dritten Drittels lag man noch mit 1:3 zurück, ehe man die Wende erzwang. „Für schwache Nerven war das sicher nichts“, sagte Goalie Bernhard Starkbaum, der in den beiden Abschnitten davor Österreich mit seinen Reflexen im Spiel gehalten hatte.

Eishockeyteam überrollt Briten im Schlussdrittel

Das österreichische Eishockeynationalteam krönt einen großartigen Auftritt bei der A-WM in Finnland mit dem Klassenerhalt. Im „Alles oder nichts“-Endspiel gegen Großbritannien drehen die Österreicher die scheinbar verlorene Partie in letzter Minute.

„Wenn man als Aufsteiger, wie auch immer das zustande gekommen ist, die Klasse halten kann, ist auf jedem Fall die Mission erfüllt“, freute sich auch Teamchef Bader, dem die Mannschaft letztlich ein besonderes 100. Spiel bescherte. Der Schweizer zeigte sich auch „sehr erleichtert“, dass sein Team trotz der trügerischen Ausgangslage im entscheidenden Moment die Nerven bewahrte. „Wir glauben, dass einige Spieler sehr nervös waren vor dem Spiel, die Anspannung da war, so eine gute WM gespielt zu haben und am Ende alles verlieren zu können“, so Bader.

Thomas Raffl fixiert Klassenerhalt endgültig

Der Kapitän selbst sorgte mit seinem Tor zum 4:3 gegen Großbritannien dafür, dass Österreich der Klassenerhalt nicht mehr zu nehmen war.

Zusammengeschweißte Einheit

In einem waren sich Spieler und Trainer einig: Dass am Ende die Kurve doch noch gekratzt wurde, sei der beste Beweis, dass Aussagen über das gute Mannschaftsgefüge keine leere Floskel waren. „In dieser Mannschaft war eine gute Stimmung, es war eine Supermischung aus alt und jung. Wenn eine Mannschaft über den Erwartungen spielt, muss auch alles passen. Alles in allem war es eine supergeile WM“, sagte Stürmer Lukas Haudum, der mit 25 Jahren zu den Routiniers im Team gehört. Ähnlich sah es der Teamchef: „Die Mischung aus Neulingen und Routiniers, das Menschliche, all das war Weltklasse.“

Trainer Roger Bader und Assistenztrainer Markus Peintner
GEPA/Daniel Goetzhaber
Bader (l.) baute gemeinsam mit seinen Assistenten, hier Markus Peintner, eine Mannschaft, die für Furore sorgte

Für Bader war auch die lange Vorbereitung ein Schlüssel zum Erfolg. Während etwa die Briten, so wie früher auch in Österreich üblich, nur neun Tage hatten, um sich für die A-WM einzustimmen, hatte Bader sechs Wochen Zeit, die richtige Mischung zu finden. In drei Teamcamps mit verschiedenen Spielern und Gegnern auf unterschiedlichem Niveau wurde eine schlagkräftige Truppe entwickelt – und das trotz 14 Debütanten im Kader. „Man hat gesehen, wie wichtig das ist. Ich glaube, die Mannschaft als Gruppe ist über die vergangenen Wochen zusammengewachsen“, sagte der Teamchef.

Die Neulinge im Kader zeigten zwar in der entscheidenden Partie doch lange Nerven, waren aber letztlich der Schlüssel zum Erfolg. Marco Kasper zeigte mehr als einmal, warum die Scouts aus der National Hockey League (NHL) ihn weit oben auf ihren Listen stehen haben. Auch die jungen Verteidiger wie David Maier und Kilian Zündel ließen sich nichts zu schulden kommen. „Die Mannschaft ist jung, wird vielleicht noch jünger, bevor sie älter wird“, prophezeite auch Bader und verwies auf Talente wie Marco Rossi, Thimo Nickl und Benjamin Baumgartner, die diesmal nicht mit von der Partie sein konnten oder verletzt ausschieden.

To-Do-Liste für Vereine

Bei der WM in Tampere wurde auch die To-Do-Liste für die Clubs der ICE Hockey League offensichtlich. Denn die Ausrede, dass speziell die heimischen, jungen Verteidiger für die Liga nicht gut genug wären, zählt seit dem Turnier in Finnland nur noch bedingt. Spieler wie Maier und Philipp Wimmer, der etwa die meiste Zeit in der Alps Hockey League im Salzburger Farmteam spielte, bewiesen in Tampere, dass sie selbst gegen Weltklassestürmer bestehen können. Auch der früher gerne verwendete Hinweis, einheimische Spieler seinen teurer als Legionäre, kann nicht angewendet werde, denn im erfolgreichen Teamkader standen drei Spieler, die 15.000 Euro verdienen – pro Jahr.

Laut Verbandspräsident Klaus Hartmann wird jedenfalls daran gearbeitet, die Situation für die heimischen Spieler bei den acht österreichischen Clubs in der ICE-Liga zu verbessern. Es wird definitiv das AKES eingeführt, das Ausbildungs-Kosten-Ersatz-System. Das soll Vereine belohnen, die Ausbildungs- und Nachwuchsarbeit betreiben. Jene, die aus wirtschaftlichen Überlegungen mit mehr Imports arbeiten, zahlen in diesen Topf ein. „Ein Verein, der einen Spieler ausgebildet hat, kriegt Geld, solange der Spieler spielt“, so der Kärntner. Dazu werde mit einem neuen Regulativ auch eine Art Mindestanzahl an Österreichern festgelegt. „Wir wollen zwölf einheimische Spieler am Spielbericht haben.“

Baustelle Torhüter

Eine große Baustelle ist die Torhütersituation, obwohl Starkbaum und David Kickert wichtige Säulen der Erfolge waren. Aber Erstgenannter ist mit 36 Jahren schon im zweiten Drittel seiner Karriere angelangt. Kickert ist 28 und auch David Madlehner, in Tampere der dritte Goalie im Bunde, ist mit 30 Jahren auch kein Jungspund mehr. Im Gegensatz zu Starkbaum und Kickert, die vergangene Saison das Torhüterduo bei den Vienna Capitals bildeten, kam Madlehner in der Liga bei Dornbirn kaum zu Spielpraxis. Dahinter kommt wenig bis nichts nach.

Ben Lake (GBR) und Bernhard Starkbaum (AUT)
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Goalie Starkbaum (Mi.) war auch gegen Großbritannien ein wesentlicher Faktor auf dem Weg zum Erfolg

Welchen Unterschied ein starker Torhüter für einen Außenseiter bei einer WM machen kann, war beim Turnier in Tampere offensichtlich. Starkbaum und Kickert hielten die Siege gegen Tschechien und Großbritannien und den Punktegewinn gegen die USA fest. Zumindest will man von Verbandsseite auf diesem Gebiet tätig werden. „Wir haben große Probleme am Tormannsektor, denken über einen Regionalentwicklungstrainer nach, der nur für die Goalie-Ausbildung zuständig ist“, kündigte Präsident Hartmann daher einen neuen Zuständigkeitsbereich an.

Bleibt der Teamchef?

Das größte Fragezeichen trotz des Klassenerhalts ist die Personalie des Teamchefs. Denn der Vertrag von Bader läuft aus, Gespräche über eine Verlängerung wurden bis auf die Zeit nach der WM verschoben. Die Bilanz des 57-Jährigen spricht für sich. Nachdem Bader die Mannschaft im Herbst 2016 auf Rang 20 der Weltrangliste übernommen hatte, führte er sie nun an die Top zwölf heran. 2017 wurde der Aufstieg, 2018 und 2022 der Klassenerhalt geschafft. Das verlorene Penaltyschießen gegen Italien und der damit verbundene WM-Abstieg sind der einzige Schönheitsfehler in der Bilanz des Schweizers.

Zumindest die Bereitschaft, weiter an einem Strang zu ziehen, ist da. „Man weiß, dass ich mit Leib und Seele österreichischer Teamchef bin“, sagte Bader nach dem Klassenerhalt, „es gibt noch viel zu entwickeln, da bin ich schon motiviert.“ Verbandspräsident Hartmann äußerte sich in ähnliche Richtung: „Wir haben das Interesse, mit Bader zu verlängern. Wir planen auf jeden Fall mit ihm. Wir wissen, dass Bader großen Anteil am Erfolg hat.“ Am möglichen vom Verband in den Raum gestellten Ende der Doppelfunktion des Schweizers als Teamchef und Sportdirektor könnte es sich aber spießen.

Für das Nationalteam wäre ein Abschied Baders jedenfalls ein Rückschritt. Dank der Kontinuität auf der Trainerbank – noch kein Teamchef absolvierte 100 Spiele – und der Harmonie mit den Assistenten Markus Peintner (Offensive), Philipp Lukas (Defensive) und Reinhard Divis (Torhüter) steht Österreich so gut da wie schon lange nicht mehr. Sogar Juka Jalonen, seines Zeichens Erfolgsschmied bei Olympiasieger Finnland, lobte die Entwicklung. Und auch die Motivationskünste eines Arno del Curto (Haudum: „Er war eine Riesenbereicherung“) wird es ohne Bader nicht mehr spielen. Denn die Schweizer Trainerlegende war nur aufgrund langjähriger Freundschaft mit Bader in Tampere mit von der Partie.

Eishockey-A-WM 2022 in Finnland

Gruppe B in Tampere

Tabelle:
1. Finnland 7 6 0* 1** 0 25:5 19
2. Schweden 7 5 1* 1** 0 27:10 18
3. Tschechien 7 4 0* 1** 2 19:13 13
4. USA 7 3 2* 0** 2 18:12 13
5. Lettland 7 2 1* 0** 4 14:20 8
6. Österreich 7 1 1* 2** 3 16:22 7
7. Norwegen 7 1 1* 0** 5 15:29 5
8. Großbritannien 7 0 0* 1** 6 10:33 1

* Sieg nach Verlängerung/Penaltyschießen (zwei Punkte)
** Niederlage nach Verlängerung/Penaltyschießen (ein Punkt)

Top Vier im Viertelfinale - Gruppenletzter steigt ab

Spielplan:
13.05. USA Lettland 4:1
Finnland Norwegen 5:0
14.05. Österreich Schweden 1:3
Tschechien Großbritannien 5:1
Finnland Lettland 2:1
15.05. Norwegen Großbritannien 4:3 n.P.
Österreich USA 2:3 n.V.
Schweden Tschechien 5:3
16.05. Lettland Norwegen 3:2
Finnland USA 4:1
17.05. Österreich Tschechien 2:1 n.P.
Schweden Großbritannien 6:0
18.05. Österreich Norwegen 3:5
Schweden Finnland 3:2 n.P.
19.05. USA Großbritannien 3:0
Tschechien Lettland 5:1
20.05. Finnland Großbritannien 6:0
Österreich Lettland 3:4 n.P.
21.05. USA Schweden 3:2 n.V.
Österreich Finnland 0:3
Tschechien Norwegen 4:1
22.05. Lettland Großbritannien 4:3
Schweden Norwegen 7:1
23.05. Tschechien USA 1:0
Österreich Großbritannien 5:3
24.05. Schweden Lettland 1:0
USA Norwegen 4:2
Finnland Tschechien 3:0