Der österreichische Fußballspieler David Alaba
Reuters/Lisa Leutner
Nations League

Neue Mentalität erfasst ÖFB-Team

Wien, 18. November 2020: Adrian Grbic hat in der 94. Minute das 1:1 für Österreich in der Nations League gegen eine norwegische Notelf erzielt. 19 Monate und einen Trainerwechsel später spielte die Elf des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB) mit 1:1 gegen Weltmeister Frankreich in Bestbesetzung. Danach zeigte sich die neue Mentalität im Team: Ehrgeiz statt Stillstand. Sogar Kapitän David Alaba fand klare Worte zum Unterschied zu früheren Zeiten.

Die Ära Foda im ÖFB-Team ist seit Freitag endgültig Geschichte. Die eigenen Ansprüche sind höher geworden und dem Potenzial der Mannschaft angepasst. Österreichs Spieler trauern der vergebenen Siegeschance in der Nations League gegen Frankreich nach und orteten nach wie vor die Möglichkeit zur Steigerung.

Kapitän Alaba begrüßte den neuen Spielstil, den Prozess, in dem sich das ÖFB-Team unter Neo-Trainer Ralf Rangnick befinde. Über die Vergangenheit äußerte er sich kritisch. „Die Enttäuschung ist größer als die Freude, weil hier mehr drinnen gewesen wäre“, sagte Alaba in den Katakomben des Happel-Stadions zu Journalisten.

Österreich knöpft Weltmeister Punkt ab

Österreichs Fußballnationalteam hat am Freitag am dritten Spieltag der UEFA Nations League gegen den Weltmeister aus Frankreich ein 1:1 (1:0) geholt.

Nicht mit dem Auftritt zufrieden zu sein zeige, „wie hungrig, wie ehrgeizig“ das Team sei, wie sehr es sich auch weiterentwickeln wolle. Und noch mehr: „Es zeigt einfach, dass wir vielleicht irgendwo die Schnauze voll haben von einer gewissen Art Fußball zu spielen, wie wir es vielleicht immer wieder in den Jahren zuvor hatten.“

Klarstellung von Alaba

Am Samstag nahm Alaba möglichen Fehlinterpretationen seiner Aussage den Wind aus den Segeln: „Ich möchte klarstellen, dass meine Aussage nach dem Spiel ein bisschen falsch verstanden wurde. Das war nicht an eine Person, einen Trainer oder einen Spieler gerichtet. Ich wollte nur sagen, wie die Einstellung innerhalb der Mannschaft ist. Wir hatten immer wieder Spiele, die gut waren, die wir aber nicht gewonnen haben.“

„Mit ‚Schnauze voll‘ meinte ich, dass wir genug haben, solche Spiele liegen zu lassen, sondern den Ehrgeiz haben, die Einstellung und den Willen, um diese Spiele für uns zu entscheiden. Das ist zu hundert Prozent unser Ziel“, so Alaba in einer Stellungnahme am Samstag.

Neustart unter Rangnick

Rangnick hat das ÖFB-Team Ende Mai als Nachfolger von Franco Foda übernommen. Sein deutscher Landsmann hatte die Auswahl davor seit Ende 2017 betreut. „Wir sind in einem Prozess. Dieser Prozess sieht gut aus und es macht einfach Spaß“, sagte Alaba über den Neustart unter Rangnick. „Wir sind geil drauf, diesen Prozess weiterzugehen und unsere Ziele zu erreichen.“ Ein ganz großes Ziel, auch für ihn persönlich, ist nach wie vor eine WM-Teilnahme.

Trotzdem erkannte auch der Real-Madrid-Profi in der zweiten Hälfte einen Rückfall. „Wir sind tiefer gestanden, haben versucht, das 1:0 irgendwo zu halten“, schilderte Alaba. „Man hat sicherlich auch irgendwo eine gewisse Müdigkeit erkannt.“ Er selbst musste mit Adduktorenproblemen vorzeitig vom Platz.

Teamchef Rangnick nicht zufrieden

Österreichs Teamchef war nach dem Spiel trotz des 1:1 gegen Weltmeister Frankreich nicht zufrieden.

Wie seinem Trainer stieß auch Alaba das Gegentor zum 1:1 sauer auf. „Das dürfen wir auf dem Niveau nicht bekommen, da müssen wir einfach abgebrühter Fußball spielen. Ich glaube, diese Erfahrung haben wir“, nahm der dreimalige Champions-League-Sieger seine Kollegen in die Pflicht.

Die Qualität, die noch fehlt

Ob das ÖFB-Team im Vergleich zu den jüngsten Partien gegen Kroatien (3:0) und Dänemark (1:2) zugelegt habe, wollte der 29-Jährige nicht beurteilen. „Wenn wir gewonnen hätten, hätten wir Schritte nach vorne gemacht, weil wir dann diese Qualität auch noch besitzen würden, diese Spiele für uns zu entscheiden“, erklärte Alaba. „Das müssen wir lernen, solche Spiele auch noch für uns zu entscheiden – auch, wenn es dreckig ist.“

Ähnlich sah es Mittelfelddauerläufer Konrad Laimer, der neuerlich eine starke Leistung bot. „In den drei Spielen haben wir immer wieder gute Akzente gezeigt, uns aber schlussendlich auch zu wenig belohnt“, meinte der Leipzig-Legionär. „Wenn man das ein bisschen besser macht oder ein bisschen mehr Glück hat, muss man eigentlich alle drei Spiele gewinnen – und das ist gegen diese Nationen eigentlich schon Wahnsinn.“

Die Balljäger aus dem Mittelfeld

Sowohl gegen Dänemark als auch gegen Frankreich kassierte man späte Gegentore. „Das ist sicher ein Punkt, den wir besser machen können und müssen, dass man sich noch mehr belohnt für den Aufwand“, sagte Laimer. Das ÖFB-Mittelfeld bestand gegen Frankreich ausschließlich aus Spielern mit Red-Bull-Prägung.

Nicolas Seiwald ist der jüngste davon. „Wir spielen intensiv, wir verteidigen gemeinsam. Wir spielen einfach einen geilen Fußball derzeit, das taugt mir richtig“, sagte der 21-Jährige. Auch vom ähnlichen Spielstil seiner Nebenleute Laimer und Xaver Schlager profitiere er. „Das ist ein Wahnsinn, von denen kann man nur lernen“, betonte Seiwald.

„Sie sind auch ein bisschen Vorbilder von mir. Sie machen das richtig gut. Solche Typen braucht man in der Mannschaft. Wir haben schon richtig reif gespielt, vor allem in der ersten Hälfte“, meinte der Salzburg-Youngster. Der späte 1:1-Ausgleich sei bitter und dürfe so nicht passieren. „Da sind wir ein bisschen zu hoch gestanden.“ Besser machen will er es in Kopenhagen. Am Montag (20.45 Uhr, live in ORF1) gegen Dänemark gelte es, Rangnicks Plan weiter zu perfektionieren.