Tabletten in Blisterverpackung
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Chronik

Schmerzmittel verstärkt in der Kritik

Tennisstar Rafael Nadal hätte ohne „einige entzündungshemmende“ Mittel in seinem Problemfuß nicht den French-Open-Titel holen können. In seiner Rede nach dem Sieg seines 14. Roland-Garros-Titel kündigte der Spanier, der am Müller-Weiß-Syndrom leidet, vor zehn Tagen in Paris an, dass er weiterspielen wolle, solange es sein Körper zulasse. Nun gab Nadal seine Teilnahme beim am 27. Juni startenden Wimbledon-Turnier bekannt und ließ die Diskussion zum Thema Schmerzmittel und Doping im Sport wieder aufleben. Vor allem, da der Schmerzmitteleinsatz im Spitzensport teilweise alarmierend ist.

Fußballaltmeister Zlatan Ibrahimovic überstand einen Großteil der abgelaufenen Meistersaison des AC Milan mit kaputtem Kreuzband nur dank Schmerzmitteln. Liverpools Thiago kickte nach einer schmerzlindernden Injektion mit taubem Fuß im Champions-League-Finale. Sie halfen sich mit Mitteln, die Fieber senken, Entzündungen hemmen oder Schmerzen betäuben, mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Substanzen, deren Wirkstoffe zu schwach sind, um auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zu landen und die meist rezeptfrei zu bekommen sind.

„Außer in Sondersituationen, wie bei chronischen Schmerzen bei Nadal, werden die Mittel von Profis oft prophylaktisch genommen. Das ist Missbrauch“, sagte Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Der Experte schätzt, dass je nach Sportart und Kategorie mittlerweile mehr als 50 Prozent der Teilnehmer regelmäßig Schmerzmittel nehmen.

Der spanische Rennisspieler Rafael Nadal
AP/Christophe Ena
Rafael Nadal, der am Müller-Weiß-Syndrom leidet, hätte in Paris ohne Entzündungshemmer nicht spielen können

Liste von Sportlern ist lang

Die Liste von Sportlern, die zu Schmerzmitteln greifen, lässt sich hinter Nadal und Thiago beliebig fortführen. Der deutsche Fußballtopspieler Toni Kroos offenbarte im vergangenen Jahr, verletzungsbedingt „sechs Monate unter Schmerzmitteln“ gespielt zu haben. Und der norwegische Skiweltmeister Henrik Kristoffersen, der 2015 einen Tag nach einem Sturz schon wieder die Piste hinabbrettern konnte, berichtete damals: „Meine Hüfte ist ganz blau. Es tut weh. Ich habe eine Schmerztablette genommen – hier bin ich.“

Dass die Substanzen nicht auf der Dopingliste gesetzt werden, hängt mit der rechtlichen Lage zusammen. „Das ist ein hoffnungsloser Kampf. Beim Schmerzmittelthema ist man im Prinzip machtlos“, meinte Dopingexperte und Pharmakologe Fritz Sörgel. „Das würde bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, wenn man keine Schmerzmittel nehmen dürfte.“

Sturz von Henrik Kristoffersen (NOR) beim Riesenslalom in Val d’Isere V
GEPA/Mathias Mandl
Nach seinem Sturz in Val d’Isere 2015 bestreitet Henrik Kristoffersen das nächste Rennen mit Hilfe von Schmerzmitteln

„Wie eine Schale Smarties“

Statt Verbote zu erteilen, versuchen etwa Anti-Doping-Vereine, mit Athleten über die Gründe und Auswirkungen von Schmerzmittelmissbrauch zu sprechen und sinnvolle Alternativen aufzuzeigen. Neben verhaltenspräventiven Maßnahmen brauche es zusätzlich ein verändertes Verständnis im System – im Umfeld von Sportlerinnen und Sportlern genauso wie in der Gesellschaft, hieß es.

Ärzte und Dopingexperten warnen vor dramatischen gesundheitlichen Folgen und fordern einen sensibleren Umgang mit Ibuprofen und Co. An Besserung glauben sie nicht. Denn die Medikamente sind oft längst Alltag im Leistungssport, sagte Bloch und berichtete von Vereinen, in denen Schmerzmittel üblich seien. „Das ist wie eine Schale Smarties, fast jeder greift zu.“

Experten diskutieren immer wieder, ob Schmerzmittelmissbrauch Doping ist. „Kritisch. Im Prinzip geht’s um Leistungssteigerung“, sagte Bloch. „Bei hoher Belastung erreichen Sportler eine Schmerzgrenze. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln versuchen viele, diese Grenze zu verschieben, um länger Leistung zu bringen“, erklärte der Experte.