ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick
GEPA/Johannes Friedl
ÖFB

Erkenntnisse von Rangnicks Einstand

Erinnern Sie sich noch an den Einstand von Franco Foda vor über vier Jahren? Das ÖFB-Team feierte vier Siege in vier Spielen, darunter den 2:1-Erfolg in Klagenfurt gegen Deutschland. Auch damals war die Euphorie groß, ehe sich zum Ende der Ära Foda Ernüchterung breitmachte. Nun hat Ralf Rangnick das Amt übernommen. Der 63-Jährige gab sein Debüt mit vier Nations-League-Spielen. Auch diesmal herrscht Aufbruchstimmung. Ob sie nachhaltig ist, wird sich weisen. Erste Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass es möglich ist.

Schon die Bekanntgabe des Engagements von Rangnick Ende Mai weckte Hoffnungen. Der Deutsche gilt in der Szene als absoluter Fachmann. Zumindest zu Beginn seines Wirkens als ÖFB-Teamchef enttäuschte Rangnick die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Ein klarer Plan, was er mit der Mannschaft vorhat, schonungslose Analysen, ein offensichtlich guter Draht zu den Spielern und eine gute Kommunikation mit den Medien kristallisierten sich in den ersten zwei Wochen seiner Amtszeit heraus.

Rangnick hat es geschafft, die Mannschaft nach der verpassten WM-Qualifikation im Handumdrehen wieder neu zu motivierten. So hat etwa Marko Arnautovic seine nach der Pleite gegen Wales öffentlich geäußerten Rücktrittsgedanken ad acta gelegt. Es weht ein frischer Wind im Nationalteam, der nicht wie unter Foda nach Manifestation des Sicherheitsgedankens mit Fortdauer zum Lüftchen, sondern zum Orkan werden soll. Die Qualität dafür bringt Rangnick sicher mit.

ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick und Marko Arnautovic (AUT)
APA/Hans Punz
Ralf Rangnick treibt auch Routiniers wie Marko Arnautovic wieder zu Höchstleistungen an

Der Zugang zum Spiel

Größter Pluspunkt ist, dass Rangnick die Stärken der Spieler mit seiner Spielphilosophie fördert, damit Konrad Laimer und Kollegen ihr Potenzial maximal ausschöpfen können. Der Teamchef fördert aber nicht nur, sondern fordert auch etwas. Und zwar hohe Intensität im Spiel, was vielen Akteuren in der ÖFB-Auswahl aufgrund ihrer Red-Bull-Gegenwart oder -Zukunft verinnerlicht haben. Das Nationalteam steht als Ganzes höher, ist aktiver und agiert mit mehr Überzeugung. Es gibt wesentlich mehr vertikale Läufe und daher mehr Aktionen im und um den gegnerischen Strafraum.

Die Mentalität im Team

Zufriedenheit nach einem Remis gegen den Weltmeister? Weit gefehlt. Rangnick war nach dem 1:1 stinksauer und monierte ein „naives Gegentor“, das den Sieg kostete. Der Deutsche lebt und liebt Fußball und bringt eine Gewinnermentalität ins Team, die es in diesem Ausmaß wohl noch nicht gegeben hat. Seine Akribie und Selbstkritik kommt bei den Spielern jedenfalls gut an. Rangnick erwartet Perfektion, Professionalität und Leistung, und die Spieler wollen diese liefern. Ein Indiz dafür ist der „Schnauze voll“-Sager von David Alaba, mit dem er die Einstellung des Teams verdeutlichen wollte.

Die taktische Flexibilität

Dass Rangnick nicht nur die Leidenschaft, sondern auch das fußballerische Know-how mitbringt, wurde auch in den ersten Spielen ersichtlich. Der Deutsche ließ gleich mehrere taktische Systeme spielen und reagierte auch frühzeitig, wenn etwas nicht nach Wunsch lief. So stellte er zum Beispiel im Auftaktspiel gegen Kroatien schon nach 30 Minuten von einer Dreier- auf eine Viererkette um. Gegen Frankreich begegnete er dem Dauerdruck des Weltmeisters mit einer Fünferkette. Auch gegen Dänemark entschärfte er das Flügelspiel mit einer Fünferabwehr nach der Pause. Dass nach nur zwei Wochen mit der Mannschaft noch Luft nach oben ist, ist klar.

Die personelle Flexibilität

Ein weiteres Indiz für ein gutes „In-Game-Coaching“ von Rangnick sind frühe Auswechslungen. Rangnick wartete nicht endlos und hoffte auf Besserung, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen lief, sondern setzte Maßnahmen. Gegen Kroatien und zweimal gegen Dänemark tauschte er jeweils zur Pause drei Spieler aus. Dadurch brachte er Frische und Stabilität. Ob die frühen Auswechslungen aufgrund des dichten Programms der Entlastung der Spieler galt oder Rangnicks grundsätzlicher Philosophie entsprach, wird sich aber erst mit der Fortsetzung der Nations League im Herbst herausstellen.

Die Kaderzusammenstellung

Klar wurde, dass die Zusammenstellung des Kaders der Spielidee untergeordnet wurde. Die Karten wurden neu gemischt. Schnelle und universell einsetzbare Spieler sind gefragt. So konnte etwa Rückkehrer Maximilian Wöber, der bei Salzburg als Innenverteidiger gesetzt ist, als offensivorientierter Linksverteidiger überzeugen. Andreas Weimann agierte gleich auf drei verschiedenen Positionen. Überhaupt nutzten mehrere Spieler ihr Comeback im Team, wie Gernot Trauner und Kevin Danso, die als Innenverteidiger aufzeigten.

Maximilian Wöber (AUT) und Benjamin Pavard (FRA)
APA/AFP/Franck Fife
Maximilian Wöber nutzte seine Chance und bot sich als Alternative für die linke Abwehrposition an

Die Voraussetzung für den Kader

Wenn es am 22. September in Frankreich weitergeht, darf sich ein Großteil des Kaders Hoffnung machen, wieder dabei zu sein. Rangnick setzte 23 Spieler seines 25-Mann-Kaders ein. Einzig Goalie Martin Fraisl und der zwischendurch angeschlagene Hannes Wolf kamen nicht zum Einsatz. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Martin Hinteregger und Florian Grillitsch zurückkehren. Rangnick machte aber klar, dass für ihn Spielpraxis und aktuelle Form Voraussetzung für eine Nominierung sind. Deshalb wollte sich der Deutsche aufgrund der unsicheren Zukunft aller drei Tormänner nicht auf eine Nummer eins festlegen.

Die zurückeroberten Fans

Zum Ende der Ära von Foda näherte sich die Begeisterung der Fans für ein Spiel des ÖFB-Teams dem Nullpunkt. Schuld daran waren auch – aber nicht ausschließlich – die CoV-Maßnahmen. Gegen Frankreich war das Happel-Stadion erstmals seit vier Jahren wieder nahezu ausverkauft. Die sehr gute und leidenschaftliche Leistung sorgte für Begeisterung auf den Rängen. Viel wichtiger ist aber, dass sich die Fans auch wieder ein Spektakel auf dem Rasen erwarten dürfen. Ein Spiel des Nationalteams ist wieder mit positiven Emotionen verknüpft. Kein unwesentlicher Grund, um ins Stadion zu gehen.