Fußballerin Manuela Zinsberger (Arsenal)
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Fußball-EM

Zinsberger fiebert „Heimspiel“ entgegen

„Man kann es auch aus einem Dorf in die weite Welt schaffen.“ Manuela Zinsberger weiß, wovon sie spricht. Die unumstrittene Nummer eins des österreichischen Nationalteams hat sich ihren Weg von Niederfellabrunn in Niederösterreich bis in die englische Metropole London gebahnt. Nun fiebert die 26-jährige Arsenal-Legionärin ihrem nächsten Highlight in England entgegen: Fußball-EM inklusive Auftaktspiel im legendären Old Trafford. „Da verschlägt es selbst mir die Sprache“, erklärte Zinsberger im ORF.at-Gespräch.

Wer die Torfrau kennt, weiß, was das bedeutet. Zinsberger ist nicht auf den Mund gefallen und hat immer einen Spruch auf Lager. Aber der Gedanke an ein ausverkauftes Stadion am Mittwoch (21.00 Uhr, live in ORF1) sorgt auch bei ihr für eine Schweigesekunde. „Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Welchen Weg wir gegangen sind – und dann spielen wir in Old Trafford gegen England. Muss ich da mehr sagen? Wenn du da nicht motiviert bist, weiß ich nicht mehr.“

An die 74.000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden in Manchester für eine EM-Bestmarke sorgen. Zinsberger war schon einmal Teil eines Rekordspiels auf der Insel, als sie sich mit Arsenal 2019 im Nordlondon-Derby auswärts gegen Tottenham vor rund 40.000 Fans matchte. Aber der EM-Auftakt toppt das nicht nur numerisch. „Es wird beeindruckend sein, alleine vom Event her, was da aufgezogen wird. Da geht es um den Switch, das Spiel zu genießen und alles zu geben, was man hat“, so Zinsberger, die sich in England noch einmal weiterentwickelt hat.

„England wird ganz andere Nummer“

Am Donnerstag hob der ÖFB-Tross mit 55 Spielerinnen und Betreuerinnen aus Wien ab, für Zinsberger war es ein gewohntes Gefühl. Seit drei Jahren spielt sie für die „Gunners“ in London, nun schlug sie mit ihrem Team eine Autostunde südwestlich im Pennyhill Park die ÖFB-Zelte auf. Für die Schlussfrau ist es wie für die meisten ihrer Teamkolleginnen die zweite EM-Teilnahme. „England wird noch einmal eine ganz andere Nummer werden“, merkte sie im atmosphärischen Vergleich mit dem Turnier in den Niederlanden, das für sie 2017 erst im Halbfinale geendet hatte, an.

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Wembley Stadium
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London calling: Im Wembley Stadium (Fassungsvermögen: 89.000 Zuschauer) wird am 31. Juli das EM-Finale stattfinden
Old Trafford
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Eröffnet wird das Turnier im nicht minder legendären Old Trafford (74.000) in Manchester – England trifft hier auf Österreich
Southampton’s St Mary’s Stadium
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Am Arbeitsplatz von Ralph Hasenhüttl – im Southamptons St. Mary’s Stadium (32.000) – trifft Österreich auf Nordirland
Brighton Community Stadium
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Im Brighton Community Stadium (30.000) schließen Fuhrmanns Frauen die Gruppenphase gegen Norwegen ab
Milton Keynes Dons Stadium
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Vier Spiele finden im Stadium MK (30.000) zu Milton Keynes statt, darunter auch ein Semifinale
Bramall Lane
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Das andere Semifinale steigt an der Bramall Lane (30.000) in Sheffield – dieses Stadion ist 167 Jahre alt
Brentford Community Stadium
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London zum Zweiten: Im Brentford Community Stadium (17.000) könnte Österreich ein Viertelfinale bestreiten
Rotherham United’s Stadium
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Das New York Stadium (12.000) liegt in Rotherham und ist ebenfalls Schauplatz eines Viertelfinal-Spiels
Leigh Sports Village
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Im Leigh Sports Village (8.000) spielt üblicherweise das Frauen-Team von Manchester United
Manchester City Academy Stadium
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Unweit des Etihad Stadiums von Manchester City ist das Academy Stadium (4.700) der kleinste EM-Schauplatz

Das liegt schon alleine am Auftaktspiel, aber nicht nur. In der Gruppe A wartet mit den Gastgeberinnen und Norwegen auch harte Konkurrenz, doch die Auswahl fühlt sich der Aufgabe gewachsen. „Wenn ich mir das Team ansehe, sehe ich Spielerinnen, die Großes erreichen und das Beste auf den Platz bringen wollen. Ich sehe das Funkeln in den Augen und das Feuer am Platz. Wir werden alles auf dem Platz liegen lassen. Wenn wir das tun, haben wir uns nichts vorzuwerfen“, so Zinsberger.

Nur ein Titel fehlt mit Arsenal noch

Seit drei Jahren lebt sie in London und hat sich bei Arsenal als klare Nummer eins etabliert. Zuvor spielte sie immerhin auch schon bei Bayern München, aber der Sprung auf die Insel hat sich sportlich mehr gelohnt als anfänglich gedacht. „Bei meinem Abschied von Bayern dachte ich, zehn Prozent habe ich noch im Tank, aber es wurden mir neue Türen und neue Perspektiven gezeigt, dass doch noch 30, 40, 50 Prozent da sind. Da ist mir das Herz aufgegangen. Natürlich hätte ich aber schon gerne den einen oder anderen Titel mitgenommen.“ So blieb es vorerst bei persönlichen Auszeichnungen, wie etwa dem „Save of the Season“ in der Saison 2020/21 nach dem Spiel gegen Tottenham.

Mit den Bayern gewann sie zweimal die deutsche Meisterschaft, in dieser Saison blieb man nur einen Punkt hinter dem Stadtrivalen aus Chelsea. Nach 13 Zu-Null-Spielen wurde Zinsberger nun mit dem „Goldenen Handschuh“ ausgezeichnet. „Ich habe nur wenige Partien nicht gespielt, ich bin grundsätzlich zufrieden mit meiner Leistung und meiner Entwicklung, besser geht aber natürlich immer. Am Ende wäre es schön, nicht nur den ‚Golden Glove‘ in die Höhe zu stemmen, sondern auch den Pokal. Aber nächstes Jahr heißt es wieder Attacke und komme, was wolle, da muss ein Titel her“, betonte Zinsberger, die mit Laura Wienroither eine zweite Österreicherin im Team hat.

In der kommenden Saison sind die „Big Six“ der Herren-Premier-League – Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham – in der Women’s Super League komplett vertreten, nachdem Liverpool den Weg zurück nach oben schaffte. Anders als in Österreich, wo sich Spitzenclubs nach wie vor zieren, helfen die englischen Topclubs bei der Entwicklung mit.

Die EM-Endrunde soll freilich helfen, die Popularität weiter zu fördern. „Die Professionalisierung in England läuft sehr gut, auch BBC und Sky Sports versuchen den Frauenfußball zu fördern“, so Zinsberger. „Und natürlich kann man öfters im Emirates Stadium spielen, aber auch so kommen 4.500 Zuschauer, trotz des ausgeprägten Sportangebots. Das finde ich schon aussagekräftig. Hier wird Fußball einfach gelebt.“

„Ich kann mir etwas auf die Seite legen“

Zinsberger lebt in England ihren Traum, der als Sechsjährige begann. Österreichs jahrelanger und vor allem sicherer Rückhalt fing einst im niederösterreichischen Niederfellabrunn zum Kicken an, erstmals im Verein spielte sie in Leitzersdorf. Über Neulengbach ging es zu den Bayern und dann nach London, wo sie nun auch finanziell reüssiert.

„Ich lebe vom Profifußball, das kann ich nun behaupten, darauf habe ich hingearbeitet. Ich kann mir auch etwas auf die Seite legen, aber wir sind weit davon entfernt zu sagen, ich höre auf und lehne mich zurück.“ Das liegt auch nicht im Naturell der Torfrau, die weiß, wo ihre Wurzeln liegen. „Ich bin noch immer die Kleine aus Niederfellabrunn.“ Und am Mittwoch ist sie mittendrin im großen Old Trafford.