Nina Burger und Sarah  Zadrazil jubeln
GEPA/Florian Ertl
Fußball-EM

„Sommermärchen“ wirkt noch immer nach

Am Mittwoch (21.00 Uhr, live in ORF1) wird in Old Trafford in Manchester mit dem Duell England gegen Österreich die 13. Europameisterschaft der Frauen eröffnet. Der Auftakt weckt speziell bei den Österreicherinnen Erinnerungen an eine Ausgabe davor: 2017 schrieb die ÖFB-Auswahl mit dem Semifinal-Einzug ein Märchen, das zum einschneidenden Erlebnis für Österreichs Fußball wurde. „Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut“, erinnert sich nicht nur ÖFB-Rekordtorschützin Nina Burger im Gespräch mit ORF.at noch immer gerne an einen unvergesslichen Sommer.

Der erste EM-Auftritt einer österreichischen Nationalmannschaft vor fünf Jahren katapultierte Österreichs Fußballerinnen innerhalb weniger Wochen aus dem Schatten der Männer ins Rampenlicht. Von einem Tag auf den anderen konnten selbst jene, denen Fußball generell irgendwo vorbeigeht, mit Namen wie Burger, Viktoria Schnaderbeck und Manuela Zinsberger etwas anfangen. „Wir haben schon davor jahrelang gut performt, und dann haben es endlich auch Leute von außerhalb der Frauen-Fußballblase mitbekommen“, so Burger, „man hat gesehen, dass wir erfolgreich sein können.“

Für Schnaderbeck, die Österreich wieder als Kapitänin anführt, war die EM 2017 „in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt“. Denn bis zur Endrunde flogen die Fußballerinnen weit unter dem Radar. „Wir haben einfach als Team überrascht, das Land, aber uns selbst auch. Wir haben uns damals in einen Flow reingespielt und nach unserer Rückkehr waren Dinge komplett anders. Das war schon einschneidend. Davor hatten wir auch teils widrige Umstände vorgefunden“, so Schnaderbeck.

Sarah Zadrazil jubelt, 2017
APA/AFP/Daniel Mihailescu
Die Österreicherinnen wurden bei ihrer EM-Premiere 2017 zur Sensation des Turniers

Die Bilanz der Österreicherinnen damals in den Niederlanden lässt noch heute das Herz höher schlagen. Einem überraschenden 1:0-Erfolg gegen die Schweiz im ersten Gruppenspiel folgte ein sensationelles 1:1 gegen die Titelkandidatinnen aus Frankreich. Mit einem 3:0-Erfolg zum Abschluss der Vorrunde gegen Island schnappte sich die damals von Dominik Thalhammer betreute Truppe den Sieg in Gruppe C. Dass Spanien im Viertelfinale mit 5:3 im Elfmeterschießen nach Hause geschickt wurde, setzte dem Turnier die Krone auf. Erst im Semifinale kam gegen Dänemark mit 0:3 – ebenfalls im Elferschießen – das Aus.

Ein Auftakt zum Einrahmen

„Das gesamte Turnier war das Highlight meiner Karriere, vor allem es mit so vielen tollen Menschen zu erleben und es zu teilen. Das verbindet uns auf ewig“, erinnert sich Burger, die 2019 ihre aktive Nationalteamkarriere nach 109 Länderspielen beendete und nun als sportliche Leiterin die Vienna an die Spitze führen will. Ähnlich geht es Torfrau Zinsberger, die heuer wieder eine wichtige Stütze in der Elf von Teamchefin Irene Fuhrmann sein wird: „Solche Momente mit so einem geilen Team zu erleben, das war pure Emotion und Leidenschaft.“

Nina Burger
GEPA/Florian Ertl
Nina Burger leitete mit ihrem Treffer gegen die Schweiz das „Sommermärchen“ 2017 ein

Dass die Emotionen im österreichischen Team von Beginn an positiv waren, lag vor allem am Start. Denn Thalhammers Elf erwischte die Erfolgswelle in der 153. offiziellen Partie einer österreichischen Auswahl mit dem 1:0 über die Schweiz – der man bei der Länderspielpremiere 27 Jahre davor noch 1:5 unterlegen war – völlig. „Der Einstieg war sehr wichtig. Vor allem gegen die Schweiz, die immer besser als wir waren. Wir haben aber gewusst, dass wenn wir alle zusammenhalten und unsere Leistung abrufen, auch da etwas möglich ist“, so Burger.

Die 34-Jährige spielte damals auch die Hauptrolle. Ihr Treffer in der 15. Minute war nicht nur das erste rot-weiß-rote Tor bei einer EM-Endrunde, sondern letztlich auch jener zum Sieg. „Ich habe es immer sofort vor Augen“, nimmt einen Burger sofort in den „Adelaarshors“ von Deventer mit, als Sarah Zadrazil sie ideal bediente und die Torjägerin im Fallen den Ball an Gaelle Thalmann vorbei ins Netz bugsierte. „Das Bild vom Torjubel hängt in meiner Wohnung. Es stellt alles für mich dar, was ich in den Fußball investiert habe“, so Burger.

Wille versetzt Berge

Der Erfolg gegen die Schweiz am 18. Juli 2017 war für Torfrau Zinsberger ebenfalls einer der „vielen kleinen Schlüsselmomente“, die die Tür für die Österreicherinnen ins Rampenlicht öffneten. Das 1:1 gegen den haushohen Favoriten Frankreich vier Tage später in Utrecht war der nächste. Nachdem Lisa Makas Österreich sensationell in Führung gebracht hatte, glich Amadine Henry zwar kurz nach der Pause aus, mehr war für die Französinnen aber nicht drinnen.

Sarah Makas, 2017
GEPA/Florian Ertl
Makas (Nr. 20) brachte die Außenseiterinnen gegen Frankreich in Führung und legte den Grundstein zum Punkt

Das lag laut Zinsberger vor allem am „unglaublichen Willen“ der Mannschaft, den Favoritinnen zumindest diesen einen Punkt abzuknöpfen: „Sei es Laufbereitschaft, dieser Wille, jedes Tackling, jede Parade. Das waren so viele Schlüsselmomente, deswegen ist es nicht leicht, einen Moment an sich herauszupicken“, sagte die Niederösterreicherin. Apropos Parade: Zinsberger selbst hatte mit einer Traumpartie („Die war schon nicht schlecht“) großen Anteil am Remis.

Zum Abschluss der Gruppenphase folgte mit dem 3:0-Erfolg über Island die Kür, mit dem 5:3-Erfolg im Elfmeterschießen über Spanien das Highlight des Turniers und ein Höhepunkt der österreichischen Fußballgeschichte. Weil Zinsberger nach 120 torlosen Minuten den Versuch von Silvia Meseguer parierte und Sarah Puntigam den entscheidenden Penalty humorlos versenkte, stand Österreich unter den Top Vier. „Der Wir-Faktor war entscheidend und auch, dass jede ihre Topleistung von Spiel zu Spiel abrufen konnte. Das hat uns dort hingebracht, wo wir gelandet sind“, so Burger.

Sarah Puntigam schießt Tor, 2017
APA/AFP/Daniel Mihailescu and Daniel Mihailescu
Puntigam schoss Österreich damals im Viertelfinale gegen Spanien vom Elferpunkt ins Semifinale

Euphorie kocht kurzzeitig über

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch der letzte Fußballignorant in Österreich EM-narrisch. Eine Entwicklung, die auch den Spielerinnen im Teamcamp nicht verborgen blieb. „Es war schön, dass wir uns diese Wertschätzung und Anerkennung erspielt haben. In erster Linie haben wir für uns gespielt, aber es war toll, so viele Leute mitnehmen und begeistern zu können“, erinnert sich die damalige Kapitänin Burger, „wir haben etwas (eine Euphorie, Anm.) geschaffen, wo wir nie gedacht hätten, dass wir dazu in der Lage sind.“

Die Euphorie in der Heimat konnte auch vom knappen Aus im Semifinale (Burger: „Leider ist uns am Ende etwas die Luft ausgegangen“) zumindest im Sommer 2017 nicht getrübt werden. Denn auch die Niederlage gegen Dänemark fiel in die Kategorie denkbar knapp: Erstens verlor Österreich erst im Elfmeterschießen, und zweitens vergab Puntigam in der Anfangsphase einen Elfmeter. Trotzdem beendeten die Österreicherinnen das Turnier ohne Niederlage nach 90 Minuten und wurden daher auch zu Recht von Tausenden Fans auf dem Wiener Rathausplatz empfangen.

ÖFB-Frauen und Fans am Rathausplatz, 2017
APA/Georg Hochmuth
Bei ihrer Heimkehr wurden die Semifinalistinnen in Wien wie Europameisterinnen gefeiert

Chance zur Wiederholung

Zwar ebbte die Euphorie nach der EM ebenso schnell ab, wie sie gekommen war, doch der Eindruck, den das Nationalteam 2017 hinterlassen hatte, blieb tief und lässt auch auf eine Wiederholung hoffen. Burger, die diesmal als ORF-Expertin ihren ehemaligen Kolleginnen auf die Beine schaut, ist jedenfalls zuversichtlich, dass das kommende Turnier den Hype von 2017 noch einmal übertrifft: „Die Europameisterschaft in England ist jetzt wieder ganz wichtig, weil sie in jedem Bereich größere Dimensionen, als etwa auch 2017, erreicht.“

Torfrau Zinsberger sieht die Österreicherinnen jedenfalls dank der Mischung aus EM-Erfahrung und „jungen Wilden“ optimal gerüstet: „Die Erfahrung an sich, dass man schon mal dabei war. Aber auch der frische junge Wind tut gut und die Balance macht es dann aus“, so die 25-Jährige. Ihre ehemalige Kollegin Burger sieht jedenfalls keinen Grund, warum sich das „Sommermärchen“ von 2017 nicht wiederholen sollte. „Ich glaube an das Team. Sie sind stark genug, dass sie die Gruppenphase überstehen und dann werden wir sehen.“