ÖFB-Spielerin Sarah Puntigam
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Fußball-EM

Hype von 2017 wurde nicht zum Boom

Österreichs Frauen-Nationalteam hat bei der EM-Premiere 2017 sensationell das Halbfinale erreicht. Der Hype von damals wurde aber nicht für einen Boom im Frauen-Fußball genutzt, sondern eher verschlafen. Fünf Jahre später und kurz vor der EM 2022 mit neuerlicher ÖFB-Beteiligung jagen nämlich in Österreich nicht mehr Mädchen und Frauen dem Ball nach. Aktuell sind es 11.251. „Wir waren damals ein Stück weit überfordert mit der Situation, weil der Erfolg so überraschend gekommen ist“, gab ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold zu.

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel, der schon 2017 in dieser Funktion tätig war, konnte das nicht leugnen. „Es ist so, dass bei uns viel zu wenig Mädchen Fußball spielen. Der Erfolg war toll, hat uns geflasht. Der Verband war vielleicht gar nicht auf so einen großen Erfolg vorbereitet.“ Zudem räumte auch ÖFB-Präsident Gerhard Milletich ein, dass es da in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben habe.

Dominik Thalhammer war in den Niederlanden als Teamchef der „Vater“ des Erfolgs, auch er hätte sich eine ganz andere Entwicklung gewünscht. „Ein Boom, das sind nach so einem Turnier Dinge, die man sich erhofft, aber von alleine geht es halt am Ende des Tages auch nicht. Ich glaube, dass man in Österreich zu wenig aus dem Erfolg 2017 gemacht hat. Alleine darüber zu sprechen, ist zu wenig“, sagte der jetzige Coach des belgischen Erstligisten Cercle Brügge.

Dominik Thalhammer und Irene Fuhrmann
GEPA/Michael Riedler
Ex-Teamchef Dominik Thalhammer hätte sich eine bessere Entwicklung für den Frauen-Fußball gewünscht

Viel zu wenige Mädchen- und Frauen-Teams

Eine Vergrößerung der Quantität sei enorm wichtig, um dann auch an der Spitze besser aufgestellt zu sein. Um das zu schaffen, hätte der 51-Jährige eine Idee. „Ohne sanften Druck wird es nicht funktionieren. Es gibt die Verpflichtung, Nachwuchsteams zu haben, aber in erster Linie Burschen-Teams. Mir geht es nicht ein, warum man nicht sagt, dass man zu einem gewissen Prozentsatz auch Mädchen-Teams haben muss.“

Davon gibt es in Österreich 114, zudem 245 Frauen-Teams. In England – EM-Auftaktgegner der ÖFB-Frauen am Mittwoch (21.00 Uhr, live in ORF1) – sind es 8.865 (Mädchen) bzw. 2.644 (Frauen). Thalhammers Aussage, dass es in anderen Ländern „zehnmal so viele“ Spielerinnen gibt, ist im Vergleich zu England sogar noch eine klare Untertreibung. England kann aus einem Pool von 187.604 weiblichen Aktiven wählen.

Mädchen spielen Fußball
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Fußball liegt bei österreichischen Mädchen nicht unbedingt im Trend

„In allen Bereichen Aufholbedarf“

Dafür schlägt sich Österreichs Team im internationalen Vergleich sehr gut. „Es ist ungewöhnlich, dass wir aus einer relativ kleinen Breite so eine erfolgreiche Spitze zusammengebracht haben“, sagte Schöttel. Damit das so bleibt, soll diesmal der Schwung der EM-Teilnahme mitgenommen werden. „Es ist wichtig, mit dem Eröffnungsspiel ein absolutes Highlight anbieten zu können, um Mädchen zum Fußball zu bringen und die Basis stärken zu können“, sagte Neuhold.

Aus diesem Grund wurde 2019 Karin Gruber als Projektkoordinatorin für den Mädchen- und Frauen-Fußball eingesetzt. Die Ex-Spielerin von Hof und Bergheim hat ihr Büro in Salzburg. Die Coronavirus-Pandemie erschwerte ihre Arbeit in den vergangenen Jahren ordentlich, das ist zumindest ein Mitgrund für die enttäuschende Gesamtzahl an Spielerinnen. „Die Breite ist für uns nach wie vor ein sehr großes Thema mit viel Potenzial. Wir haben noch immer nicht die große Menge an Spielerinnen. Fußball ist noch immer maskulin behaftet, wir haben in allen Bereichen Nachholbedarf“, sagte Gruber.

Doch es gibt auch Positives zu vermelden. Das Projekt Playmakers lief gut, rund 1.000 Mädchen waren dabei. Seit dem Frühjahr wurde mit den Ostar-Richi Mädchen Festivals ein weiteres Projekt gestartet, bei dem fünf- bis zwölfjährigen Mädchen ein lustiger, sicherer und positiver Erstkontakt mit dem Fußball ermöglicht werden soll.