Formel 1

Leclerc verdirbt Verstappen Heimparty

Der Red Bull Ring in Spielberg war nach dem neunten Grand Prix von Österreich seit dem Comeback 2014 in orangefarbenen Rauch gehüllt, doch die Farbe des Tages am Sonntag war dennoch das Rot der „Scuderia“ Ferrari. Charles Leclerc beendete mit einem sehenswerten Husarenritt nicht nur seine persönliche und die Ferrari-Durststrecke in Spielberg, sondern verdarb seinem WM-Konkurrenten Max Verstappen zudem die fix geplante „Oranje“-Party.

Leclerc beendete mit seiner furiosen Fahrt, bei der er Verstappen gleich dreimal überholte und wie einen Schulbuben stehen ließ, gleich zwei Durststrecken. Einerseits seine persönliche, nachdem er seit dem Erfolg in Australien Anfang April mehr Pleiten als Pokale in die Bilanz brachte und andererseits jene von Ferrari in Spielberg. Zuletzt war für Michael Schumacher 2003 die italienische Hymne für einen Sieg der „Scuderia“ in der Obersteiermark gespielt worden. Es war das letzte Rennen auf dem damals noch A1-Ring genannten Kurs für elf Jahre.

„Diesen Sieg habe ich auf alle Fälle gebraucht. Ich versuche immer, mit einem Lächeln mit in ein Rennen zu gehen, aber in den vergangenen fünf Rennen war das immer schwieriger“, freute sich der Monegasse über den Befreiungsschlag in Form seines dritten Saisonsieges und des fünften in seiner Karriere. Weil der Mexikaner Sergio Perez, der zuerst vom Mercedes von George Russell in den Kies bugsiert und später das Rennen vorzeitig beenden musste, eine Nullnummer fabrizierte, schob sich Leclerc wieder auf Platz zwei in der WM-Wertung nach vor. Der Rückstand auf Verstappen verringerte sich auf 38 Punkte.

Erleichterung bei Ferrari

Nach dem Formel-1-Grand-Prix von Österreich herrscht bei Ferrari Erleichterung. Charles Leclerc hat mit seinem Sieg eine lange Durststrecke beendet und die Weltmeisterschaft wieder spannender gemacht.

Auch bei Teamchef Mattia Binotto war die Freude nach dem zweiten Ferrari-Sieg in Folge und dem ersten in Spielberg seit 19 Jahren groß. Vor allem, weil die Taktik diesmal voll aufging. „Wir haben von der ersten Runde weg Druck auf Red Bull gemacht“, sagte der Italiener. Einzig, dass der Bolide von Silverstone-Sieger Carlos Sainz Feuer fing und damit für die Schrecksekunde des Rennens sorgte, stieß dem Ferrari-Chef sauer auf. „Carlos ist auch super gefahren, dann kam ein Moment, an dem wir wirklich Angst hatten wegen des Feuers. Wir müssen uns das Auto und den Motor anschauen. Ich bin enttäuscht, es hätte ein Doppelsieg werden können.“

Gaspedal sorgt für Angstzustände

Dabei hätte Leclercs Wagen dem Team beinahe noch die Suppe versalzen, denn in der Schlussphase des Rennens hatte der Monegasse massive Probleme mit dem Gaspedal. „Das Pedal ist bei 20 oder 30 Prozent Leistung beim Langsamerwerden stecken geblieben. Ich habe gebremst, aber das Auto hat weiter Gas gegeben. Es war also ziemlich tückisch“, sagte der 24-Jährige, „aber wir haben es geschafft, dass es nicht schlimmer geworden ist. Daher bin ich sehr glücklich.“

Doch der Red Bull von Verstappen, der am Freitag und Samstag in Qualifying und Sprint noch die Nase vorne gehabt hatte, war an diesem Tag zu schwach. Da half auch der Rückenwind der vielen tausend niederländischen Fans nichts. „Ich habe mich so gefürchtet“, rief der Monegasse nach der Zieldurchfahrt auch erleichtert in den Boxenfunk. Denn die Flaute und die Pannen der vergangenen Rennen hätten an seinen Nerven gezehrt, so Leclerc: „Du führst und immer wieder passiert etwas unerwartet. Da kam eine Menge zusammen. Deshalb ist dieser Sieg so großartig.“

Verstappens Hoffnung stirbt früh

Verstappen hatte derweil schon früh im Rennen einsehen müssen, dass er diesmal im Kampf um den Sieg die schlechteren Karten hat. Nur den ersten Angriff Leclercs wenige Runden nach dem Start konnte der Niederländer zur Freude seiner Fans abwehren. Doch schon da schwante dem Titelverteidiger Übles. „Ich kann ihn nicht mehr lange hinter mir halten“, richtete Verstappen der Box aus – und musste wenig später den Ferrari ziehen lassen.

Das Spiel wiederholte sich auch nach den Boxenstopps. Zwar übernahm der WM-Spitzenreiter wieder kurzfristig die Führung, doch Leclerc reduzierte den Rückstand jeweils im Eiltempo und schob sich erneut souverän an Verstappen vorbei. „Ich habe ein schweres Rennen erwartet, aber nicht, dass es so schwierig sein würde“, sagte der 24-Jährige, der mit keinem Reifensatz auf Touren kam: „Wir hatten viel zu viel Reifenverschleiß.“

Wochenende „trotzdem gut“

Trotz seiner ersten Niederlage in Spielberg nach drei Siegen in Folge – Grand Prix von Österreich und der Steiermark 2021 und den Sprint am Samstag – zog Verstappen eine zufriedene Bilanz nach dem elften von 22 Saisonrennen. „An einem schlechten Tag nur fünf Punkte im Vergleich zum gesamten Wochenende zu verlieren, ist trotzdem gut“, sagte der Niederländer, der inklusive Sprint und Rennen 27 von 34 möglichen Zählern in Spielberg holte.

RedBull-Pilot Max Verstappen und holländische Fans im Hintergrund
GEPA/Mario Buehner
Die niederländischen Fans ließen es für ihren Liebling auch nach dem zweiten Platz gehörig rauchen

Einzig, dass seine Landsleute auf den Rängen am Sonntag um ihre Party umfielen, tat dem Weltmeister leid: „Schade, dass ich ihnen keinen Sieg schenken konnte.“ Die nächste Chance, die „Orange Army“ zu verzücken, hat Verstappen in zwei Wochen beim Grand Prix von Frankreich in Le Castellet, wo er – so wie in der Steiermark – im Vorjahr als strahlender Sieger vom Podest lachte.

Schumacher junior Fahrer des Tages

Apropos strahlender Sieger: Als heimliche durften sich sowohl der Drittplatzierte Lewis Hamilton als auch der Deutsche Mick Schumacher freuen. Hamilton konnte zwar in den Kampf um den Sieg nie eingreifen („Ich habe die Zwei an der Spitze nur auf den großen Bildschirmen gesehen und mich fast wie ein Fan gefühlt“), rehabilitierte sich mit dem Stockerlplatz aber für seinen Crash im Qualifying: „Wir hatten ja nicht das tollste Wochenende, aber es hat doch richtig geendet“, sagte der Engländer und dankt vor allem seinen Mechanikern, die sein Auto wieder zusammengeflickt hatten.

Schumacher junior durfte sich 19 Jahre nach dem Sieg seines Vaters Michael ebenfalls über eine Sternstunde seiner Karriere freuen. Eine Woche nach seinen ersten WM-Punkten pilotierte der 23-jährige Sohn des siebenfachen Weltmeisters seinen Haas auf den sechsten Platz und damit zum bisher besten Ergebnis seiner Karriere. „Wir haben einen Lauf“, scherzte der Deutsche, nachdem er zum zweiten Mal hintereinander in die Punkteränge gefahren war und für seine Vorstellung zum Fahrer des Tages gewählt wurde. Der achte Platz in Silverstone hätte den Knopf gelöst, so Schumacher: „Es ist derzeit sehr spaßig und lehrreich für mich.“