Training der ÖFB-Spielerinnen
AP/Alessandra Tarantino
Fußball-EM

Stunde der Wahrheit für Österreichs Team

Es ist angerichtet: Am Freitag (21.00 Uhr, live in ORF1) trifft Österreichs Nationalteam bei der Fußball-EM 2022 in Brighton im Kampf um den Aufstieg ins Viertelfinale auf Norwegen. Ins von Anfang an anvisierte „Endspiel“ geht die Auswahl von Teamchefin Irene Fuhrmann mit der besseren Ausgangslage, reicht doch schon ein Punkt. Zwar wird vor Norwegen weiter gewarnt, das Vertrauen in die eigenen Stärken ist aber zumindest gleich groß.

Die Rechnung ist einfach: Verliert Österreich nicht, steht man bei der zweiten Teilnahme zum zweiten Mal in Folge unter den besten Acht in Europa. Norwegen braucht zwingend einen Sieg, um hinter dem Sieger der Gruppe A (England trifft parallel auf Nordirland, live in ORF Sport +) ins Viertelfinale weiterzukommen. Dort wartet bereits Österreichs „Lieblingsgegner“ Deutschland – jede weitere Motivation überflüssig. Die Ausgangslage ist deswegen eine gute, weil dem ÖFB-Team das Verteidigen auch dieser Tage mehr liegt als das Toreschießen. In insgesamt sieben EM-Spielen kassierte Österreich erst zwei Gegentore.

Doch es wartet immerhin die Nummer elf der Welt auf das zehn Ränge dahinter klassierte ÖFB-Team. In fünf Duellen gelang bisher ein Remis. „Insofern sind die Rollen ganz klar verteilt, aber das ist auch das, was uns wieder liegt. In dieses Spiel zu gehen, den Gegner zu fordern und ärgern. Es wäre einfach schön, wenn es nicht das letzte wäre“, sagte Fuhrmann am Donnerstag. Dass Norwegen zuletzt mit sage und schreibe 0:8 gegen England verlor, wird mehr als Warnung verstanden. „Ein verwundetes Tier ist ein gefährliches Tier“, so Fuhrmann, die vor allem auf die Offensivabteilung um Ada Hegerberg verwies.

Österreich peilt EM-Viertelfinale an

Auch wenn der Respekt groß ist vor Norwegen: Österreichs Frauen-Fußballnationalteam will am Freitag bei der Fußballeuropameisterschaft in England ins Viertelfinale einziehen.

„Dürfen uns auf Sturmlauf einstellen“

Vor den Augen von über 10.000 angekündigten Zuschauerinnen und Zuschauern geht es nicht nur um 205.000 Euro Aufstiegsprämie für den Verband, sondern vor allem für das Team um die Verlängerung des EM-Abenteuers. Vor fünf Jahren schafften es die Österreicherinnen bei der Premiere gar ins Halbfinale, 2022 wollen die Protagonistinnen in der berühmten Urlaubs- und Universitätsstadt Brighton nachlegen.

Graffitiwand vor dem Brighton and Hove Community Stadium in Brighton
ORF.at/Bernhard Kastler
Das Stadion liegt gegenüber der University of Sussex in Falmer, auf Kultur wird auch nicht vergessen

Gespielt wird im erst elf Jahre alten und 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer fassenden Community Stadium, das rund zehn Kilometer entfernt vom größten und bekanntesten Seebad Großbritanniens in Falmer liegt. „Cooles Stadion“, lautete der Tenor über die schon mit Architekturpreisen ausgezeichnete Arena mit dem geschwungenen Dach. Das gilt für alle bisherigen Schauplätze – man hat Lust auf mehr.

Fußball-EM, Gruppe A

Beginn 21.00 Uhr (live in ORF1)

Österreich – Norwegen

Brighton, Brighton & Hove Community Stadium, SR Kateryna Monzul/UKR

Österreich: Zinsberger; Wienroither, Wenniger, Schnaderbeck, Hanshaw; Puntigam; Hickelsberger-Füller, Zadrazil, Feiersinger, Dunst; Billa

Norwegen: Pettersen; Hansen, Bergsvand, Mjelde, Blakstad; Maanum, Syrstad Engen; Eikeland, Graham Hansen, Reiten; Hegerberg

Weiters: Nordirland – England (21.00, live in ORF Sport +)

Die Vorberichterstattung beginnt bereits um 18.45 Uhr mit der Sendung „Heimspiel“.

Diesbezüglich müssen sich Fuhrmanns Frauen wohl auch auf gereizte Norwegerinnen einstellen. „Sie haben Weltklasse in der Offensive, und eigentlich eine kompakte Defensive. Sie wollen das (0:8) praktisch ungeschehen machen, da dürfen wir uns auf einen Sturmlauf in den ersten Minuten einstellen“, warnte die Teamchefin, die wie viele andere über das England-Spiel rätseln. „Ich glaube, dass da vom Kopf her ganz viel schiefgegangen ist“, vermutete Fuhrmann zuletzt.

Vertrauen in defensive Stärke

Ada Hegerberg, die 2017 wegen Differenzen mit dem Verband aufgrund ungleicher Bezahlung aus dem Team zurückgetreten war und nach Besserung zurückkehrte, hat bei dieser EM noch nicht getroffen. Die Champions-League-Siegerin von Olympique Lyon ist aber nicht alleine am Werk, da gibt es noch Caroline Hansen, Ingrid Engen (beide Barcelona) und Guro Reiten (Chelsea). Sarah Zadrazil plauschte kurz mit Hegerberg vor dem Abschlusstraining, es ging vor allem um die Duelle in der Champions League, „aber nicht um morgen“.

Auf Freitag angesprochen betonte Zadrazil jedoch: „Wir haben gezeigt, dass wir defensiv sehr gut stehen und enorme Qualität haben. Dementsprechend gehen wir auch mit Selbstvertrauen in die Partie.“

Die ebenfalls erfahrene, aber nach einem Schien- und Wadenbeinbruch dieses Mal als Ergänzungsspielerin fungierende Virginia Kirchberger fügte hinzu: „Es hat uns schon immer ausgezeichnet, dass wir im Kollektiv extrem gut verteidigen und Gegner mit Pressing vor Probleme stellen. Wenn wir ordentlich arbeiten, muss man uns erst einmal ein Tor schießen.“

Training der ÖFB-Spielerinnen
ORF.at/Bernhard Kastler
Zadrazil (weiß) bleibt, Hegerberg (rot) geht – ein ÖFB-Wunschszenario für den weiteren EM-Verlauf

„Teamgeist unübertroffen“

Dass es am österreichischen Teamgeist nicht scheitern wird, ist für jeden Beobachter und jede Beobachterin ohnehin klar, zur Sicherheit steht es aber auf vielen Werbetafeln mit dem Gesicht von Zadrazil. „Our spirit is unrivalled“, „unser Teamgeist ist unübertroffen“. Das hat man auch vor dem Training gesehen, als sich Zadrazil mit der nach einer CoV-Infektion zurückgekehrten Laura Wienroither Späße lieferte. Die Rechtsverteidigerin sollte laut Fuhrmann wieder spielen können.

Plakat von Sarah Zadrazil in Brighton
ORF.at/Bernhard Kastler

Norwegen hält freilich dagegen, verspricht „Comeback“-Qualitäten. „Wir sind in der Vergangenheit nach Rückschlägen zurückgekommen. Wenn es einem Team gelingt, eine Reaktion zu zeigen, dann ist es diese Gruppe an Spielerinnen. Wir sind ein starkes Team mit einem großartigen Spirit“, betonte Teamchef Martin Sjögren, der in der stolzen Frauen-Fußballnation angezählt ist. „Das Gute ist, dass wir weiter alles in unserer Hand haben. Wir haben eine gute Chance.“

„Wir gehen in das Spiel, um es zu gewinnen“

Ein Unentschieden reicht den Österreicherinnen zwar schon, aber das ist nicht das Ziel. „Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen. Auf ein 0:0 kann man sich nicht verlassen“, betonte Fuhrmann. Das Problem: In der Offensive hakt es. Gegen Nordirland war das vor allem im letzten Drittel wieder offensichtlich. „Da müssen wir einfach effizienter sein, was den letzten Pass betrifft.“ Topstürmerin Nicole Billa hängt bei dieser EM offensiv in der Luft, während sie viel Arbeit verrichtet.

„Sie kriegt die Bälle nicht, weil wir sie nicht einsetzen. Die Situation ist für sie nicht angenehm“, weiß Fuhrmann. „Aber es können auch andere Tore erzielen, das müssen wir ausnützen, wenn sie gut gedeckt ist.“

Barbara Dunst oder Julia Hickelsberger-Füller wären auf den Außenpositionen Kandidatinnen. Die Torschützin zum 2:0 gegen Nordirland, Katharina Naschweng, fehlt CoV-positiv. Zuletzt wurde im TV-Studium aufgezeigt, „woran es hapert“. Doch man gibt sich optimistisch. „Wenn wir wieder am Limit performen können und möglichst fehlerfrei sind, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir nicht nur offensiv Nadelstiche setzen können, sondern ihnen auch im Pressing wehtun können“, so Fuhrmann. „Wir werden Ballbesitzphasen haben, wenn wir mutig sind.“ Mutig auftreten ist der rote ÖFB-Faden, der nicht abreißen soll.