Fußball-EM

Österreich zieht wieder ins Viertelfinale ein

Österreichs Nationalteam hat es schon wieder getan: Die Auswahl steht bei der Fußballeuropameisterschaft 2022 in England wie schon vor fünf Jahren zumindest im Viertelfinale. Das ÖFB-Team besiegte Norwegen im letzten Gruppenspiel vor 12.667 Zuschauerinnen und Zuschauern am Freitag in Brighton mit 1:0 (1:0) und folgte England (5:0 gegen Nordirland) in die K.-o.-Phase. Auf Irene Fuhrmanns Frauen wartet am Donnerstag (21.00 Uhr, live in ORF1) in der Runde der letzten acht nun der österreichische „Lieblingsgegner“: Deutschland.

Österreich hätte schon ein Remis gegen die Skandinavierinnen gereicht, aber eine nahezu perfekte erste Spielhälfte führte das ÖFB-Team auf die Siegerstraße. Defensiv ließ Österreichs Routine nichts zu und offensiv näherte man sich der Führung: Laura Feiersinger hatte noch mit einem Lattenschuss Pech (12.), nach einer Flanke von Verena Hanshaw traf Nicole Billa per Kopf zur verdienten Führung (37.) – ihr erstes EM-Tor hätte nicht zu einem besseren Zeitpunkt fallen können.

Der erste Sieg gegen Norwegen im sechsten Vergleich war nach der Pause lange Zeit kaum in Gefahr. „Joker“ Lisa Makas hätte ihn fast sicherstellen müssen (72.), Norwegen wurde erst im Finish wirklich gefährlich. Und da kam Österreichs Nummer eins ins Spiel, Manuela Zinsberger wehrte zweimal bravourös ab. Als Belohnung gibt es nicht nur 205.000 Euro für den Verband, sondern auch das Duell mit Deutschland in Brentford. „Wir bleiben da“, wurde zu recht skandiert.

Highlights von Österreich – Norwegen

Österreich besiegt Norwegen zum Abschluss der EM-Gruppenphase in England mit 1:0 und steht damit als Gruppenzweiter wie 2017 im Viertelfinale.

Einer musste in Brighton baden gehen

Die Ausgangslage vor dem Spiel war klar: Ein Team würde im allseits beliebten englischen Urlaubsort Brighton baden gehen. Österreich reichte nach dem norwegischen 0:8 gegen England ein Remis zum Aufstieg. Brighton & Hove, wie sich der Küstenstadtkreis mit dem größten Seebad Großbritanniens nennt, ist auch Universitätsstadt.

Dieser Tage sah man viele Absolventinnen, das ÖFB-Team hoffte unterdessen auch, eine Art Reifeprüfung zu bestehen. Denn man ging mit der besseren Ausgangslage ins „Aufstiegsfinale“. Zudem konnte man auch unterstreichen, dass der Halbfinal-Einzug 2017 kein Zufall war.

Österreichische Fans am Strand von Brighton
ORF.at/Bernhard Kastler
Auch österreichische Fans genossen untertags die Sonne und das Meer im Seebad von Brighton

Die Situation vor dem Spiel noch spezieller machte das historische 0:8-Debakel der Norwegerinnen gegen England vier Tage zuvor. „Sicher kann so eine Niederlage Spuren hinterlassen, ich hoffe, dass sie noch darunter leiden“, sagte Irene Fuhrmann, warnte aber vor einem „verwundeten Tier, das gefährlich ist“. Die Teamchefin rechnete zu Beginn mit einem „Sturmlauf“ der gereizten, weil stolzen Frauen-Fußballnation, die 1987 und 1993 den Titel holte und aktuell eine der gefährlichsten Offensivreihen Europas rund um Ada Hegerberg hat.

Feiersinger und Wienroither zurück

Im Community Stadium, das nördlich von Brighton und Hove im beschaulichen Falmer gegenüber der Universität liegt, kehrten Laura Feiersinger und Laura Wienroither zurück in die Startelf. Erstere wurde beim 2:0-Pflichtsieg gegen Nordirland eine Hälfte lang geschont, Wienroither fehlte wie nun Katharina Naschenweng coronaviruspositiv. Marie-Therese Höbinger und Katharina Schiechtl nahmen wieder auf der Bank Platz, Norwegen änderte seine Startelf an insgesamt drei Positionen.

Die österreichische und norwegische Mannschaft vor dem Match in Brighton
ORF.at/Bernhard Kastler
12.667 wohnten dem „Aufstiegsfinale“ im Community Stadium in Brighton bei

Die Möwen, die dem hiesigen Premier-League-Club als Spitznamen („Seagulls“) dienen, sahen auf dem Feld vieles, aber keinen Sturmlauf der Skandinavierinnen. Vielmehr drückte Österreich dem Spiel bald den Stempel auf. Das mag daran gelegen haben, dass der Gegner eben noch an dem Debakel zu kiefeln hatte, in jedem Fall aber daran, dass die Österreicherinnen die Entfaltung nicht zuließen. Defensiv, wie man es erhoffen durfte, stand man sattelfest, doch das gesamte Team arbeitete geschlossen im Pressing und ließ einfach nichts aufkommen.

ÖFB-Team wieder im Lattenpech

Das ÖFB-Team wiederum hatte schon nach vier Minuten die erste Offensivaktion, als sich Billa rechts im Strafraum durchtankte und im Duell mit gleich zwei Norwegerinnen zu Fall kam. Zu wenig für Schiedsrichterin Kateryna Monzul aus der Ukraine, die im März 2021 als erste Frau ein ÖFB-Herren-Länderspiel geleitet hatte, und den Video Assistant Referee (VAR).

Die erste Hälfte war fast ein Beispiel für das Lehrbuch. Österreich war immer nah am Gegner, gewann die zweiten Bälle und hatte dadurch alles im Griff. Einzig Fortuna half noch nicht mit. Nach einem neuerlich gewonnenen zweiten Ball bekam Feiersinger am Sechzehner die Schusschance und zog zentral auf das Tor ab, Guro Pettersen flutschte der Ball durch die Hände und an die Latte. Barbara Dunst hatte gegen Nordirland auch schon Aluminium getroffen. Billa bekam bei der anschließenden Klärung das (hohe) Bein von Maren Mjelde an den Kopf, konnte aber nach kurzer Pause weiterspielen – glücklicherweise.

Feiersinger trifft Latte (12. Minute)

Österreich im Pech, ein Schuss geht ans Aluminium.

Und Norwegen? Im Zentrum ergab sich ab und an ein Ballgewinn, aber Österreichs Restverteidigung wies Hegerberg in die Schranken. Caroline Hansen kam über links einmal in den Sechzehner und zielte fast schon aus Verzweiflung ins Außennetz (16.). Vier Minuten später gab es eine EM-Premiere: Österreich kassierte in diesem Turnier die erste Gelbe Karte, Julia Hickelsberger-Füller schlug den Ball weg.

Billa köpfelt ihr erstes EM-Tor

Doch es gab keinen Grund zum Ärgern, die numerisch unterlegenen ÖFB-Fans überstimmten zudem die bald stillen Norwegen-Anhänger. „Immer wieder Österreich“ hallte es durch die Arena. Zu recht konnten die mitgereisten Schlachtenbummler stolz auf ihr Team sein, das den Gegner vom Tor weghielt und in der eigenen Hälfte beschäftigte. Dort tat sich das ÖFB-Team allerdings weiterhin schwer, klare Chancen herauszuspielen. Linksverteidigerin Hanshaw versuchte es daher aus der Distanz, aber gleich zwei Versuche waren harmlos (25./28.).

Im Laufe des Spieles verbesserten sich aber auch die Bemühungen in der Offensive. So wurde Billa über rechts freigespielt, mit der Wut ihrer bisherigen EM-Torausbeute (null) folgte eine scharfe Mischung aus Hereingabe und Abschluss, die Goalie Pettersen klärte (34.). Drei Minuten später sollte es aber so weit sein: Nach einem weiten Pass gewann Österreich wieder den zweiten Ball, Billa leitete weiter zu Feiersinger, die Hanshaw sah. Deren linker Fuß schlug eine Flanke aus der Kategorie „butterweich“ auf Billa, die frei rechts einköpfelte (37.).

Jubel von ÖFB-Torschützin Nicole Billa
GEPA/ZUMA Press/Sport Press Photo/Pedro Soares
Mit Fingerzeig ins Viertelfinale: Nicole Billa erzielte ihr erstes EM-Tor zu einem günstigen Zeitpunkt

Im mittlerweile achten Spiel gelang der deutschen Torschützenkönigin der Vorsaison ein Tor bei einer EM-Endrunde. Auf dem Feld, auf der Bank, auf der Tribüne wurde gejubelt. „Oh, wie ist das schön“, sangen die Fans. Und es war tatsächlich schön, wie der Plan an diesem lauen Abend aus österreichischer Sicht funktionierte. Kapitänin Viktoria Schnaderbeck und Carina Wenniger ließen hinten genau gar nichts zu, es gab keinen Schuss auf das Tor von ÖFB-Goalie Manuela Zinsberger. Die erste Hälfte wurde gefeiert, die Ersatzspielerinnen klatschten mit jeder einzelnen Spielerin aus der Startelf ab – gelebter Teamgeist.

Österreich lässt weiter nichts anbrennen

Auch nach der Pause änderte sich am Bild vorerst wenig. Österreich hatte das Spiel weiter im Griff, aber im Wissen, dass Norwegen nun schon zwei Tore benötigt, lief man nicht ins offene Messer. Die Fuhrmann-Elf verwaltete gut, ließ den Gegner kommen, aber 20 Meter vor dem Tor war Endstation. Selbst setzte man die viel zitierten Nadelstiche, Hickelsberger-Füller probierte es nach der Pause (50.).

Norwegen kam in der zweiten Hälfte in Phasen, in denen es Österreich schon auch zumindest ein bisschen unter Druck setzen konnte. Aber das 0:8 gegen England dürfte tatsächlich einen Knacks hinterlassen haben, bei Hegerberg und Co. fehlte einfach die Überzeugung. Die Starspielerin von Champions-League-Gewinner Olympique Lyon setzte einen Schuss mit Raum und Zeit weit neben das Tor von Zinsberger.

Makas vergibt Matchball, Zinsberger hält die Null

Österreich kam nach einer Stunde wieder auf, zwang auch die Defensive zu Fehlern, doch Dunst und Billa konnten daraus zu wenig Kapital schlagen, ihre Abschlüsse kamen zu zentral auf das Tor (62./63.). Hickelsberger-Füller versuchte es auf ähnliche Weise (69.). Letztere machte drei Minuten später für Lisa Makas Platz, die noch in der gleichen Minute später die große Chance zur Entscheidung hatte, doch ihren Abschluss lenkte Pettersen irgendwie noch ins Aus (72.).

Makas vergibt die Riesenchance (72. Minute)

Der Ball geht doch noch ins Aus.

Wieder kam es zu einer halben Druckphase der Norwegerinnen, wirklich eine Chance ergab sich vorerst nicht. Am Ende brachte dann Fuhrmann auch Marina Georgieva und stellte auf Fünferkette um. In den letzten Minuten wurde Norwegen tatsächlich gefährlich, doch Österreichs Team hat auch eine sattelfeste Nummer eins. Zinsberger wehrte einen Schuss von Celin Ildhusoy an die Latte (89.) ab, außerdem parierte sie gegen Hegerberg. Österreich steht verdient im EM-Viertelfinale, ist bei der zweiten Teilnahme zum zweiten Mal unter den besten Acht Europas. Dieses Team ist kein One-Hit-Wonder.

Stimmen zum Spiel:

Irene Fuhrmann (ÖFB-Teamchefin): „Wir sind überglücklich, diesen Aufstieg geschafft zu haben, es war vor allem in der ersten Hälfte eine fantastische Leistung. In der zweiten Hälfte haben die Kräfte ein bisschen nachgelassen und Norwegen hatte auch Chancen, aber wir haben unseren Kasten sauber gehalten. Wir haben es uns hart erarbeitet und freuen uns auf das Duell mit Deutschland.“

„Wir hatten im gesamten Spiel eine gute Balance. Es ist noch etwas unrealistisch, es geschafft zu haben. Wir wissen, dass Deutschland eine Übermacht ist und derzeit extrem performt. Ich finde für diese Leistung gar keine Worte, und dass wir in dieser schweren Gruppe tatsächlich das Viertelfinale erreicht haben. Die gesamte Reise bis hierher war schon ein wundervolles Erlebnis.“

Nicole Billa (ÖFB-Torschützin): „Wahnsinn, ich kann es noch nicht ganz glauben. Wir haben alles investiert, was wir gehabt haben, es ist geil. Wir wollten nicht auf ein Unentschieden spielen, sondern auf einen Sieg, und das hat man phasenweise sehr gut gesehen. Unser Teamgeist steht über allem, das haben wir heute wieder bewiesen.“

Manuela Zinsberger (ÖFB-Torfrau): „Für uns war es wichtig, kompakt zu sein. Es war eine unglaubliche Teamleistung. Die Balance war da, wir sind vorne draufgegangen, waren aktiv. Ich glaube, so flexibel haben wir noch nie gespielt. Wir haben schon mehrfach bewiesen, was wir drauf haben. Mit uns haben nicht viele im Viertelfinale gerechnet. Jetzt haben wir bewiesen, dass wir zurecht dort stehen.“

Martin Sjögren (Norwegen-Teamchef): „Wir haben hart für unser gemeinsames Ziel gearbeitet, am Ende muss ich die Verantwortung übernehmen. Die Niederlage gegen England war noch in der Luft, wir sind ja keine Roboter. Wir haben in der zweiten Hälfte alles versucht, waren aber nicht gut genug, vor allem im letzten Drittel. Wir fühlen uns alle sehr leer. Wir hatten höhere Ambitionen, wollten eine Medaille holen. Ich habe mit jeder Spielerin einzeln gesprochen, dann haben wir uns im Kreis noch versammelt. Es ist nicht die Zeit, um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Jeder muss auf sich selbst schauen und schauen, was er besser machen kann. Die Enttäuschung ist groß.“

UEFA Women’s Euro 2022, Gruppe A

Freitag:

Österreich – Norwegen 1:0 (1:0)

Brighton, Brighton & Hove Community Stadium, 12.667, SR Kateryna Monzul (UKR)

Tor: Billa (37.)

Österreich: Zinsberger – Wienroither, Wenninger, Schnaderbeck, Hanshaw – Zadrazil, Puntigam, Feiersinger – Hickelsberger-Füller (72./Makas), Billa (88./Georgieva), Dunst

Norwegen: Pettersen – T. Hansen, Mjelde, Bergsvand, Blakstad (82./Haug) – Maanum (86./Bö Risa), Syrstad Engen – Eikeland (65./Bizet), Graham Hansen, Reiten – Hegerberg

Gelbe Karten: Hickelsberger-Füller, Wenninger