In der Vorrundengruppe B agierte das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg souverän. Mit einem 4:0 über Dänemark, einem 2:0 gegen Spanien und dem abschließenden 3:0-Sieg qualifizierte sich Deutschland ohne Punkteverlust und Gegentor als Gruppensieger für die K.-o.-Runde. Zwar zeigte sich Teamchefin Voss-Tecklenburg etwas überrascht („Wenn jemand vorher darauf gewettet hätte, hätte er viel Geld damit verdient“), ihr Team präsentierte sich jedoch so, wie man es von einer deutschen Auswahl bei Turnieren gewohnt ist.
Denn die deutschen Fußballerinnen gehören seit Jahrzehnten zur Creme de la Creme auf der internationalen Bühne. Neben den USA ist Deutschland die erfolgreichste Nation der Geschichte. In Europa war Deutschland jahrelang das Maß der Dinge, zu dem andere große Fußballnationen wie England und Frankreich erst langsam aufschlossen. Bei den bisher zwölf Europameisterschaften holten sich die Deutschen achtmal den Titel. Von 1995 bis 2013 hatte Deutschland ein Abo auf den Pokal. Dazu kommen zwei WM-Titel und der Olympiasieg in Rio de Janeiro 2016.

Die Erfolge der deutschen Fußballerinnen sind untrennbar mit Namen wie jenen der Trainerinnen Tina Theune und Silvia Neid und der Spielerinnen Birgit Prinz, Nadine Angerer und Steffi Jones verbunden. Torjägerin Prinz stellte mit ihrer Ausbeute in ihrer aktiven Zeit sogar den im Vorjahr verstorbenen „Bomber der Nation“ Gerd Müller in den Schatten. Ihre 128 Tore in 214 Länderspielen sind in Europa unerreicht. Die 44-Jährige darf sich sowohl bei WM als auch bei EM als Finaltorschützin bezeichnen.
TV-Hinweis
ORF1 überträgt das Viertelfinale Österreich – Deutschland (Donnerstag, 21.00 Uhr) live in ORF1 und im Livestream.
Viertelfinale „kein Spaziergang“
Zumindest für die aktuelle Teamchefin Voss-Tecklenburg ist das jedoch Schnee von gestern. Aktuell kreisen die Gedanken der ehemaligen Mittelfeldspielerin nur um das Duell mit Österreich. Voss-Tecklenburgs Respekt vor den Nachbarinnen ist groß, der Aufstieg der Österreicherinnen für die Deutsche kein Zufall. „Ich finde es total verdient, dass sie weitergekommen sind. Das ist kein Zufall, es wird kein Spaziergang in irgendeine Richtung“, sagte die 54-Jährige nach dem letzten Gruppenspiel gegen Finnland.
Die Leistungen der Österreicherinnen in der Vorrunde – ein knappes 0:1 gegen die Gastgeberinnen aus England und ein 2:0- und 1:0-Sieg über Nordirland bzw. Norwegen – wären Warnung genug, so die deutsche Bundestrainerin: „Wir denken überhaupt nicht daran, was danach ist. Es ist jetzt Österreich, eine Herausforderung, die wir annehmen wollen. Und wir tun gut daran, uns ganz seriös auf den Gegner vorzubereiten, mit allem, was dazugehört.“

Vor allem der Zusammenhalt sei die große Stärke des rot-weiß-roten Teams, so Voss-Tecklenburg: „Der Spirit, der schon 2017 absolut zu spüren war, den zeichnet das Team aus. Es ist ein eingeschworener Haufen. Sie wissen, was sie zu tun haben, sind taktisch gut eingestellt, geben alles und glauben an sich, da gibt es ein bisschen vielleicht eine Parallelität zu uns“, analysierte die deutsche Trainerin den Kader ihrer Kollegin Fuhrmann durchwegs positiv. Eine Gemeinsamkeit ist auch die bisher solide Defensive, die im Viertelfinale da wie dort auf dem Prüfstand stehen wird.
Duell zwischen Freundinnen
Überraschen wird aber weder die eine noch die andere Teamchefin ihre Gegnerin. Dafür kennen sich die Spielerinnen auf beiden Seiten zu gut. Denn gleich 14 Österreicherinnen im aktuellen Kader verdienen ihr Geld in der deutschen Bundesliga, Stammspielerinnen wie Torfrau Manuela Zinsberger und Kapitänin Viktoria Schnaderbeck haben ebenfalls lange Engagements bei den Nachbarinnen im Lebenslauf. „Das ist ein Statement für die Liga, weil dort auch viele Österreicherinnen spielen“, sagte daher auch die deutsche Bundestrainerin.
Ausblick auf das Viertelfinale
ORF-Expertin Elisabeth Tieber über das bevorstehende Duell zwischen Österreich und Deutschland
Anders als bei so vielen Gelegenheiten in der Vergangenheit bei den Männern ist der Zugang bei den Frauen ein freundschaftlicher. So fand es etwa DFB-Spielerin Nicole Anyomi „cool, gegen Freundinnen zu spielen“. Österreichs und Hoffenheims Torjägerin Nicole Billa, die sowohl in der Heimat als auch in Deutschland zur Spielerin des Jahres gekürt wurde, bezeichnete es als „immer cool“, gegen die Nachbarinnen zu spielen. „Irrsinnige Vorfreude“ herrscht auch bei ÖFB-Verteidigerin Verena Hanshaw von Eintracht Frankfurt: „Man kann ein geiles Spiel erwarten.“
Überschaubare Statistik
Anders als auf Liga- sind die Erfahrungswerte auf Länderspielebene zwischen österreichischen und deutschen Fußballerinnen überschaubar. Denn erst zweimal trafen ÖFB- und DFB-Team aufeinander, beide Male wurde in Deutschland gespielt, beide Male setzten sich auch die Gastgeberinnen durch. Doch die Österreicherinnen waren in beiden Partien gegen die Großmacht nicht chancenlos.

Beim ersten Duell 2016 in Regensburg machten die Österreicherinnen zwar dank Nina Burger und Laura Feiersinger einen 0:2-Rückstand wett, mussten sich am Ende aber 2:4 geschlagen geben. Im bisher letzten Aufeinandertreffen feierten die achtfachen Europameisterinnen einen 3:1-Erfolg. Billa hatte in Essen zwischenzeitlich zum 1:1 getroffen.
Im ersten Pflichtspiel zwischen den beiden Ländern wollen die Österreicherinnen aber den Spieß umdrehen. Auch wenn Deutschland als klarer Favorit in die Partie geht. „Sie spielen sehr stark, sind für mich mit eine der stärksten Mannschaften in diesem Turnier, auch physisch extrem stark. Da sind die Rollen ganz klar verteilt. Aber wir treten an, um weiterzukommen“, sagte Kapitänin Schnaderbeck. Dass Statistiken da sind, um sie zu verbessern, bewies das Spiel gegen Norwegen: Auch das 1:0 war der erste Sieg gegen die Skandinavierinnen – und das genau zum richtigen Zeitpunkt.