Irene Fuhrmann
GEPA/Michael Zemanek
Fußball-EM

Fuhrmann überzeugt auch als „Frontfrau“

Mit dem Aufstieg ins Viertelfinale der Fußballeuropameisterschaft hat Irene Fuhrmann ihren bisher größten Erfolg als Teamchefin des österreichischen Nationalteams gefeiert. Seit zwei Jahren ist die 41-jährige Wienerin als erste Frau überhaupt ÖFB-Teamchefin, beim Halbfinal-Einzug 2017 war sie schon als Assistentin dabei. In der Amtszeit der Spätzünderin fand dank ihrer Managementqualitäten zudem eine sehenswerte Weiterentwicklung statt.

Die Spielerinnen stehen nicht nur wegen ihrer Leistungen auf dem Platz im Mittelpunkt, mit ihren Jubel- und Tanzeinlagen nach den Partien sorgen sie auch für Schlagzeilen. Wenn ihre Presskonferenzen „gecrasht“ werden, klatscht Fuhrmann mit und lässt die Spielerinnen so sein, wie sie eben sind. Ihre Emotionen hält sie weitgehend zurück. „Es geht nicht um mich“, so ihr Credo, dem sie konsequent treu bleibt.

Dabei trägt sie die Hauptverantwortung und hat einen „verrückten Haufen“ (Verena Hanshaw), der „nicht immer pflegeleicht ist“ (Nicole Billa), wie 2017 ins Viertelfinale einer Fußball-EM geführt. „Du hörst nie auf, dich selbst zu entwickeln“, sagte sie im Mai im Interview mit ORF.at. In diesem verriet sie auch eine Erkenntnis in der Vorbereitung auf die Endrunde. „Ich musste lernen, Dinge abzugeben.“ Der Erfolg ist das Ergebnis großen Teamworks, deren erfolgreiche Managerin sie ist.

Irene Fuhrmann
Reuters/Peter Cziborra
Fuhrmann ließ nach dem Aufstieg ins Viertelfinale nur kurz ihren Emotionen freien Lauf

Der Weg zum Job als erste Teamchefin war naturgemäß besonders. Fuhrmann wuchs in Wien-Penzing auf, ihre Liebe zum runden Leder hat sie auch ihren Brüdern zu verdanken, mit denen sie in Fußballkäfigen spielte – oder alleine. „Ich habe mich früher oft selbst mit dem Ball beschäftigt. Wir hatten einen Hof, wo wir bei den Nachbarn die Fenster haben einschießen können“, erzählte Fuhrmann. Sie kickte gerne, wählte in der Schule auch das Freifach Fußball, wo sie sich von einem Lehrer aber auch anhören musste: „Ich glaube, du bist da falsch.“

Früh im Käfig, erst spät im Verein

Eine Professorin auf der Schmelz, wo das Universitätssportinstitut Wien ihren Sitz hat, hatte mehr Weitsicht und empfahl der 19-Jährigen, sich einem Verein anzuschließen. Es folgten zwei Meisterschaften, drei Cupsiege und 22 Länderspiele für Österreich. „Ich war acht Jahre lang aktiv, aber das war Amateursport, ein reines Hobby.“ An eine Karriere im Fußball, womit sie Geld verdienen würde, dachte sie damals nicht.

Irene Fuhrmann bei EM-Qualifikation, Österreich – Armenien
GEPA/Walter Luger
22 Länderspiele absolvierte Fuhrmann für Österreich, nun hat sie schon 24 gecoacht

Ihr Berufswunsch war zunächst offen, wie sie in der ORF-Sendung „Alfred Dorfer trifft…“ verriet, nur unabhängig wollte sie sein, auch um das Schicksal ihrer Mutter zu vermeiden. Der Vater, ein Zahnarzt, hatte die Familie verlassen, als die Tochter zwölf Jahre alt war. Sie wollte Lehrerin werden, Sport und Biologie unterrichten. „Ich hatte nie am Schirm, dass ich hauptberuflich als Trainerin arbeiten würde. Es war nie ein Karriereziel. Es gab keine Hauptberuflichkeit, es war einfach nicht greifbar“, so Fuhrmann. Letztlich blieb sie aber ihrer Leidenschaft treu und absolvierte neben dem Lehramt die Trainerinnenausbildung, am Ende sicherte sie sich als erste heimische Frau die UEFA-Pro-Lizenz.

Gefördert und gefordert

Das fiel dem damaligen und 2011 verstorbenen ÖFB-Teamchef der Frauen, Ernst Weber, auf. „Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, seine Assistentin zu werden.“ Fuhrmann sagte ja und startete auf Honorarnotenbasis. „Ernst hat mir alle Türen geöffnet, hat mich gefördert“, erzählte Fuhrmann in der NV-Arena in St. Pölten, wo 2011 das Nationale Frauenfußballzentrum eröffnet wurde. Dort wollte man freilich auch eine Frau als Trainerin einbinden, „viele gab es ja nicht“, blickte Fuhrmann zurück. Sie wurde U19-Teamchefin und später auch Assistentin von Dominik Thalhammer im Nationalteam, gemeinsam führten sie das Team in den Niederlanden sensationell ins Halbfinale.

2020 wechselte Thalhammer zum LASK und der Weg für Fuhrmann war frei. „Sie ist die beste Besetzung für das Frauen-Nationalteam“, sagte der damalige ÖFB-Präsident Leo Windtner. „Irene Fuhrmann ist mehr als die logische Nachfolgerin von Dominik Thalhammer.“ Die damals 39-Jährige stand nun in der ersten Reihe und war nach dem Beginn einer weltweiten Pandemie gefordert. Sie qualifizierte sich mit dem Team nicht nur für die EM, sondern darüber hinaus als erste Teamchefin auch für die WM-Play-offs und steht nun im EM-Viertelfinale. Das spricht vor allem für die Spielerinnen, die gesamte Umsetzung aber für Fuhrmann.

Lob für die Arbeit der Teamchefin

Im Moment des ganz großen Erfolgs hielt sie sich bewusst zurück und überließ ihren Spielerinnen die Bühne. Ein paar Gefühlsausbrüche in Form von Umarmungen, dann aber zurück zur gelebten Souveränität. Auf der Pressekonferenz in Brighton hätte man als Unwissender zunächst fast nicht erahnen können, welch fußballerischer Erfolg sich für Österreich hier wiederholt hatte. Zudem war die Art und Weise beim 1:0 gegen Norwegen herausragend, die davor von England durchgebeutelte Nummer elf der Welt wurde in Hälfte eins dominiert.

Das lag auch an der Akribie an der Seitenlinie. Der frühere Österreich-Legionär und heutige TV-Experte aus Norwegen, Jan-Age Fjörtoft, twitterte nach dem Spiel: „Man hat heute ein Team mit einem Plan gesehen, und eines ohne.“ ORF-TV-Expertin Nadine Prohaska, die 2017 in den Niederlanden noch aktiv war, sieht nicht nur eine Wiederholung des Erfolges („Auch damals haben wir schon gut verteidigt“), sondern „mit dem Ball ganz klar eine große Weiterentwicklung“.

Zusammenarbeit auf allen Ebenen

In Spielerinnenkreisen wird die Arbeit ebenfalls gelobt. Nicole Billa, die Matchwinnerin von Brighton, meinte: „Wir haben eine super Trainerin, die immer versucht, Spielerinnen einzubeziehen und individuell auch auf sie eingeht. Das ist wichtig, es gibt routinierte und jüngere Spielerinnen, man muss dem Trainerteam auch ein großes Kompliment machen. Wir sind nicht immer pflegeleicht, aber wir funktionieren.“

Carina Wenninger sieht die Qualitäten auch im Managen: „Irene hat ein super Trainerteam zusammengestellt, das sich sehr gut ergänzt, ganz unterschiedliche Typen. Sie hat uns ein Stück weit Freiheiten gelassen, vor allem im Offensivspiel. Wir haben uns weiterentwickelt.“

Freiheiten sind auch abseits des Platzes entscheidend. „Irene fordert von uns sehr viel Intensität im Training, was gut ist. In den Randphasen achtet sie aber sehr darauf, uns den Spaß und den nötigen Freiraum zu lassen. Abschalten zu können, ist ganz wichtig“, sagte Torfrau Manuela Zinsberger. Wenninger hob die gesamte Zusammenarbeit hervor: „Wir geben oftmals Feedback, wenn wir das Gefühl haben, da oder dort könnte im Training mehr Emotionalität sein, genauso gibt uns Irene Feedback, wenn von den Mädels wieder mehr kommen muss.“

„Wir spielen nicht nur für unseren Erfolg“

Mit dem Aufstieg ins Viertelfinale gelang Fuhrmann nach vielen Monaten der Vorbereitung der größte Erfolg ihrer Trainerkarriere – und das noch mit einer überzeugenden Leistung. In der größten Stunde ihrer Laufbahn vergaß sie aber nicht auf ihre wesentliche Botschaft.

„Wir spielen nicht nur für unseren Erfolg, sondern auch dafür, um viele kleine Mädchen für unseren Sport zu begeistern. Wir haben zu wenige Fußballerinnen in unserem Land, solche Events helfen dabei, auch Rolemodels zu etablieren, denen junge Spielerinnen nachstreben.“ Und auch die Teamchefin gehört längst zu diesen Rolemodels dazu.