Fußball-EM

Deutschland stoppt Österreichs Reise

Die beachtliche Reise des österreichischen Nationalteams bei der Fußball-EM 2022 in England ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Die Auswahl von Teamchefin Irene Fuhrmann musste sich im Viertelfinale Deutschland mit 0:2 (0:1) geschlagen geben. Das ÖFB-Team tappte dabei in eine Pressingfalle, hatte aber auch beim „Aluminiumfestival“ von Brentford Pech. Dieses Duell entschied man gegen die Deutschen nämlich mit 3:2.

Marina Georgieva, die für die angeschlagene Kapitänin Viktoria Schnaderbeck in der Innenverteidigung begann, traf zunächst per Kopf die Stange (13.). Danach bestraften die Deutschen das fehlerhafte Verhalten der Österreicherinnen beim Herausspielen eiskalt durch Lina Magull (25.). In der zweiten Hälfte traf Österreich noch zweimal Aluminium, allerdings auch Deutschland zweimal. Der Rekordsieger vergab die Vorentscheidung, am Ende nützte Alexandra Popp einen Fehler von Torfrau Manuela Zinsberger aus – beim Herausspielen (90.).

Es war letztlich ein verdienter Sieg, Deutschland war in den entscheidenden Kategorien besser und bleibt im Rennen um den Titel. Das Halbfinale steigt am Mittwoch (21.00 Uhr, live in ORF1) in Milton Keynes. Gegner sind entweder die Französinnen oder die Niederlande, die sich erst am Samstag in Rotherham matchen. Österreich verpasste zwar die zweite EM-Halbfinal-Teilnahme, ging aber erhobenen Hauptes vom Feld. „Jetzt ist der Moment bitter, aber wir können stolz auf unsere Reise sein“, sagte Fuhrmann in einer ersten Reaktion im ORF.

2:0 durch Alexandra Popp (90.)

Die Kapitänin springt genau in den Abschlag von Zinsberger und sorgt damit für die Entscheidung.

Buntes Brentford trägt auch Trauer

Deutschland gegen Österreich – das gab es im Frauen-Fußball noch nicht allzu oft, vor dieser Begegnung überhaupt erst zweimal, in aller Freundschaft gewann das DFB-Team jeweils 2016 und 2018. Das erste Pflichtspielduell fand nun in Brentford im Londoner Westen statt. In der kleinen, feinen, von der Autobahn, Zugsgleisen und Wohntürmen eingepferchten Arena trägt sonst der hiesige Fußballclub Brentford FC (Spitzname: „Die Bienen“) seine Heimspiele aus. 17.000 Menschen passen hinein, auch dieses Mal waren fast alle bunten Plätze besetzt.

Brentford Community Stadium in London
ORF.at/Bernhard Kastler
Über 16.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sorgten in Brentford für eine prächtige Stimmung

Für Deutschland hatte die Partie schon etwas Heimspielcharakter, war es doch die bereits dritte EM-Partie hier. Brentford ist nicht der einzige Schauplatz in London bei dieser Endrunde, das Finale geht im rund zehn Kilometer entfernten, nordöstlichen Wembley über die Bühne. Dort, wo einst Uwe Seeler mit Deutschland das legendäre WM-Finale 1966 gegen England („Wembley-Tor“) verlor. Die DFB- und HSV-Legende starb am Donnerstag im Alter von 85 Jahren, das Team trug deswegen Trauerflor. Zudem gab es vor Anpfiff eine Trauerminute, danach folgten „Uwe“-Sprechhöre von den deutschen Fans.

Schnaderbeck muss bei Zadrazil-Jubiläum passen

Fuhrmann bot fast dieselbe Startelf wie beim überzeugenden 1:0-Sieg gegen Norwegen auf, aber eben nur fast. Das „Knie der Nation“ hielt den Belastungen nicht mehr stand, nachdem Schnaderbeck im Kampf um den Aufstieg noch für 90 Minuten die Zähne zusammengebissen hatte. Die ÖFB-Kapitänin hatte seit Beginn der EM-Vorbereitung mit ihrem linken Knie zu kämpfen, dieses Mal nahm sie auf der Bank Platz. An ihrer Stelle startete dann Georgieva in der Innenverteidigung.

Zum 100. Mal für Österreich spielte Sarah Zadrazil. Die Salzburgerin stieg nach Sarah Puntigam (124), Ersatzkapitänin Carina Wenninger (120) und der ÖFB-Rekordtorschützin sowie ORF-TV-Expertin Nina Burger (109) in den erlauchten „100er-Club“ auf. „Das macht mich schon stolz“, sagte die 29-jährige Bayern-Legionärin, die in der Gruppenphase die zweitmeisten Kilometer aller Spielerinnen abgespult hatte. Die deutsche Aufstellung bot ebenfalls keine Überraschung.

„Herz gegen Herz“ titulierte ein deutscher Funktionär die Partie im Vorfeld, denn es trafen zwei Teams mit ausgeprägtem Teamgeist aufeinander. Österreich stand bei der Hymne Arm in Arm, Deutschland hielt sich die Hand. Fünf Minuten später wurde aus Herz Schmerz. Wie erwartet ging es intensiv zur Sache, das DFB-Team legte rasant los, aber die Österreicherinnen hielten dagegen, wie etwa Zadrazil im Zweikampf gegen Marina Hegering. Das ÖFB-Team überstand die gute Anfangsphase des Gegners ohne Schaden und orientierte sich vor.

Georgieva trifft als Erste Aluminium

Erst tankte sich Julia Hickelsberger-Füller rechts durch, doch ihr Abschluss war für Merle Frohms kein Problem. In derselben Minute kam auch Deutschland zu seiner ersten Chance, Popp knallte jedoch das Leder nach einem guten Angriff auf der rechten Seite über das Tor (9.). Georgieva, die als Neuling in der ÖFB-Elf gezielt unter Druck gesetzt wurde, rückte wenig später in den Mittelpunkt. Ein Corner von Verena Hanshaw fand ihren Kopf und der Ball die Stange (13.).

Kopfball an die Stange

Georgieva hat nach einem Eckball Pech, der Ball klatscht von der Stange zurück ins Feld.

Österreich spielte sich in die beste Phase dieser ersten Hälfte, hielt Deutschland weit weg vom eigenen Tor und führte harte Zweikämpfe. Einzig konnte man das nicht in zwingende Chancen aus dem Spiel heraus ummünzen. Es hat einen Grund, warum Deutschland in diesem Turnier noch kein Gegentor erhalten hatte. Auch Österreichs Abwehr präsentierte sich wacker, doch das sollte sich wenig später ändern.

Österreich tappt in Pressingfalle

Nachdem sich Deutschland aus den Fängen Österreichs wieder langsam befreien konnte, schnappte auch ihre Pressingfalle zu. Das ÖFB-Team spielte von hinten raus, Popp zwang Zinsberger zu einem schlechten Abschlag, der Ball kam prompt auf die rechte Abwehrseite zurück. Wenninger wurde von ihrer (früheren) Bayern-Teamkollegin Klara Bühl überrascht und verlor den Ball. Die legte im Sechzehner geschickt zurück, und Magull schob locker zur Führung ein (25.).

Torschuss von Lina Magull
Reuters/Peter Cziborra
Magull musste nach der österreichischen Fehlerkette nur noch fokussiert einschieben

Danach hatte Deutschland mit der Führung im Rücken wieder mehr vom Spiel, das nur kurz von einem Regenschauer begleitet worden war. Das Team von Martina Voss-Tecklenburg zeigte dabei seine offensiven Qualitäten über die Flanken, aber auch durch die Mitte.

Österreich brauchte nach dem erst dritten Gegentor bei einer EM überhaupt ein paar Minuten, um sich zu erfangen, kam auch wieder in die gefährliche Zone, blieb dort aber vorerst harmlos. Hickelsberger-Füller zündete wieder einmal den Turbo, übersah aber mit dem Blick nach unten Nicole Billa, die im Zentrum viel Platz hatte. Deutschland wurde noch durch Svenja Huth gefährlich, Zinsberger wehrte ab (43.).

Aluminium steht mehrfach im Mittelpunkt

Wie in der ersten Hälfte kam Deutschland wieder rasant aus der Kabine und hatte nach nur 15 Sekunden die Chance auf das 2:0. Dieses Mal traf Giulia Gwinn die linke Stange. Das Aluminium war hüben wie drüben in weiterer Folge der absolute Hauptdarsteller in der Partie, zum Leidwesen der Österreicherinnen, die den Ausgleich verpassten.

Schuss an die Latte von Dunst

Auch die Frankfurt-Legionärin hat mit einem gut angetragenen Schuss Pech und trifft nur die Querlatte.

Nach einem Fehlpass von Frohms zu Dunst nahm sich die Frankfurt-Legionärin wieder einmal ein Herz und versuchte es aus der Distanz. Ihr schöner Heber senkte sich wunderschön hinter Frohms, aber genau auf die Latte. Schon gegen Nordirland hatte sie auf diese Weise Pech (53.). Und vier Minuten später ließ Fortuna die Chance auf den nächsten Doppelpass mit Österreich wieder aus. Nach einer Ecke traf dann auch noch Puntigam im Nachschuss die linke Stange (57.).

Auch Puntigam trifft Aluminium

Der stramme Schuss der österreichischen Rekordspielerin findet zwar nicht in der deutschen Torfrau, aber neuerlich an der Stange seinen Meister.

Österreich hatte das Glück an diesem lauen Abend in Brentford nicht gepachtet, Deutschland übernahm wieder das Kommando und brachte die ersten frischen Kräfte von der Bank. „Joker“ Linda Dallmann setzte mit zwei Abschlüssen ihre ersten Duftmarken in diesem Spiel (69./73.). Danach bewahrte Zinsberger Österreich vor einem höheren Rückstand, als sie eine Flanke und dann einen Oberdorf-Schuss klärte (77./78.).

Popp macht Deckel drauf

Fuhrmann brachte Katharina Naschenweng, Marie-Therese Höbinger und auch noch Lisa Makas, warf also alles rein, was ging. Doch es sollte nicht mehr für den Ausgleich reichen. Im Gegenteil: Deutschland verkürzte durch einen sehenswerten Bühl-Schuss an die Latte bei den Aluminiumtreffern auf 2:3 (79.). Drei Minuten später hätte sie den Sack schon zumachen müssen, vergab aber frei stehend vor dem Tor (82.).

Das erledigte dann die Kapitänin Popp. Wieder spielte Österreich von hinten heraus, Popp blockte Zinsbergers Schuss ins Tor (90.) ab und traf damit auch im vierten Spiel bei dieser Endrunde. Ein letztlich aus ÖFB-Sicht unwürdiger Schlusspunkt für eine beachtliche Vorstellung der Österreicherinnen bei der zweiten EM-Teilnahme. Das Team ging erhobenen Hauptes vom Feld und wurde von den ÖFB-Fans gefeiert.

Stimmen zum Spiel:

Irene Fuhrmann (Teamchefin Österreich): „Die Enttäuschung ist natürlich groß. Mein Team hat ein Riesenspiel gemacht gegen eine starke deutsche Mannschaft. Wir haben bewiesen, dass wir den nächsten Schritt gegangen sind. Wir haben dreimal Aluminium getroffen, der Ball wollte nicht rein. Wir haben in der ersten Halbzeit einen Fehler gemacht, der zum 0:1 führt, den so ein Klasseteam ausnutzt. Wir hatten gute Aktionen, waren stark in Standards, dreimal Aluminium, ich kann dem Team nichts vorwerfen, sie haben alles reingeworfen. Jetzt ist der Moment bitter, aber wir können auf diese Reise, die gesamte Europameisterschaft sehr, sehr stolz sein. “

Barbara Dunst (Stürmerin Österreich): „Wir haben über weite Strecken ein gutes Spiel gemacht, ihnen richtig Paroli geboten. Wir haben leider zwei blöde Tore bekommen. Sie haben die Chancen genutzt. Es ist echt richtig bitter. (Das Glück) hat tatsächlich gefehlt, wenn sie (Stangen- und Lattenschüsse) reingehen, schaut es anders aus. Wir haben gezeigt, dass wir gegen so einen Gegner Chancen haben. Natürlich sind wir heute sehr enttäuscht, wir können trotzdem stolz sein.“

Martina Voss-Tecklenburg (Teamchefin Deutschland): „Insgesamt war es ein Riesenspiel, wir sind glücklich, dass wir 2:0 gewonnen haben.“

UEFA Women’s Euro 2022, Viertelfinale

Donnerstag:

Deutschland – Österreich 2:0 (1:0)

London, Brentford Community Stadium, 16.025 Zuschauer, SR Welch (ENG)

Torfolge:
1:0 Magull (25.)
2:0 Popp (90.)

Deutschland: Frohms – Gwinn, Hendrich, Hegering, Rauch (95./Kleinherne) – Däbritz (64./Lattwein), Magull (64./Dallmann), Oberdorf – Huth (95./Lohmann), Popp, Bühl (83./Brand)

Österreich: Zinsberger – Wienroither, Wenninger, Georgieva, Hanshaw – Puntigam (81./Höbinger) – Hickelsberger-Füller (72./Naschenweng), Zadrazil, Feiersinger, Dunst – Billa (86./Makas)

Gelbe Karten: Däbritz bzw. Hanshaw, Dunst, Naschenweng