Jonas Vingegaard hält sein Fahrrad in die Luft
Reuters/Christian Hartmann
Tour de France

Vingegaard triumphiert in Paris

Jonas Vingegaard hat als zweiter Däne nach Bjarne Riis die Tour de France gewonnen. Der 25-Jährige rollte auf der Schlussetappe am Sonntag in Paris mit dem Hauptfeld ins Ziel und verteidigte damit sein Gelbes Trikot wie erwartet erfolgreich. Im Gesamtklassement hat Vingegaard 2:43 Minuten Vorsprung auf Titelverteidiger Tadej Pogacar aus Slowenien und mehr als acht Minuten auf den drittplatzierten Waliser Geraint Thomas.

Riis hatte die Tour 1996 als Kapitän des deutschen Teams Telekom gewonnen. Die 115,6 Kilometer lange Schlussetappe gewann Jasper Philipsen. Der Belgier setzte sich auf den Champs-Elysees im Massensprint vor dem Niederländer Dylan Groenewegen durch. Dritter wurde der Norweger Alexander Kristoff.

Neben dem Gelben Trikot gewann Vingegaard auch den rot gepunkteten Dress für den besten Bergfahrer. Das Grüne Trikot des Punktebesten gewann der Belgier Wout van Aert überlegen. Pogacar war Bester in der Nachwuchswertung der Profis unter 25 Jahren und erhielt das Weiße Trikot. Vingegaard genehmigte sich auf seiner Tour d’Honneur das obligatorische Gläschen Champagner, ehe er auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees von Tausenden Landsleuten in rot und weiß frenetisch gefeiert wurde.

Der dänische Radprofi Jonas Vingegaard trinkt auf der letzten Etappe der Tour de France mit seinen Teamkollegen ein Glas Champagner
AP/Thomas Samson
Das Gläschen Champagner gehört auf der letzten Etappe dazu

„Will noch mehr gewinnen“

So erlebte die Tour die Wandlung eines einstmals von Selbstzweifeln und Nervosität geplagten Mannes zum souveränen Siegesfahrer. In den Alpen und Pyrenäen offenbarte er keine Schwächen – und verspürte längst Lust auf mehr. „Ich will noch mehr gewinnen“, sagte der 25-Jährige, der sich auch als großer Sportsmann zeigte, als er nach Pogacars Sturz in den Bergen auf ihn wartete. „Wir haben eine gute Beziehung. Wir sind keine Freunde, aber wir respektieren uns.“

So darf sich die Tour auf weitere große Duelle freuen. Denn auch Pogacar – dieses Mal mit knapp drei Minuten Rückstand Zweiter – ist heiß auf eine Revanche. „Viele Leute wollen einen anderen Sieger sehen. Es ist nicht so schlimm, die Plätze einmal zu tauschen. Ich habe einen stärkeren Gegner gefunden. Das gibt mir Motivation, im nächsten Jahr besser zu sein“, sagte der zwei Jahre jüngere Slowene, dessen Team durch mehrere Coronavirus-Fälle dezimiert worden war.

Jonas Vingegaard beim Fahrradfahren
Reuters/Bertrand Guay
Neunmal führte die Etappe am Sonntag auch am Louvre vorbei

Hype in Dänemark

Der Tour-Start in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen beflügelte „Danish Dynamite“, denn mit dem Rückenwind aus der Heimat lieferten die dänischen Fahrer ein Spektakel ab. Vingegaard schnappte sich auf dem Col du Granon das Gelbe Trikot von Tour-Champion Pogacar und gab es nicht mehr her. Zur Krönung gewann er auch die Bergankunft in Hautacam. Doch damit nicht genug: Magnus Cort Nielsen trug erst das Bergtrikot und gewann dann die Etappe nach Megeve. Dazu holte sich Ex-Weltmeister Mads Pedersen den Tagessieg in Saint-Etienne.

Kleine Rückschläge

Vor den Pyrenäen hatte Vingegaard einige Rückschläge erlitten. Mit Primoz Roglic und Steven Kruijswijk mussten seine beiden besten Berghelfer das Rennen aufgeben. Dann stürzte auch noch Vingegaard selbst, gab aber umgehend Entwarnung: „Ich bin okay. Nur ein paar Abschürfungen.“

Vingegaard und sein Jumbo-Visma-Team mit dem dreifachen Etappensieger und Alleskönner Wout van Aert zerdrückten quasi die Konkurrenz. Doch gerade wegen Riis tauchten auch Fragen nach Doping auf. Vingegaard war noch nicht geboren, als Riis als erster Däne die „Große Schleife“ gewann und in dem Land jenen Boom lostrat, den Deutschland ein Jahr später mit Jan Ullrich erlebte. 2007 brach Riis seinen Landsleuten schließlich das Herz, als er mit einer fast schon unverschämten Gleichgültigkeit Doping gestand.

„Wir sind total sauber“

Auf die fast obligate Frage, die manchmal von Profis auch sehr unwirsch abgetan wird, reagierte Vingegaard professionell. Ob man denn seinen Leistungen bei der Tour de France trauen könne, wollte eine US-Journalistin wissen. „Wir sind total sauber. Jeder von uns. Ich kann für das ganze Team sprechen. Niemand von uns nimmt etwas Verbotenes“, sagte der klare Sieger der 109. Frankreich-Rundfahrt.

Er erklärte zugleich, was sein Team Jumbo-Visma denn besser mache als andere. „Wir sind aufgrund unserer Vorbereitung so gut. Wir haben Höhentrainingslager weiterentwickelt. Wir schauen auf das Material, die Ernährung, das Training. Das Team gehört in diesen Punkten zu den besten. Deshalb muss man uns glauben.“

Der Triumph in Paris dürfte im hohen Norden wieder alle Dämme brechen. Einen Vorgeschmack darauf bekam der im Gegensatz zu Riis sehr nahbare Vingegaard bereits beim Start in diesem Jahr in Kopenhagen. Die TV-Übertragungen hatten einen Marktanteil von bis zu 78 Prozent. Und als mehr als 10.000 Zuschauer bei der Teampräsentation im Tivoli seinen Namen riefen, trieb es ihm die Tränen in die Augen. Tränen der Freude waren wohl auch am Ende gewiss.

109. Tour de France

21. Etappe

Paris La Defense Arena - Champs Elysees, 116 km:
1. Jasper Philipsen BEL 2:58:32
2. Dylan Groenewegen NED -"-
3. Alexander Kristoff NOR -"-
4. Jasper Stuyven BEL -"-
5. Peter Sagan SVK -"-
6. Jeremy Lecroq FRA -"-
7. Danny van Poppel NED -"-
8. Caleb Ewan AUS -"-
9. Hugo Hofstetter FRA -"-
10. Fred Wright SLO -"-
20. Tadej Pogacar SLO -"-
35. Gregor Mühlberger AUT -"-
36. Sebastian Schönberger AUT -"-
39. Geraint Thomas GBR -"-
77. Jonas Vingegaard DEN + 0:51
82. Patrick Konrad AUT 0:53
95. Marco Haller AUT 1:00
113. Felix Großschartner AUT 1:49

Gesamtwertung

Endstand nach 21 Etappen:
1. Jonas Vingegaard DEN 79:33:20
2. Tadej Pogacar SLO + 2:43
3. Geraint Thomas GBR 7:22
4. David Gaudu FRA 13:39
5. Aleksander Wlasow RUS 15:46
6. Nairo Quintana COL 16:33
7. Romain Bardet FRA 18:11
8. Louis Meintjes RSA 18:44
9. Alexei Luzenko KAZ 22:56
10. Adam Yates GBR 24:52
16. Patrick Konrad AUT 56:54
29. Gregor Mühlberger AUT 1:59:03
34. Sebastian Schönberger AUT 2:16:55
53. Felix Großschartner AUT 2:58:15
87. Marco Haller AUT 3:53:05
Ausgeschieden: Michael Gogl (AUT)

Etappenplan 2022

01.07. 1. Etappe Kopenhagen - Kopenhagen (13,2 km/EZF)
02.07. 2. Etappe Roskilde - Nyborg (202 km)
03.07. 3. Etappe Vejle - Sönderborg (182 km)
04.07. 1. Ruhetag
05.07. 4. Etappe Dünkirchen - Calais (172 km)
06.07 5. Etappe Lille - Arenberg (157 km)
07.07. 6. Etappe Binche - Longwy (220 km)
08.07. 7. Etappe Tomblaine - Planche des Belles Filles (176 km/BAK)
09.07. 8. Etappe Dole - Lausanne (186 km)
10.07. 9. Etappe Aigle - Chatel les Portes du Soleil (193 km)
11.07. 2. Ruhetag
12.07 10. Etappe Morzine - Megeve (148 km)
13.07. 11. Etappe Albertville - Col de Granon (152 km/BAK)
14.07. 12. Etappe Briancon - Alpe d'Huez (166 km/BAK)
15.07. 13. Etappe Le Bourg-d'Oisans - Saint-Etienne (193 km)
16.07. 14. Etappe Saint-Etienne - Mende (192 km)
17.07. 15. Etappe Rodez - Carcassonne (202 km)
18.07. 3. Ruhetag
19.07. 16. Etappe Carcassonne - Foix (179 km)
20.07. 17. Etappe Saint-Gaudens - Peyragudes (130 km/BAK)
21.07. 18. Etappe Lourdes - Hautacam (143 km/BAK)
22.07. 19. Etappe Castelnau-Magnoac - Cahors (189 km)
23.07 20. Etappe Lacapelle-Marival - Rocamadour (40,7 km/EZF)
24.07. 21. Etappe Paris - Paris Champs-Elysees (116 km)

BAK = Bergankunft
EZF = Einzelzeitfahren

Gesamtlänge: 3.350 km