Ferrari’s Carlos Sainz Jr. unterhält sich mit Charles Leclerc
Reuters/Bernadett Szabo
Formel 1

Ferrari fährt in den „roten Untergang“

Max Verstappen und Red Bull Racing können völlig entspannt in den Sommerurlaub gehen. 80 Punkte Vorsprung nimmt der Weltmeister nach seiner siegreichen Aufholjagd von Rang zehn am Sonntag in Ungarn auf Verfolger Charles Leclerc mit, bevor es Ende August in der Formel 1 beim Klassiker im belgischen Spa-Francorchamps weitergeht. Nach dem „roten Untergang“ von Ferrari auf dem Hungaroring steht vor allem ein Mann in der Kritik.

Noch neun Rennen stehen an, und Ferrari muss sich enorm steigern, um irgendwie noch die Chance auf den ersehnten Titel zu wahren. Verstappen ist schon halber Weltmeister: Der Niederländer müsste nicht einmal mehr einen Grand Prix gewinnen, um seinen Titel erfolgreich zu verteidigen.

Sein Polster ist so groß, dass selbst nur noch zweite Plätze in den verbleibenden neun Saisonläufen reichen würden. Interessiert den 24-Jährigen aber gar nicht. „Als Team wollen wir mehr Rennen gewinnen, und genau das werden wir nach der Pause versuchen“, sagte Verstappen.

Verstappen holt Sieg nach Aufholjagd

Max Verstappen ist in der Formel 1 nicht zu stoppen. Der Weltmeister gewann den Grand Prix in Ungarn nach einer sehenswerten Aufholjagd vor Lewis Hamilton und George Russell. Die großen Verlierer waren neuerlich die beiden Ferraris.

Nichts ändern, nur anschauen

Ferrari sollte die Pause dringend nützen, um an seiner Performance als Team zu arbeiten. Aus den Startplätzen zwei von Carlos Sainz und drei von Leclerc wurden am Ende die Ränge vier und sechs. Den Kampf ums Podest führte die Konkurrenz von Red Bull und Mercedes, das mit Lewis Hamilton und Pole-Mann George Russell auf die Plätze fuhr.

Für Ferrari-Teamchef Mattia Binotto wird es langsam eng. Dafür, dass Ferrari das vermeintlich stärkste Auto im Feld hat, kommt erstaunlich wenig Zählbares raus. Das Auto wollte bei kalten Temperaturen in Ungarn überhaupt nicht funktionieren, die Taktik und Reifenwahl passten ebenfalls nicht zu einem Titelkandidaten. „Wir müssen nichts verändern. Wir müssen uns verschiedene Dinge ansehen und daraus lernen“, sagte Binotto nur.

Sein Fahrer Leclerc stapfte nach dem vielleicht schon entscheidenden Debakel desillusioniert durch das Fahrerlager von Budapest. „Wir müssen jetzt sehen, was wir hätten besser machen können, in der Pause Kraft tanken und bereit sein, in der zweiten Saisonhälfte zu kämpfen“, sagte der Monegasse in Ungarn. Viel mehr als Durchhalteparolen blieben dem 24-Jährigen auch nicht, nachdem sein Rückstand in der WM-Wertung uneinholbar groß scheint.

Binotto hat „keine Erklärung“

„Rotes Desaster. Das nächste Eigentor von Ferrari. Der rote Untergang“, schrieb die italienische Sporttageszeitung „Gazzetta dello Sport“ und listete knallhart die Versäumnisse des Rennstalls auf. Im Zentrum der Kritik: Binotto. Der Teamchef ist mindestens angezählt. Eine schlechte Strategie inklusive der falschen Reifenwahl bei Leclerc sorgten vielleicht für das Ende aller WM-Hoffnungen.

„Insgesamt hat alles nicht funktioniert wie erwartet“, sagte Binotto, wollte aber von falscher Taktik nichts wissen. Das Auto habe nicht so funktioniert wie erwartet. Das werde man analysieren, sagte er. „Ich habe keine Erklärung“, sagte Binotto.

Vorerst keine personellen Konsequenzen

Personelle Konsequenzen im Strategieteam werde es nicht geben, auch er selbst schien bei einer Medienrunde nicht um seinen Job zu fürchten. Allerdings gibt Ferrari nach außen ein desaströses Bild ab. „Das Ferrari-Desaster in der Box ist komplett: Es reicht! Es bringt nichts, einfach nur das beste Auto zu haben“, urteilte „Tuttosport“. „Der Wagen war da, der Pilot war da. Aber wo war das Team?“

Ungarn-Analyse im ORF-„Motorhome“

Max Verstappen hat beim großen Preis von Ungarn eine furiose Aufholjagd gestartet und ist von Platz zehn aus zum Sieg gefahren. Der zweite Platz geht an Lewis Hamilton, Rang drei sichert sich dessen Mercedes-Stallkollege George Russell. Das „Motorhome“ blickt noch einmal auf die wichtigsten Szenen des Rennens zurück.

Stellt sich auch die Frage, wie lange die Konzernführung noch zuschaut, nachdem das Team nach jahrelanger Durststrecke erstmals wieder als Titelkandidat auftrat. Das alles erinnert stark an 2018, als die Roten mit Sebastian Vettel ebenfalls beste Aussichten auf einen WM-Titel hatten. Damals verbaute man sich selbst die Krönung und musste Lewis Hamilton im Mercedes den Triumph überlassen.

Fehler werden teamintern besprochen

Nach jener Saison wurde Maurizio Arrivabene von Binotto als Teamchef abgelöst. Grundlegendes scheint sich aber nicht verändert zu haben. Während Red Bull Verstappen mit einer taktischen Meisterleistung von Startplatz zehn zum Sieg manövrierte, entschied der Kommandostand bei Ferrari, Leclerc harte Reifen aufziehen zu lassen, als es um alles ging.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto
AP/Darko Bandic
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hat diese Saison viel Erklärungsbedarf, bleibt aber noch ruhig

Der Fahrer wollte das selbst nicht, musste sich aber unterordnen und hatte keine Chance mehr auf den Sieg, weil die Pneus an seinem Wagen nicht funktionierten. „Wir werden natürlich darüber sprechen, aber das werden wir teamintern tun“, sagte Leclerc und vermied offene Kritik.

„Viele Schritte zurück gemacht“

Leclercs Teamkollege Sainz analysierte das Fiasko von Budapest knallhart: „Wir haben viele Schritte zurück gemacht, wir wurden immer schlechter.“ Dem guten Training am Freitag folgten ein durchwachsenes Qualifying und ein schwacher Grand Prix: „Es ist schade, dass wir mit einem schlechten Ergebnis in die Pause gehen.“

Den Titel schreibt Binotto noch nicht ab: „Es gibt noch sehr viel Potenzial. Wir werden noch stärker zurückkommen.“ Bei noch neun ausstehenden Rennen kann Leclerc aus eigener Kraft kaum noch Weltmeister werden.

Ob Ferrari ihm die große WM-Führung geschenkt hat, wurde Verstappen nach seinem achten Saisonsieg gefragt? „Das ist schwer zu beantworten, denn niemand macht solche Fehler mit Absicht. Wir haben auch schon ein paar Punkte liegengelassen und am Ende des Tages muss man selbst auch immer Leistung abliefern.“

Grand Prix von Ungarn in Budapest

Endstand nach 70 Runden:
1. Max Verstappen NED Red Bull 1:39:35,912
2. Lewis Hamilton GBR Mercedes +7,834
3. George Russell GBR Mercedes 12,337
4. Carlos Sainz ESP Ferrari 14,579
5. Sergio Perez MEX Red Bull 15,688
6. Charles Leclerc MON Ferrari 16,047
7. Lando Norris GBR McLaren 1:18,300
8. Fernando Alonso ESP Alpine 1 Runde
9. Esteban Ocon FRA Alpine 1 Runde
10. Sebastian Vettel GER Aston Martin 1 Runde
11. Lance Stroll CAN Aston Martin 1 Runde
12. Pierre Gasly FRA Alpha Tauri 1 Runde
13. Zhou Guanyu CHN Alfa Romeo 1 Runde
14. Mick Schumacher GER Haas 1 Runde
15. Daniel Ricciardo AUS McLaren 1 Runde
16. Kevin Magnussen DEN Haas 1 Runde
17. Alexander Albon THA Williams 1 Runde
18. Nicholas Latifi CAN Williams 1 Runde
19. Yuki Tsunoda JPN Alpha Tauri 2 Runden
Out: Valtteri Bottas (FIN/Alfa Romeo)
Schnellste Runde: Hamilton (1:21,386/57.)