Marina Georgieva
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Fußball

Weltclubs setzen auf ÖFB-Qualitäten

Erst vor einem Monat ist die Fußballeuropameisterschaft zu Ende gegangen, seither hat sich in Österreichs Nationalteam einiges getan. Kapitänin Viktoria Schnaderbeck und Lisa Makas haben das Schiff verlassen, auf der anderen Seite nützte Marina Georgieva die EM-Bühne so gut, dass sie von Paris Saint-Germain unter Vertrag genommen wurde. Immer mehr Weltclubs setzen damit auf die Qualitäten der heimischen Fußballerinnen.

Bislang reiften die meisten Karrieren der Österreicherinnen in Deutschland und tun das immer noch. So steht etwa Sarah Zadrazil bei Vizemeister Bayern München unter Vertrag, Laura Feiersinger, Verena Hansaw, Barbara Dunst und Virgina Kirchberger beim Dritten Eintracht Frankfurt oder Nicole Billa, Katharina Naschenweng und Julia Hickelsberger-Füller bei der TSG 1899 Hoffenheim, die Fünfte wurde.

Schnaderbeck wechselte einst 2018 von Bayern zu Arsenal, ihrem Beispiel folgte Torfrau Manuela Zinsberger 2019 und 2022 kam Laura Wienroither zu den „Gunners“. Noch vor der EM holte sich Bayern-Rekordspielerin Carina Wenninger den Segen, um leihweise zur AS Roma zu wechseln. Georgieva landete danach einen wahren Coup.

„Das ist ein absoluter Transferhammer“, freute sich Teamchefin Irene Fuhrmann für ihre Verteidigerin, die freilich darauf hofft, dass die Weiterentwicklung der Spielerinnen letztlich auch dem ÖFB-Team zugutekommt. Die ersten neuen Erfahrungen lassen sich am Samstag (17.30 Uhr, live in ORF1) ins Spiel einfließen, wenn es in der WM-Qualifikation in Wiener Neustadt gegen Europameister England geht.

Poker führt Georgieva zu PSG

Verteidigerin Georgieva nützte die Bühne Europameisterschaft letztlich perfekt. Mit ihrem bisherigen Club SC Sand stieg sie aus der deutschen Bundesliga ab und ging vereinslos ins Turnier, bei dem Fuhrmanns Frauen wie vor fünf Jahren den Einzug ins Viertelfinale schafften und sich dort dem späteren Vizeeuropameister Deutschland nach einem engen Spiel mit 0:2 geschlagen geben mussten. „Ich habe etwas gepokert. Ich habe die EM abgewartet, in der Hoffnung mich gut zu präsentieren und eine Chance zu bekommen“, erklärte die 25-Jährige.

Marina Georgieva
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Marina Georgieva ging vereinslos in die EM, nun spielt sie für Paris Saint-Germain

Dabei fungierte die Abwehrspielerin als Back-up für Schnaderbeck, die ob ihrer langwierigen Knieverletzung für jede Partie fraglich war. In den ersten drei Spielen wurde Georgieva eingewechselt, gegen Deutschland spielte sie durch und fiel auch in der Offensive auf, als sie einen Kopfball an die Stange setzte. Es war einer von insgesamt drei Aluminiumtreffern der Österreicherinnen. Nachdem die Enttäuschung über das Aus gewichen war, musste letztlich eine Entscheidung her.

„Chance kriegt man vielleicht nur einmal“

„Ich habe nach dem letzten EM-Spiel zugewartet, hatte zwei konkrete Angebote aus Deutschland und England, einem Verein fast schon zugesagt und dann kam PSG“, erklärte Georgieva bei einem Medientermin. „Im ersten Moment hatte ich das gar nicht so wahrgenommen, ich war so auf die anderen Vereine fokussiert. Mein Berater hat mir klargemacht, wer da vor der Tür steht. Diese Chance kriegt man vielleicht nur einmal, die musste ich einfach nützen.“

Ein Telefonat tat sein Übriges und die Tinte trocknete unter einem Zweijahresvertrag beim französischen Vizemeister und Cupsieger. Schnell ging es auch mit den ersten Einsätzen in Testspielen gegen Manchester United (0:1) oder FC Barcelona (1:1), den Supercup gegen Lyon (0:1) verfolgte sie von der Bank aus. „Die Philosophie gefällt mir wahnsinnig, etwa die riskanten Bälle in die Tiefe“, so Georgieva, die ein enges Titelduell mit Champions-League-Sieger Lyon erwartet und auch schon einem der Superstars im Club, Kylian Mbappe, begegnete.

Ihre ÖFB-Teamkolleginnen gratulierten im Kollektiv. „Ich finde es hammergeil und freue mich sehr für sie. Sie hat die Chance gewittert und ergriffen. Die Herausforderung ist riesig, aber sie hat das Potenzial“, sagte Zinsberger. Ähnlich sieht es Fuhrmann: „Ich freue mich für sie, dass sie sich in so einem professionellen Umfeld entwickeln kann. Ich bin überzeugt, dass sie etwa im athletischen Bereich viel dazulernen kann.“ Neo-Kapitänin Carina Wenninger stellte fest, dass es früher als Österreicherin nicht so einfach war, an eine solche Topadresse zu gelangen. „Die EM war wichtig zu zeigen, dass wir ein tolles Niveau haben. Ich traue das mehreren Spielerinnen zu.“

Wenninger lebt in Rom ihren Traum

Wenninger selbst hat sich in ihrer Karriere noch den Traum eines Wechsels in den Süden verwirklicht und erbat noch vor der Endrunde einen leihweisen Transfer von Bayern München zu der AS Roma. „Es ist genau das, was ich mir vorgestellt habe. Nämlich etwas anderes zu machen, eine andere Art von Fußball zu erleben, eine andere Mentalität, eine neue Sprache zu lernen. Bayern München war für mich nach vielen Jahren Komfortzone und da wollte ich raus und mich neu erfinden“, so die 31-Jährige, die 2008 nach München gekommen war.

Die Abwehrspielerin, die das ÖFB-Kapitäninnenamt von Schnaderbeck übernahm („Ich freue mich, ich trage gerne Verantwortung“), konnte bereits erste Erfahrungen sowohl auf und abseits des Platzes teilen. „Es ist alles sehr persönlich, sehr familiär, wie man es aus Italien kennt. Das macht es sehr schön. Der Fußball ist hier taktisch weniger geprägt, Catenaccio hat schon einen Stellenwert, aber mit Ball ist vieles freier. Da war Deutschland schon taktisch geprägter“, skizzierte Wenninger, die die Roma in Deutschland im vorderen Drittel einstufen würde.

Zinsberger und Co. andernorts etabliert

Neben Wenninger wechselte auch Torfrau Isabella Kresche zu Sassuolo in die höchste italienische Spielklasse. „Es zeigt, dass andere Länder professionelle Strukturen entwickeln. Italien hat seit dieser Saison eine Profiliga. Und nun helfen Österreicherinnen mit, diese Liga weiter aufzubauen und stärker zu machen. Es tut sich was, und davon können wir auch im Nationalteam profitieren“, betonte Fuhrmann.

Ähnlich sieht es Zinsberger, die sich in England bei Vizemeister Arsenal als Nummer eins etabliert hat. „Es ist ein Zeichen, dass viele Clubs ein Auge auf uns geworfen haben und Talent erkennen. Wenn man sieht, wer wo spielt und gespielt hat, dann ist das auch ein Ausrufezeichen.“

Manuela Zinsberger
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Zinsberger hat sich bei Arsenal in London als Nummer eins etabliert

Apropos England: Im Land des Europameisters hält der Boom nach dem Gewinn des ersten Titels eines Erwachsenenteams seit dem WM-Titel der Herren 1966 weiter an. Nicht nur das Gastspiel der „Lionesses“ in Wiener Neustadt ist mit knapp 3.000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauft, auch das freundschaftliche Gipfeltreffen mit Weltmeister USA im Wembley vor 90.000 Menschen. „Wir erwarten im Nordlondon-Derby bis zu 40.000, die Arsenal-Seasontickets sind ausverkauft. Das sind Statements“, zeigte sich Zinsberger auch über diese jüngsten Entwicklungen im Frauen-Fußball sehr erfreut.

ÖFB-Kader für WM-Qualifikation

Tor: Mariella El Sherif (Sturm Graz/0 Länderspiele), Isabella Kresche (Sassuolo Femminile/ITA/2), Manuela Zinsberger (Arsenal WFC/ENG/83)

Abwehr: Celina Degen (1. FC Köln/GER/5/1 Tor), Marina Georgieva (Paris Saint-Germain/17/0), Verena Hanshaw (Eintracht Frankfurt/GER/89/10), Virginia Kirchberger (Eintracht Frankfurt/GER/88/2), Julia Magerl (Sturm Graz/3/1), Katharina Schiechtl (Werder Bremen/GER/63/9), Carina Wenninger (AS Roma/ITA/120/6), Laura Wienroither (Arsenal WFC/ENG/26/1)

Mittelfeld: Barbara Dunst (Eintracht Frankfurt/GER/59/9), Jasmin Eder (spusu SKN St. Pölten/55/1), Laura Feiersinger (Eintracht Frankfurt/GER/96/16), Lara Felix (1. FC Nürnberg/GER/1/0), Julia Hickelsberger-Füller (TSG 1899 Hoffenheim/GER/21/5), Marie-Therese Höbinger (FC Zürich/SUI/22/5), Jennifer Klein (spusu SKN St. Pölten/15/1), Katharina Naschenweng (1899 Hoffenheim/GER/33/4), Sarah Puntigam (1. FC Köln/GER/124/18), Annabel Schasching (Sturm Graz/3/1), Sarah Zadrazil (Bayern München/GER/100/13)

Angriff: Nicole Billa (1899 Hoffenheim/GER/83/44), Lisa Kolb (SC Freiburg/GER/8/1), Katja Wienerroither (Grasshopper Club Zürich/SUI/10/2)