Fast genau sieben Monate nachdem sich die Rams daheim in Los Angeles ihre zweite Vince Lombardi Trophy der Franchise-Geschichte gesichert hatten, erfolgte an gleicher Stelle der Startschuss des Rennens um ein Ticket für die 57. Super Bowl. Die wird am 12. Februar 2023 in Glendale im US-Bundesstaat Arizona ausgespielt. Um sich einen der zwei Plätze zu sichern, blieb bei vielen Teams wieder kein Stein auf dem anderen. Zehn der 32 Clubs gehen etwa mit einem neuen Headcoach an den Start – wobei mit Bruce Arians (Tampa Bay) und Sean Payton (New Orleans) zwei frühere Meistertrainer freiwillig die NFL-Bühne verließen.
Dazu kamen einige prominente Transfers auf der Spielmacherposition, wie jener von Russell Wilson von Seattle zu den Denver Broncos und damit ausgerechnet zu jenem Team, das von seinen Seahawks in der Super Bowl 2013 mit 43:8 demoliert wurde. Auch bei den Atlanta Falcons ging nach 14 Jahren die Ära Matt Ryan zu Ende. Der 37-Jährige soll nun die Indianapolis Colts beflügeln – und dabei im Idealfall von Bernhard Raimann beschützt werden, der als erster Nicht-Placekicker aus österreichischer Sicht zu einem NFL-Einsatz kommen könnte.
Raimanns erste Saison könnte auch die wirklich letzte von Tom Brady werden. Denn obwohl der 45-Jährige am 1. Februar nach 22 Jahren und sieben Super-Bowl-Titeln seinen Rücktritt erklärte, kehrte Brady einem berühmten Vorbild gleich nur 40 Tage später aus der Sportpension zurück ins Rampenlicht. „Wir haben noch etwas zu erledigen“, richtete der Quarterback den Fans der Tampa Bay Buccaneers aus. Ein Hinweis, dass es aber beim einmaligen Rücktritt vom Rücktritt bleiben könnte, ist sein im Mai unterzeichneter Vertrag als künftiger TV-Experte für zehn Jahre – und 37,5 Mio. Dollar pro Saison hinter dem Mikrofon.
Preisexplosion auf dem Receiver-Markt
Apropos Rekordsummen: Die wurden in der Transferzeit vor allem für Wide Receiver ausgegeben und untermauerten den Wandel der NFL von einer „run“ in eine „pass happy league“. Und „schuld“ an der Preisexplosion war letztlich Davante Adams. Der 29-Jährige wurde auf eigenen Wunsch für mehrere Draftpicks an die Las Vegas Raiders abgegeben, um dort endlich wieder mit seinem Uni-„Hawara“ Derek Carr zu spielen. In Las Vegas erhielt Adams einen Fünfjahresvertrag mit – für einen Receiver bis dahin unvorstellbaren – 28,5 Mio. Dollar pro Saison. Detail am Rande: Die Packers hätten dem Lieblingsreceiver von Aaron Rodgers sogar mehr geboten, doch die Freundschaftsbande überwogen den finanziellen Anreiz.
Mit seiner Unterschrift brachte Adams aber andere Teams, die mit ihren Starreceivern in Gehaltsverhandlungen standen, schwer in die Bredouille, allen voran die Kansas City Chiefs. Denn Tyreek Hill schraubte seine Forderungen an den Super-Bowl-Sieger von 2020 derart in die Höhe, dass die Chiefs nicht mehr mitgehen konnten. Die Miami Dolphins hatten hingegen genug Spielraum Richtung Gehaltsobergrenze, eisten den pfeilschnellen Reiceiver von den Chiefs los und statteten ihn mit einem Vierjahresvertrag um insgesamt 120 Mio. Dollar aus. 30 Mio. pro Saison bekamen bisher höchstens Quarterbacks überwiesen.
Im Sog von Hill und Adams griffen auch andere Clubs tief in die Tasche, um Toppassempfänger langfristig zu binden. So war u. a. auch für Cooper Kupp, der für die Rams auf dem Weg zum Titel vergangene Saison Pässe für fast 2.000 Yards Raumgewinn und 16 Touchdowns fing und zum wertvollsten Spieler des Finales gewählt wurde, Zahltag. Nach einer Verlängerung um drei Jahre fließen nun jährlich 26,7 Mio. Dollar auf das Konto des 29-Jährigen. Auch Philadelphia stattete Neuzugang AJ Brown mit einem Salär von 25 Mio. Dollar pro Jahr aus. Den Buffalo Bills sind die Dienste von Stefon Diggs ebenso 24 Mio. Dollar pro Saison wert wie den Seattle Seahawks jene von DK Metcalf.
Toptransfer auf der Strafbank
Nicht nur sportlich und finanziell ein Aufreger war der Transfer von Deshaun Watson von Houston nach Cleveland. Drei Erstrunden-, einen Drittrunden- und einen Viertrundenpick im diesjährigen und in künftigen Drafts schickten die Browns Richtung Texans, um den Kader mit dem in Houston unzufriedenen und streikenden 26-jährigen Quarterback aufzumotzen. In Cleveland erhielt Watson einen Fünfjahresvertrag über 230 Mio. Dollar – alles davon garantiert.
Einziger Haken an der Sache: Watson steht den Browns erst nach elf Spielen zur Verfügung. Denn der Spielmacher nahm nicht nur sein Talent, sondern auch die Vorwürfe der sexuellen Belästigung von 24 Frauen mit nach Ohio. Obwohl eine Jury einen Prozess ablehnte und Watson sich mit fast allen Klägerinnen außergerichtlich einigte, setzte es eine von einer unabhängigen Disziplinarkommission verhängte Sperre von sechs Spielen. Nach erfolgreichem Protest der NFL-Spitze rund um Commissioner Roger Goodell wurde das Ausmaß auf elf Partien erhöht. Dazu kommen fünf Millionen Dollar Strafe.
Um den skurrilen Vorgängen in Cleveland die Krone aufzusetzen, nahm der bisherige Starter Baker Mayfield dem Club die Verpflichtung Watsons wenig überraschend äußerst übel. Der 2018 als Heilsbringer als Nummer eins im Draft gezogene Spielmacher, der die Browns 2020 erstmals seit 2002 ins Play-off und zum ersten Sieg in einer K.-o.-Runde seit 26 Jahren geführt hatte, erzwang noch vor der Sperre für seinen Nachfolger einen Wechsel zu den Carolina Panthers. Dort erkämpfte sich der im Vorjahr von einer schweren Schulterverletzung eingeschränkte Mayfield aber immerhin das „Einserleiberl“. Und weil die Spielplanverantwortlichen eine gute Nase für Drama haben, trifft Carolina zum Auftakt am Sonntag auch gleich auf die Browns.