Tennisspieler Carlos Alcaraz mit US Open Pokal
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US Open

Alcaraz noch lange nicht im Leistungszenit

Carlos Alcaraz hat alles, um der legitime Nachfolger von Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic – den „Big Three“ – zu werden: Begabung, Einstellung, Athletik, Spielintelligenz, Nervenstärke. Der 19-jährige US-Open-Champion ist ein Supertalent und seit Montag auch die Nummer eins der Weltrangliste. Sein Trainer Juan Carlos Ferrero sieht den Spanier aber noch lange nicht im Zenit seiner Leistungsfähigkeit.

„Ich denke, er ist etwa bei 60 Prozent seiner Möglichkeiten angelangt“, sagte Ferrero nach dem 6:4 2:6 7:6 (7/1) 6:3-Finalerfolg seines Schützlings gegen den Norweger Casper Ruud in New York. Dabei ist Alcaraz im Teenageralter schon unfassbar gut. Nach dem dramatischen Viertelfinale, in dem er und der auch nur zwei Jahre ältere Italiener Jannik Sinner einander mehr als fünf Stunden lang auf höchstem Niveau bekämpften, schwärmte John McEnroe: „Die beiden definieren den Sport gerade neu und heben ihn auf ein neues Level.“

US-Tennislegende McEnroe verglich Alcaraz gleich mit allen drei großen Spieler der jüngeren Vergangenheit. „Er hat die Leichtfüßigkeit und Angriffslust von Federer, die Beweglichkeit und Ausdauer von Djokovic und den Kampfgeist und die Einstellung von Nadal.“ Wenn er auch nur annähernd so weitermacht, gibt es für ihn kaum Grenzen.

Carlos Alcaraz und Casper Ruud mit Trophäen nach dem Finale
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Die erste Grand-Slam-Trophäe wird für Carlos Alcaraz (links) wohl nicht seine letzte gewesen sein

Spielfreude und Nervenstärke

Dazu kommt, dass Alcaraz auch alles hat, um zum Publikumsliebling zu werden. Die New Yorker hat er jedenfalls mit seinen Auftritten schon voll und ganz überzeugt. Eine Szene im Finale am Sonntag illustriert eindrücklich, warum er so gut ankommt. Er lieferte sich gegen Ruud einen spektakulären Ballwechsel, an dessen Ende er hechtend und in größter Bedrängnis den Ball knapp ins Aus spielte. Alcaraz lag am Boden – und lachte. Bei allem Ehrgeiz und Professionalismus strahlt er eine Spielfreude aus, die es zum Genuss macht, ihm zuzuschauen.

Alcaraz Nummer eins der Weltrangliste

Der 19-jährige US-Open-Champion Carlos Alcaraz ist ein Supertalent und seit Montag auch die Nummer eins der Weltrangliste. Sein Trainer Juan Carlos Ferrero sieht den Spanier aber noch lange nicht im Zenit seiner Leistungsfähigkeit.

Genau darum scheint er auch mit dem Druck und der immensen Erwartungshaltung gut umgehen zu können. Zudem hat Alcaraz die unbezahlbare und nur bedingt erlernbare Fähigkeit, in entscheidenden Momenten noch einmal zulegen zu können. Er wartet nicht auf Fehler des Gegners, sondern ergreift mutig die Initiative.

Tennisspieler Carlos Alcaraz
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Der 19-Jährige hat alle Voraussetzungen, das Tennis in den nächsten Jahren zu dominieren

Kometenhafter Aufstieg

Noch vor einem Jahr war Alcaraz – als damals schon bester Teenager – die Nummer 55 der Welt. Dass es dann so schnell aufwärts gehen würde, hätte er selber nicht gedacht: „Nach dem Titel in Miami auf Hartplatz begann ich dann, daran zu glauben, dass ich nicht nur gut mitspielen, sondern sogar Champion werden könnte.“

Auch Ferrero sah früh, was für seinen jungen Landsmann möglich sein könnte. „Als er mit 15 in meine Akademie kam, war klar, dass er anders ist als Gleichaltrige“, erinnert sich der 42-Jährige, der 2003 die French Open in Paris gewann und im gleichen Jahr selbst die Nummer eins wurde. „Er war explosiv, hatte schnelle Hände, schnelle Beine.“ Ferrero lacht. „Aber er war dünn – wie Spaghetti. Es brauchte noch viel Arbeit. Aber er ist gemacht für diese Bühne, ein großartiger Wettkämpfer.“

Nadal-Rekord noch in weiter Ferne

Nadal, mit 22 Grand-Slam-Turniersiegen Rekordhalter vor Djokovic (21) und Federer (20) – gratulierte seinem 17 Jahre jüngeren Landsmann und prophezeite: „Ich bin sicher, es werden noch viel mehr folgen.“ Ferrero will sich nicht zu einer Prognose versteigen. „22 Grand-Slam-Titel? Er hat noch einen weiten Weg vor sich. Doch wer weiß? Er hat sicher das Tennis und das Potenzial, einer der Besten zu sein.“

McEnroe warnte aber auch: „Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir die Erwartungen nicht so hochschrauben, dass man am Ende enttäuscht wäre, wenn er ‚nur‘ zehn Grand Slams gewinnt.“ Dafür ist es aber wohl schon zu spät – wer die Stärken von Federer, Nadal und Djokovic auf sich vereint, wird auch an diesen gemessen.

Steckbrief von Carlos Alcaraz

  • Name: Carlos Alcaraz Garfia
  • Nationalität: Spanien
  • Geboren am 5. Mai 2003 in El Palmar –Wohnort: Villena
  • Größe/Gewicht: 1,83 m/74 kg
  • Trainer: Juan Carlos Ferrero
  • Spielhand: Rechts, beidhändige Rückhand
  • Profi seit 2018
  • Größte Erfolge: Ein Major-Erfolg (US Open 2022), sechs Turniersiege
  • Aktuelle Weltranglistenplatzierung: 1 (mit 19 Jahren und vier Monaten jüngste Nummer eins aller Zeiten)
  • Karrierepreisgeld: 9,1 Millionen Dollar