Lüftung der Klimaanlage unter den Sitzen im al-Janoub Stadium in Doha
APA/AFP/Giuseppe Cacace
FIFA WM 2022

Warum die Endrunde in Katar so anders ist

Der Countdown für die 22. Endrunde einer Weltmeisterschaft geht in die letzte Phase. Am Sonntag (17.00 Uhr, live in ORF1) wird in Katar das wohl am heftigsten diskutierte Turnier der Geschichte mit dem Duell des Gastgebers gegen Ecuador eröffnet. Eine WM, die nicht nur aufgrund ihrer Rahmenbedingungen einen besonderen Platz in den Geschichtsbüchern einnehmen wird.

So fand in der WM-Geschichte noch nie eine Endrunde im europäischen Herbst statt. Dazu gibt es noch Stadien, die für die Besucher klimatisiert werden. Neben dem Sportlichen stehen bei dem Turnier von 20. November bis 18. Dezember im Wüstenstaat vor allem aber auch Themen wie Menschenrechte und Nachhaltigkeit mehr als zuvor im Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Datum: Aufgrund der Hitze im arabischen Sommer findet die WM von 20. November bis 18. Dezember und mitten in der Wintersportsaison statt. Die bisher früheste Beginnzeit war 27. Mai (1934 in Italien), am spätesten wurde die WM-Premiere 1930 in Uruguay angepfiffen. Damals erfolgte der Startschuss am 13. Juli.

Lusail Iconic Stadion
IMAGO/MB Media Solutions
Im Lusail Iconic Stadium wird am 18. Dezember der neue Weltmeister gekrönt

Dauer: Mit 28 Tagen wird die 22. Ausgabe die kürzeste WM seit 1978, als die damals in Argentinien ausgetragene Endrunde mit nur 16 Teams gespielt wurde.

Distanzen: Noch nie wurde die WM in einem kleineren Land gespielt. In Katar, etwas kleiner als Oberösterreich, liegen zwischen dem nördlichsten Spielort (al-Chor) und dem südlichsten (al-Wakra) nur 58 Kilometer Luftlinie bzw. 68 Kilometer Straße. Das ermöglicht Fans, auch zwei Spiele an einem Tag zu besuchen. Zum Vergleich: Vier Zeitzonen (von West nach Ost) und mehr als 4.000 Kilometer von St. Petersburg nach Sotschi (Nord-Süd) lagen zwischen den Spielstätten der WM 2018.

Klimaanlagen und Stadien: Bei Höchsttemperaturen im Schnitt von 27 Grad im November und 23 Grad im Dezember sollen die Stadien auf 22 Grad gekühlt werden. Die Zuschauerkapazität soll nach der WM in sieben der acht Stadien zurückgebaut werden, nur das Chalifa-International-Stadion soll bleiben, wie es ist. Allerdings gibt es nur für das Education-City-Stadion ein Nachnutzungskonzept, für das die gemeinnützige Qatar Foundation zuständig ist.

Lüftung der Klimaanlage am Spielfeldrand im al-Janoub Stadium in Doha
APA/AFP/Giuseppe Cacace
Riesige Klimaanlagen sollen für kühlere Temperaturen sorgen

Unterbringung: Die Bettenkapazitäten reichen bei Weitem nicht für die erwarteten Besuchermassen. Es stehen nur rund 50.000 Hotelzimmer zur Verfügung, daher werden die ausländischen Fans auch in privaten Unterkünften und auf drei Kreuzfahrtschiffen untergebracht. Viele Fans haben sich im benachbarten Dubai einquartiert, das über ausreichend Kapazitäten an Hotelzimmern verfügt, und fliegen zu den Matches ein.

Alkohol: Ist in Katar nicht gänzlich verboten, wird normalerweise aber nur in Bars oder bestimmten Hotels ausgeschenkt. Die „Bierpolitik“, auf die sich FIFA und WM-Gastgeber geeinigt haben, sieht vor, dass vor und nach dem Spiel auf dem Stadiongelände sowie ab 18.30 Uhr auf dem Fanfest in Doha alkoholische Getränke ausgeschenkt werden dürfen. In den Stadien selbst gilt Alkoholverbot.

Bier trinkende Fans
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Alkohol im Stadion ist verboten

Homosexualität: Ist in Katar gesetzlich verboten und wird mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft. Die Sorge um homosexuelle Fußballfans bei der WM versuchte Emir Tamim bin Hamad al-Thani in einer Rede bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen im September zu entkräften. Fans „aus allen Gesellschaftsschichten“ seien willkommen, erklärte er. Allerdings sorgte der offizielle WM-Botschafter Chaled Salman für internationale Aufregung, nachdem er kurz vor WM-Beginn Homosexualität als „geistigen Schaden“ bezeichnete.

Menschenrechte: Der WM-Gastgeber steht wegen Menschenrechtsverstößen in der Kritik. Amnesty International bemängelte regelmäßig die andauernde Ausbeutung von Gastarbeitern in dem Emirat. Human Rights Watch veröffentlichte Ende Oktober einen Bericht über die Misshandlung von queeren Menschen durch die katarische Polizei. Katar verweist auf eigene Reformen, hat sich über das Ausmaß der Kritik beschwert und von einer „beispiellosen Kampagne“ gesprochen.

Arbeiter: Seit der WM-Vergabe im Dezember 2010 wurde medial kolportiert, dass Tausende bei Arbeiten für die WM zu Tode gekommen seien. Das Emirat kritisiert an dieser Darstellung, dass die Todesfälle nicht differenziert dargestellt würden, und gab bekannt, dass auf den Stadionbaustellen bei Arbeitsunfällen drei Menschen gestorben seien. Es seien 37 weitere Todesfälle registriert worden, diese Arbeiter seien aber nicht während ihrer Tätigkeit auf den Baustellen gestorben und würden daher als „Non-Work-Related Deaths“ eingestuft – also Todesfälle, die nicht unmittelbar mit der Arbeit zu tun hatten. Die Forderung nach der Errichtung eines Entschädigungsfonds hatte Katar erst Anfang des Monats abgelehnt.

Arbeiter im al Bayt Stadion in al Khor, Katar
AP/Kamran Jebreili
Die Arbeitsbedingungen beim Bau der neuen Arenen in Katar werden seit der Vergabe an den Wüstenstaat heftigst diskutiert

Technologie: Neben dem Videobeweis und der Torlinientechnologie kommt ein weiteres technisches Hilfsmittel zum Einsatz: die halbautomatische Abseitstechnologie. Mit Hilfe eines Chips im Ball und von mehreren Kameras im Stadion sollen so selbst minimalste Abseitsstellungen schnell und genau erfasst werden. Die Daten werden von einem der Videoassistenten geprüft und direkt an den Referee auf dem Spielfeld weitergeleitet.

Kader: Anders als sonst dürfen die Teamchefs für die WM 26 statt 23 Spieler nominieren. Das hängt zum einen mit der hohen Belastung der Profis vor der WM und zum anderen mit der erhöhten Ausfallgefahr durch das Coronavirus zusammen. Vorab mussten die Teamchefs eine provisorische Liste mit bis zu 55 Spielern bei der FIFA einreichen. Die Nennfrist für die endgültigen Kader ist am 14. November abends, die FIFA veröffentlicht die Kaderlisten am 15. November.

Vorbereitung: Für die Teamchefs ist die WM eine besondere Herausforderung. Da in den Ligen noch bis 13. November gespielt wird, startet die Vorbereitung erst sechs Tage vor der WM-Eröffnung. Testspiele der europäischen Teams gibt es nicht, die letzten europäischen Länderspiele vor dem Turnier waren der Abschluss der Nations League Ende September.

Ausschluss Russlands: Die „Sbornaja“ hatte sich für das Play-off im März gegen Polen qualifiziert und hätte bei einem Sieg gegen Schweden um das WM-Ticket gespielt. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurden aber alle russischen Mannschaften von Bewerben der FIFA (und der UEFA) ausgeschlossen. Polen erhielt im Halbfinale ein Freilos und besiegte im Play-off-Finale Schweden 2:0.

Anzahl der Teams: Eines ist dann noch gleich: Seit Frankreich 1998 wird die WM-Endrunde mit 32 Mannschaften in acht Gruppen zu je vier Mannschaften gespielt. Katar ist die siebente und letzte WM in diesem Format. Für die WM 2026 in USA/Kanada/Mexiko qualifizieren sich 48 Teams, die in 16 Dreiergruppen eingeteilt werden.