Vienna Celtic RFC beim Ligaturnier in Wr. Neustadt
Barbara Alexandra Lichtblau-Zakrzanska
Rugby

Österreichs Frauen drängen in den Fokus

Die Augen der Rugby-Welt waren in den vergangenen Wochen auf Neuseeland gerichtet, wo die besten Spielerinnen der Welt zum neunten Mal die Weltmeisterinnen ermittelten. Auch in Österreich sahen zumindest 100 Augenpaare dem Geschehen aufmerksam zu. Denn ungefähr so viele aktive Rugby-Spielerinnen gibt es derzeit hierzulande. Die noch kleine, aber feine Auswahl der hochmotivierten Amateurinnen nähert sich langsam, aber stetig dem europäischen Topniveau an – wie etwa im Juni der souveräne Aufstieg in die zweite Stufe der Europameisterschaft bewies.

Auch wenn Rugby weltweit in vielen Ländern immer populärer wird, gehört der körperbetonte Mannschaftssport mit dem eiförmigen Ball in Österreich noch immer zum Rand des Spektrums. Frauen und Rugby, das passt für viele noch weniger zusammen, obwohl es bereits seit den 1880er Jahren Aufzeichnungen über Spiele gibt. In Österreich standen sich vor rund 20 Jahren erstmals Frauen-Teams in offiziellen Spielen gegenüber.

Mittlerweile gibt es zehn Vereine – von Wien über Wiener Neustadt nach Leoben und Graz, sowie von Klagenfurt über Melk und Linz nach Innsbruck –, die sich um den Titel anstellen. Und das vorwiegend in der seit 2016 zum olympischen Programm gehörenden Version Sieben gegen Sieben. Der Grund ist simple Mathematik. „Weil es in den meisten Clubs derzeit noch nicht genug Frauen gibt, um auch Rugby Union zu spielen“, so der österreichische Teamchef Max Navas im Gespräch mit ORF.at.

Nationalteamspielerin Tanja Hahn für ihren Club RC Wombats beim Liga-Turnier in Wr. Neustadt
Barbara Alexandra Lichtblau-Zakrzanska
Von Wiener Neustadt, hier in Rot mit Tanja Hahn im Bild, bis nach Innsbruck wird Sevens-Rugby gespielt

Der Wiener, selbst lange aktiver Nationalspieler und einer der wenigen Österreicher, die Rugby u. a. in Südafrika, Neuseeland und England zumindest semiprofessionell betreiben konnten, ist seit Anfang des Jahres als Trainer für das Nationalteam verantwortlich. „Rugby war immer mein Leben, und ich war schon als aktiver Spieler bei der Coaching-Seite dabei“, so Navas, der sich nicht lange bitten ließ, das Nationalteam nebenberuflich als Teamchef zumindest einmal zur EM 2022 zu begleiten.

Triumphzug in die B-Gruppe

Das Turnier der dritten Leistungsstufe im Juni in Belgrad wurde zum rot-weiß-roten Triumphzug. Mit sechs Siegen in sechs Spielen qualifizierten sich die Österreicherinnen souverän für die Rugby Trophy genannte zweite EM-Kategorie des europäischen Verbandes. Souverän ist dabei noch eine Untertreibung. Denn der 24:0-Sieg im Halbfinale gegen Lettland war noch das knappste Ergebnis. Im Finale wurde Bulgarien gleich mit 50:0 deklassiert, beim 44:5-Kantersieg in der Gruppenphase über Estland musste man den einzigen Versuch im gesamten Turnier hinnehmen.

Als Belohnung warten im nächsten Jahr bei der in zwei Turnieren ausgespielten „B-EM“ im Juni in Zagreb (10./11.) und in Budapest (17./18.) Duelle mit Nationen, in denen Rugby schon länger nicht mehr zu einer Randerscheinung gehört, wie Italien oder Georgien. „Für mich ist es wichtig, dass wir jetzt einmal in der Trophy Division bleiben. Das mittlere und längerfristige Ziel ist es aber, erneut aufzusteigen. Dazu müssen wir aber an der Tiefe des Kaders und der Entwicklung der Spielerinnen arbeiten. Wir haben einen super Kern, aber es muss von unten auch ein bisschen was nachkommen“, hat Teamchef Navas die Ziele für das kommende Jahr klar definiert.

Geregelte Härte

Damit von „unten etwas nachkommt“, bedarf es in Österreich noch viel Aufklärungsarbeit. Denn Rugby wird hierzulande noch gerne mit American Football ohne Schutzausrüstung gleichgesetzt – und gilt damit als doppelt so brutal. „Es ist ein harter Sport, aber fair. Es gibt ein komplexes Regelwerk, das vor allem dazu dient, die Spieler und Spielerinnen zu schützen“, versucht daher auch Lea Hehenberger, Kapitänin des Nationalteams und des Grazer Rugby-Clubs, das Klischee aus der Welt zu räumen. „Es gehört auch schon viel Verstand dazu.“

Ihre Nationalteamkollegin und ihr Pendant bei Rekordmeister Rugby Donau aus Wien, Karolina Pomej, pflichtet bei: „Es herrscht bei vielen Menschen eine falsche Vorstellung, dass man im Rugby einfach jemand unkontrolliert anrempeln darf. Aber es ist sehr streng geregelt. Alleine schon beim Körperkontakt wird genau unterschieden, hast du den Ball oder nicht“, so die Studentin, die beim erfolgreichen EM-Finale in Belgrad für den letzten Versuch der Österreicherinnen gesorgt hatte.

Nationalteamspielerin Karolina Pomej
Martin Flousek
Pomej (r.) gehört bei Rugby Donau und im Nationalteam zu den Stammspielerinnen

Gerade in der Siebenervariante stehe ohnehin die Schnelligkeit mehr im Vordergrund als die Kontaktsituationen. Hehenberger: „Im Sevens ist mehr Platz, und daher ist das Spiel schneller, weil viel im freien Raum passiert. Man kann als einzelne Spielerin auch mehr bewirken.“ Dazu sei es auch „einfacher, eine Handvoll Spielerinnen zusammen zu kriegen. Es ist auch übersichtlicher und für Anfänger leichter zu verstehen.“

Ewiger Kampf gegen Vorurteile

Schwerer zu überwinden und zu verstehen als die Klischees über Rugby sind aber die Vorurteile, mit denen Sportlerinnen generell und speziell Aktive in Kontaktsportarten konfrontiert werden. „Das Störendste ist, dass Frauensport scheinbar per Definition nicht so gut ist und dass man als Frau generell weniger aushält und einstecken kann“, ärgert sich Hehenberger, „Natürlich habe ich auch meine Schwächen, aber es werden immer alle Schwächen darauf bezogen, dass ich eine Frau bin und zwei X-Chromosomen habe.“

Dass die Körper von Rugby-Spielerinnen in der Vorstellung mancher offenbar keine Spur von Weiblichkeit ausstrahlen könnten, ist für Pomej jenes Klischee, mit dem sie oft konfrontiert wird. Über Kommentare wie „Du schaust ja gar nicht so aus wie eine Rugby-Spielerin“ oder „Muss ich jetzt Angst vor dir haben“ kann die Donau-Kapitänin nur den Kopf schütteln: „Als ob Rugby-Spielerinnen aggressiver oder brutaler sind.“

Aber es gebe auch immer wieder Lichtblicke. „Es wird oft auch sehr positiv aufgenommen, und es macht mich auch für manche Menschen interessanter. Oft bringt es eine Person dazu, dich aufmerksamer anzuschauen, weil Rugby nicht der Sport ist, den sie erwarten würde“, erzählt Pomej. Für Hehenberger ist es ohnedies wichtig, „sich eigene Maßstäbe“ zu setzen und sich von negativen Einflüssen „nicht runterziehen“ zu lassen.

„Man schützt sich gegenseitig“

Vor allem der Zusammenhalt und Teamgeist innerhalb einer Mannschaft sei es, der es nicht nur leichter mache, Ignoranz zu begegnen, sondern auch die Faszination des Spiels ausmache, betonen die beiden Spielerinnen fast unisono. „Man schützt sich gegenseitig mit dem eigenen Körper. Dadurch entsteht ein besonderes Teamgefüge. Wenn man sich nicht wirklich vertraut, funktioniert es nicht“, so Hehenberger, für die seit elf Jahren Rugby zum täglichen Leben gehört.

Auch für Pomej gehört der Teamspirit zum „Gesamtpaket“, das die Faszination Rugby ausmacht. „Dadurch, dass der Sport sehr körperbetont ist, wächst man als Team eng zusammen. Man arbeitet nicht nur für sich, sondern für das Team“, erklärt die Studentin, die seit neun Jahren zum Stamm von Rugby Donau gehört. „Ich weiß nicht, ob ich mich alleine nur für mich hinstellen und mich fünfmal tackeln lassen würde. Das Team steht für mich sehr im Vordergrund, das ist auch das Schöne daran.“

Teilzeitjob Rugby

Der Teamgedanke sei auch mit ein Grund für den Aufstieg im Juni gewesen, so Pomej: „Wir sind alle sehr ehrgeizig, und die Gruppe von Mädels, die sich da zusammengefunden hat, ist einfach extrem daran interessiert, dass sie selbst als Team und Österreich im Rugby besser wird. Wir sind bereit zu kämpfen, um uns hochzuarbeiten, weil wir persönlich sehr viel investiert haben. Es liegt uns einfach am Herzen.“

Teamchef Max Navas
Smilla Weber
Teamchef Navas will Rugby in Österreich generell voranbringen

Daher sind Hehenberger, Pomej und Co. auch bereit, viel von ihrer Freizeit für ihre sportliche Liebe zu investieren. „Es braucht schon ein gewisses Commitment“, so Hehenberger. Nicht nur zeitlich, sondern auch körperlich: „Für Sevens braucht man nicht die Masse, aber die Grundfitness spielt eine große Rolle. Sieben Minuten (pro Hälfte, Anm.) klingt für einen Laien nicht viel, aber es sind intensive sieben Minuten“, erklärt die Wahlgrazerin.

Für Pomej ist Rugby „schon ein geringfügiger Job, im Ausmaß von zehn Stunden die Woche“. Vor allem sich von Uni oder Arbeitsplatz für die meist mehrtätigen Turniere freizuschaufeln, insbesondere in der Frühjahrssaison, wo traditionell die Sevens-Events abgehalten werden. „Manchmal muss man sich von Donnerstag bis Sonntag oder von Freitag bis Montag die Tage freihalten“, gibt die Donau-Kapitänin Einblick ins Leben einer Amateurin. Denn leben kann man in Österreich von Rugby nicht, Geld gibt es nur in Form von Fahrtkosten und Logis bei offiziellen Events wie einer EM.

Olympia noch eine „Fantasiewelt“

Sicher bezahlt würde eine Reise zum olympischen Sevens-Turnier werden. Doch daran verschwenden die aktuellen österreichischen Nationalspielerinnen keine Gedanken. „In einer Fantasiewelt wäre es sicher schön. Für mich ist es aber keine Motivation, denn ich denke, Ziele müssen realistisch sein, und Olympia ist nicht realistisch“, sagt etwa Pomej.

Auch Hehenberger sieht die Priorität im heimischen Rugby nicht in einer Olympiateilnahme – auch wenn seit ihrem Einstieg vor elf Jahren das Niveau in Österreich „gehörig gestiegen“ ist: „Aktuell sind wir davon (Olympia, Anm.) noch weit entfernt, strukturell oder auch von den Ressourcen her. Bis ich in Rugby-Pension gehe, wird es wohl eher nichts“, so die Teamkapitänin mit einem Augenzwinkern.

Für Teamchef Navas ist der nächste Schritt, noch mehr junge Frauen für den Rugby-Sport zu begeistern. „Wir müssen zuerst einmal viel in die Entwicklung von Rugby stecken, damit wir mehr Tiefe bekommen, eine stabile Liga und Struktur haben. Es muss erst einmal in diese Richtung gehen, bevor wir Richtung Olympia denken. Wir können nicht gleich auf das Toplevel schauen, sondern müssen erst einmal eine solide Grundlage schaffen“, erklärt der langjährige Teamspieler. Nachsatz: „Aber natürlich darf man träumen.“