Kevin De Bruyne im Belgien-Dress
APA/AFP/Andreas Gebert
FIFA WM 2022

Belgien nimmt nächsten Titelanlauf

Belgiens Nationalmannschaft zählt seit mehreren Jahren bei großen Fußballturnieren zu den Favoriten. Für einen Titel hat es bisher allerdings noch nicht gereicht, obwohl die Auswahl von Teamchef Roberto Martinez über eine bemerkenswerte Ansammlung von Klassespielern verfügt. Bei der WM in Katar soll nun der große Wurf gelingen. Für die „Goldene Generation“ dürfte es die letzte Gelegenheit sein. Zum Auftakt der Endrunde 2022 in Katar wartet am Mittwoch (20.00 Uhr, live in ORF1) Außenseiter Kanada.

Bei der Endrunde 2018 in Russland marschierte Belgien mit drei Siegen durch die Gruppenphase, gewann dann auch im Achtelfinale gegen Japan (3:2) und im Viertelfinale gegen Brasilien (2:1). In der Vorschlussrunde scheiterte Österreichs kommender EM-Qualifikationsgegner als stärkere Mannschaft am Zweckfußball des späteren Weltmeisters Frankreich (0:1), das 2:0 im Spiel um Platz drei gegen England war ein schwacher Trost.

Viereinhalb Jahre später sind die Schlüsselspieler rund um Kevin de Bruyne und Eden Hazard zwar die gleichen – nur haben einige von ihnen den Zenit überschritten. Die Generalprobe für die Endrunde ging mit einer 1:2-Niederlage gegen die nicht qualifzierten Ägypter jedenfalls schief. Der verpatzte Test ließ Zweifel am hoch gesteckten Ziel Finaleinzug laut werden.

Lukaku muss passen

Mit Romelu Lukaku fehlt dem österreichischen Gegner in der kommenden EM-Qualifikation beim ersten Auftritt in Katar zudem ein Schlüsselspieler. Der Starstürmer hat in dieser Saison für Inter Mailand wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel nur fünf Spiele bestritten und verpasst zumindest die erste WM-Partie der „Roten Teufel“.

Lukaku beim Spielen
IMAGO/Belga/Virginie Lefour
Hinter dem Fitnesszustand von Belgiens Stürmerstar Lukaku steht ein großes Fragezeichen

Belgien-Coach Roberto Martinez erklärte: „Wir sind aber mit seiner Entwicklung zufrieden. Es kann bei ihm das zweite oder dritte Spiel werden. Die Ärzte sagen, es wird das dritte Spiel. Wenn ich aber danach gehe, wie der Spieler sich fühlt, haben wir eine Chance auf das zweite Spiel.“

Der Trainer räumte allerdings ein, dass sein Team sein Spielsystem und auch das aufgebotene Personal ohne Lukaku abändern müsse. Michy Batshuayi von Fenerbahce Istanbul als Ersatzmann im Angriff vermochte gegen die Ägypter nicht zu überzeugen. Zumindest wurde Defensivspieler Thomas Meunier nach seinem Jochbeinbruch rechtzeitig wieder fit.

Drei Schlüsselspieler

Martinez hofft, seinen Sturmtank, der mit 68 Treffern belgischer Rekordtorschütze ist, spätestens in der K.-o.-Runde einsetzen zu können. Ausgeschlossen scheint nur, dass er dann der Mannschaft sogleich wieder in Topform helfen wird können. Warum er dann überhaupt in Katar dabei ist, wird unterdessen nicht ernsthaft diskutiert. „Wir können es uns einfach nicht leisten, Lukaku nach Hause zu schicken“, schrieb Ex-Nationaltrainer Marc Wilmots in einem Beitrag für „Nieuwsblad“.

Belgiens „Goldene Generation“ unter Zugzwang

In den vergangenen Jahren hat Belgiens „Goldene Generation“ keinen internationalen Titel holen können, obwohl sie immer zu den Favoriten gezählt hat. Die Weltmeisterschaft in Katar könnte vorerst die letzte realistische Chance auf einen Triumph werden.

Teamchef Roberto Martinez zählt De Bruyne so wie Lukaku und Torhüter Thibaut Curtois von Real Madrid zu den Schlüsselspielern seiner Mannschaft. „Diese drei können wir nicht eins zu eins ersetzen. Wenn sie nicht zur Verfügung stehen, müssen wir anders spielen“, sagte der seit 2016 amtierende Spanier, zu dessen Assistenten der ehemalige französische Torjäger sowie Welt- und -Europameister Thierry Henry zählt.

Teamchef bleibt zuversichtlich

Im der belgischen Bevölkerung wachsen jedoch die Zweifel am Potenzial des Nationalteams. Dass das Team des 49-jährigen Coaches noch einmal einen Achtungserfolg wie in Russland 2018 schafft, halten die meisten für ausgeschlossen. Ohnehin hält sich die Begeisterung für die umstrittene WM in Katar in sehr engen Grenzen. Echte Fans sind – auch aus finanziellen Gründen – kaum in Katar dabei und in der Heimat wird das bei den Fans beliebte gemeinsame WM-Schauen von den meisten Gastronomen aus Protest gegen die FIFA und diese WM nicht angeboten.

FIFA WM 2022, Gruppe F

Mittwoch, 20.00 Uhr, live in ORF1

Belgien – Kanada

Al-Rajjan, Ahmad bin Ali Stadium, SR Sikazwe (SAM)

Mögliche Aufstellungen:

Belgien: Courtois – Debast, Alderweireld, Verthongen – Meunier, Tielemans, Witsel, Carrasco – E. Hazard, De Bruyne – Batshuayi

Kanada: Borjan – Johnston, Vitoria, Miller – Laryea, Eustaquio, Hutchinson, Adekugbe – David, Davies – Larin

Martinez möchte beim Weltranglisten-Zweiten aber gleichzeitig nicht den Panikknopf bedienen und dem Fehlen Lukakus nicht zu viel Bedeutung beimessen. „Diese Truppe ist seit sechs Jahren beisammen“, sagte der Spanier auch in Bezug auf seine Amtszeit. „Es ist nicht so, dass da plötzlich nichts mehr übrig ist.“ Die Ernüchterung gegen Ägypten sollte daher als ein Weckruf dienen.

Und der Coach erinnerte daran, dass er das Match dazu genutzt hatte, einigen der sonst nicht so oft zum Einsatz gekommenen Spielern wichtige Spielminuten gegeben zu haben. „Wir müssen bereit sein“, meinte Martinez in Blickrichtung der Kanada-Partie. „Wir können nicht erwarten, bei der WM zu gewinnen, wenn wir nicht auf unserem höchsten Level agieren.“

Kanada freut sich auf Comeback

Apropos höchster Level: Belgiens Auftaktgegner Kanada ist zum zweiten Mal bei einer WM-Endrunde dabei. Die Nordamerika hoffen dabei auf eine erfreulichere Erfahrung, als bei ihrem Debüt 1986. In Mexiko blieben die Kanadier in einer Gruppe mit dem damaligen Europameister Frankreich, der Sowjetunion und Ungarn ohne Punkt un Torerfolg. Das soll sich in Katar ändern.

Der Gewinn der WM-Qualifikation vor den USA und Mexiko gibt der mit Bayern-Spieler Alphonso Davies auftretenden Truppe des englischen Coaches John Herdman Zuversicht, dass das in Katar geändert wird. „Wir müssen als Einheit auftreten, als Kollektiv“, gab Mittelfeldspieler Jonathan Osorio die Marschroute vor. „Wir müssen Druck auf die Gegner ausüben und sie zu Fehlern zwingen. Und in der Offensive müssen wir in den Flow kommen.“