Die Fußballmannschaft von Qatar
Reuters/Lisa Leutner
FIFA WM 2022

Katar eröffnet Fußballfest mit Schattenseiten

Am Sonntag (17.00 Uhr MEZ, live in ORF 1) startet Gastgeber Katar in al-Chor mit dem Spiel der Gruppe A gegen Ecuador in die 22. Fußball-WM. Sich auf das Sportliche zu konzentrieren fällt vielen aber schwer, angesichts der Last an Themen, für die das Emirat vor allem in Europa heftig kritisiert wird. Korruption, Menschenrechte und die Behandlung von Gastarbeitern sind Bereiche, bei denen das Land nicht westlichen Werten entspricht.

Neu ist das Thema nicht. Immer wieder finden Großveranstaltungen in Ländern statt, die den prestigeträchtigen sportlichen Wettkampf für sich nutzen wollen. Die WM 1978 in Argentinien fand während einer skrupellosen Militärdiktatur statt.

Die Junta, die für Tausende Tode verantwortlich war, nutzte die Veranstaltung für eine kurzzeitige Imagekorrektur und sonnte sich im Glanz der eigenen Nationalmannschaft, die zum ersten Mal Weltmeister wurde. Im Nachhinein steht für viele – auch innerhalb des Weltverbands FIFA – fest, dass dieses Turnier niemals hätte stattfinden dürfen. Gut möglich, dass in Zukunft so auch über die WM in Katar geurteilt wird.

Vorfreude auf die Fußball-WM

Mit dem Spiel zwischen Gastgeber Katar und Ecuador wird am Sonntag die 22. Fußball-WM eröffnet.

FIFA macht die Mauer

Noch macht die FIFA dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, und seiner Gefolgschaft die Mauer. Präsident Gianni Infantino entgegnete erst kürzlich wieder zu der kolportierten Zahl von 6.500 Menschen, die beim Bau der acht WM-Stadien ums Leben kamen, dass es nur drei offizielle Todesopfer gebe.

Mit Menschenrechten ist es in dem arabischen Land, das seinen Reichtum den Öl- und Gasvorkommen verdankt, generell nicht so gut bestellt. So ist Homosexualität per Gesetz verboten. Menschenrechtsorganisationen raten homosexuellen Fans denn auch von einer Reise nach Katar ab.

FIFA WM 2022, Gruppe A

Sonntag, 17.00 Uhr, live in ORF1

Katar – Ecuador

Al-Chor, Al Bayt Stadium, SR Orsato (ITA)

Mögliche Aufstellungen:

Katar: al-Schib – Pedro Miguel, Salman, al-Rawi, A. Hassan, Ahmed – Hatim, Asad, Abu Diaf – Alaa al-Din, Ali

Ecuador: Dominguez – An. Preciado, Hincapie, Torres, Estupinan – Franco, Gruezo, Caicedo – Plata, Valencia, Ibarra

Heiß, teuer, anstrengend

Wer es dennoch dorthin geschafft hat, für den bieten die herkömmlichen Preise für Unterkünfte, Speis und Trank oder das Verbot von alkoholischem Bier rund um alle Stadien Anlass zum Ärger. Die verheerende Klimabilanz des Wüstenstaates wurde bei allen anderen Kritikpunkten fast schon vergessen.

Dabei wird diese durch den Umstand, dass die WM im Winter und nicht bei brütender Hitze im Sommer gespielt wird, sogar etwas beschönigt, weil die Klimaanlagen nicht permanent auf Hochtouren laufen müssen. Für die Spieler ist der enorm dicht getaktete Kalender seit Sommer eine weitere Belastung.

Ecuador Favorit im Eröffnungsspiel

Im vom 46-jährigen Italiener Daniele Orsato zu leitenden Eröffnungsspiel ist Ecuador der Favorit. Die Mannschaft sicherte sich als Vierter der hart umkämpften Südamerika-Qualifikation die Teilnahme und steht defensiv sicher. „La Tri“ blieb zuletzt in sechs Testspielen ohne Gegentor, gewann dabei aber nur zweimal – und das jeweils mit 1:0. Die anderen Partien endeten torlos.

Zugpferde sind Mittelfeldspieler Moises Caicedo von Brighton, Verteidiger Piero Hincapie von Bayer Leverkusen und Stürmer Enner Valencia von Fenerbahce. Einen umstrittenen Akteur hat Trainer Gustavo Alfaro daheim gelassen: Byron Castillo ist gebürtiger Kolumbianer, wegen seiner Qualieinsätze hatten Chile und Peru den WM-Ausschluss Ecuadors verlangt.

Katars Team hofft auf das Beste

Katar darf sich unterdessen freuen, mit seinem Team einmal sportlich statt als ungeliebter Veranstalter im Mittelpunkt zu stehen. Über die Gruppe A, in der auch noch Senegal und die Niederlande gelost wurden, ist das Achtelfinale nicht ausgeschlossen, was die Erwartungshaltung der Fans beflügelt. Der spanische Trainer Felix Sanchez hat das Team über Monate komplett abgeschottet, die jüngsten fünf Testspiele (u. a. gegen Chile, Panama, Albanien) blieb man ungeschlagen und gewann die letzten vier.

„Ich spreche natürlich nicht davon, dass Katar die WM gewinnt, aber es ist unsere Aufgabe, auf einem guten Level mit den drei Teams mitzuhalten“, sagte Sanchez. „Am Ende ist es Fußball – man kann nie wissen, was passiert.“ Katar ist übrigens der erste WM-Debütant seit Italien 1934, der gleichzeitig als Gastgeber antritt. Die damalige Propagandaveranstaltung gewann, mit viel politischem Druck, dann auch Italien.