Deutschlands Torwart Manuel Neuer mit der One-Love-Binde
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FIFA WM 2022

„One Love“: Teams geben FIFA-Druck nach

Der Fußballweltverband (FIFA) hat mit seiner Drohung, die Verwendung der mehrfarbigen „One Love“-Kapitänsschleife bei der WM-Endrunde in Katar zu sanktionieren, Erfolg gehabt. Nach Beratungen der Europäischen Fußballunion (UEFA) mit der FIFA entschieden die beteiligten europäischen Nationen, das Risiko einer möglichen Gelben Karte oder anderer sportlicher Sanktionen nicht einzugehen. Daher verzichten Frankreich, Deutschland und Co. auf die geplante Aktion für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit.

Am Montag hätte Englands Harry Kane gegen den Iran als Erster die von den Regierenden in Katar und von der FIFA nicht gern gesehene Schleife tragen sollen. Nachdem aber die Beratungen zwischen FIFA und UEFA zu keinem positiven Ergebnis geführt hatten, entschieden sich die Kapitäne der europäischen WM-Teilnehmer nacheinander dafür, auf die Schleife zu verzichten. Einzig Frankreichs Torhüter Hugo Lloris hatte bereits vor der Drohung der FIFA angekündigt, nicht die umstrittene Schleife zu tragen.

Die Kampagne war eine im September angekündigte gemeinsame Aktion der Teams aus Frankreich, Deutschland, England, den Niederlanden, Belgien und der Schweiz sowie von Wales und Dänemark. Auch Norwegen und Schweden, die beide nicht für die WM qualifiziert sind, hatten sich der Aktion, die als Protest gegen die Diskriminierung und Ausgrenzung von LGBTQ+ im Emirat gelten hätte sollen, angeschlossen.

Harry Kane (ENG)
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Die von der FIFA ungeliebten „One Love“-Schleifen müssen bei Harry Kane und Co. im Spind bleiben

Spieler sollen nicht bestraft werden

Die FIFA hatte nun jedoch gedroht, alle Kapitäne sofort nach Spielbeginn mit einer Gelben Karte zu verwarnen. Der somit aufgebaute sportliche Druck wirkte. Die FIFA habe „sehr deutlich“ zu verstehen gegeben, dass sie „sportliche Sanktionen“ verhängen werde, „falls unsere Kapitäne die Armbinden auf dem Spielfeld tragen“, erklärten sieben für die Fußball-WM in Katar qualifizierte europäische Fußballverbände am Montag in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Die Aussicht im sportlichen Wettstreit einen Nachteil zu haben, führte vor allem aus Rücksicht auf die Profis zum Einlenken. „Wir waren bereit gewesen, Strafen zu zahlen, was normalerweise bei Verstößen gegen Kleiderregularien der Fall wäre. Dennoch konnten wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie eine Gelbe Karte bekommen könnten oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen“, hieß es von Seiten des englischen Verbandes FA in der gemeinsamen Stellungnahme.

FIFA agiert „gegen den Geist des Sports“

Ahnlich äußerte sich auch der niederländische Verband. "Wir stehen zur „One Love"-Botschaft und werden diese weiter verbreiten, aber unsere oberste Priorität ist es, Spiele zu gewinnen. Da möchte man nicht, dass der Kapitän das Spiel mit einer Gelben Karte beginnt“, so der KNVB. Die Niederländer sparten aber auch nicht mit Kritik: „Dass die FIFA uns auf dem Platz bestrafen will, ist einmalig und geht gegen den Geist des Sports, der Millionen verbindet.“ Man werde in den kommenden Monaten einen „kritischen Blick auf unsere Beziehung zur FIFA“ werfen.

Der dänische Teamchef Kasper Hjulmand schüttelte bei seiner abschließenden Pressekonferenz vor dem ersten Auftritt seiner Mannschaft am Dienstag (14.00 Uhr, live in ORF1) gegen Tunesien nur den Kopf über das Vorgehen der FIFA. „Eine Gelbe Karte zu kriegen, wenn man schon auf den Platz kommt – das kann nicht sein“, sagte der Coach. Zwar ließ es Hjulmand offen, ob sein Kapitän Simon Kjaer nicht doch die Schleife tragen wird, doch sein Verband trägt die Verzichterklärung laut der gemeinsamen Erklärung der Europäer mit.

Verband pocht auf Kleidungsvorschriften

Die FIFA hob in einer Mitteilung vom Montag explizit den Artikel 13.8.1 der Ausrüstungsregeln hervor: „Für FIFA-Finalwettbewerbe muss der Kapitän jeder Mannschaft eine von der FIFA gestellte Armschleife tragen.“ Die FIFA unterstütze Kampagnen wie „One Love“, aber das müsse im Rahmen der allen bekannten Regeln erfolgen. Als Folge könnten die Spielführer der Teams nun mit vom Weltverband bereitgestellten Sprüchen auflaufen. Statt dem für den ersten Spieltag vorgesehenen Motto „Fußball verbindet die Welt“ zog die FIFA kurzerhand den Slogan „Keine Diskriminierung“ vor.

Dabei scheinen sich gerade bei der am Sonntag begonnenen WM Gräben aufzutun. „Heute werden sich LGBTQ+-Fußballfans und ihre Verbündeten wütend fühlen. Heute fühlen wir uns verraten“, schrieb die Fanorganisation Football Supporters’ Association (FSA) angesichts des Verbots der „One Love“-Schleife. „Heute empfinden wir Verachtung für eine Organisation, die ihre wahren Werte unter Beweis gestellt hat, indem sie den Spielern die Gelbe Karte und der Toleranz die Rote Karte gezeigt hat.“

Engländer knien erneut

Immerhin einen Protest lassen sich zumindest die Engländer nicht verbieten. Die Spieler des Vizeeuropameisters werden auch in Katar vor den Spielen auf dem Rasen niederknien. Das bestätigte Teamchef Gareth Southgate schon am Sonntagabend in Doha. „Wir haben darüber diskutiert und wir fühlen, dass wir es machen sollten. Dafür stehen wir als Team“, sagte der 52-Jährige.

Schon bei der EM im Vorjahr waren sie vor jedem ihrer Spiele mit einem Knie auf den Boden gegangen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. „Das ist die größte Bühne, und es wäre ein starkes Statement für die jungen Menschen auf der ganzen Welt“, so Southgate, dessen Spieler vor der Partie gegen den Iran auch wie angekündigt auf die Knie gegangen waren.