Laut dem Datenunternehmen Nielsen Gracenote war der Sieg der Araber über die in 36 Spielen zuvor ungeschlagene „Albiceleste“ die größte Sensation der WM-Geschichte. Das Spiel löste den Sieg der USA über England bei der WM in Brasilien 1950 ab. Die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg lag demzufolge bei 8,7 Prozent, wofür das Unternehmen eine komplexe Formel aus Teamstärke, Spielort und Geschichte sowie ein eigenes Ranglistensystem heranzieht.
Dieser Erfolg sorgte naturgemäß für ausgelassenen Jubel, allen voran bei den Protagonisten. „Wir haben Geschichte geschrieben, das wird für immer bleiben“, meinte Teamchef Herve Renard. Der Franzose dankte auch Kronprinz Mohammed bin Salman für dessen Unterstützung in den drei Jahren, seitdem er das Team betreut. „Er hat nie Druck ausgeübt und das ist wunderbar. Weil jemanden unter Druck setzen nicht sehr oft funktioniert“, erklärte Renard nach der Sensation.
Saudis schlagen sensationell Argentinien
Der dritte Tag der Fußballweltmeisterschaft bringt die erste große Sensation. Saudi-Arabien besiegt Argentinien 2:1. Es ist die erste Niederlage für die Südamerikaner nach 36 Spielen.
„Renard hat uns eingeheizt“
Mittelfeldspieler Abdulelah Almaki gab einen Einblick in die Arbeit des Trainers: „Renard hat uns heute zum Weinen gebracht mit seiner Ansprache vor dem Spiel und in der Halbzeit hat er uns angeheizt.“ Denn zur Pause lag Saudi-Arabien noch 0:1 zurück, Argentinien erzielte zudem drei Treffer, die wegen Abseits nicht gegeben wurden. Nach dem Seitenwechsel drehten die Saudis die Partie dann fulminant mit einem Doppelpack durch Saleh al-Schahri (48.) und Salem al-Dawsari (53.), von dem sich der Favorit die restliche Partie nicht mehr erholte.
Besonders gefeiert wurde auch der saudische Torwart Mohammed al-Uwais, der mit seinen Paraden den Sieg gegen den haushohen Favoriten gesichert habe. „Tausend, tausend Glückwünsche, ihr Helden“, schrieb der saudische Sportminister Abdalasis bin Turki al-Faisal auf Twitter. Der Chef der saudischen Unterhaltungsbehörde, der einflussreiche Sportfunktionär Turki al-Scheich, gab den Eintritt zu drei Vergnügungsparks frei, um den Sieg zu feiern.
„Ganz Saudi-Arabien feiert Sieg der ‚Grünen‘“
Fotos des saudischen Sender al-Ekhbaria zeigten, wie auch der saudische Kronprinz den Erfolg vor dem Fernseher feierte. „Ganz Saudi-Arabien feiert den Sieg der Grünen über Argentinien“ titelte der Sender und interviewte begeisterte Fans.
Auch in anderen arabischen Ländern löste der saudische Erfolg Freude aus. Der Kommentator des in Katar ansässigen Sportsenders Bein Sports fieberte in den letzten Momenten der rund 14-minütigen Nachspielzeit aufgeregt dem Ende entgegen. „Wo bleibt der Schlusspfiff?“, flehte er den slowenischen Slavko Vincic an. Als dieser ertönte, brüllte er ein langgezogenes „Allaaaaaaahhhhhhhh“ ins Mikro. Ähnlich euphorisch hatte er schon den 2:1-Treffer der Saudis gefeiert. „Das ist im wahrsten Sinne des Wortes völlig verrückt“, rief er.
Anhänger des saudischen Königshauses versuchten zugleich, den Erfolg politisch auszuschlachten. Der Thronfolger, Sohn des Königs Salman, ist der eigentlich starke Mann in Saudi-Arabien. International steht er wegen Menschenrechtsverletzungen stark in der Kritik. US-Geheimdienste beschuldigen ihn auch, für den Mord an dem Journalisten Jamal Khaschoggi im saudischen Konsulat in Istanbul durch ein Mordkommando aus Riad verantwortlich zu sein.
Messi: „Es gibt keine Entschuldigung“
Beim argentinischen Team herrschte unterdessen Katerstimmung. „Es gibt keine Entschuldigung. Wir müssen nun vereinter sein als je zuvor“, sagte Argentiniens Superstar Messi nach der Blamage. „Jetzt müssen wir zeigen, dass wir eine echte Mannschaft sind“, so Messi.
Der Offensivstar absolviert in Katar die fünfte und letzte WM seiner Karriere und träumt weiterhin vom ersten Titelgewinn. Dieser ist nach der überraschenden Auftaktniederlage aber in weiter Ferne. Man muss erstmals seit 20 Jahren das Aus schon in der Gruppenphase fürchten.
„Es ist eine Situation, in der wir schon lange nicht mehr waren“, sagte Messi und nannte die Niederlage gegen die furios kämpfenden Männer aus Saudi-Arabien einen „schweren Schlag für uns alle“. Niemand bei den Argentiniern habe „damit gerechnet, so zu starten“. 36 Spiele nacheinander hatte die Mannschaft zuvor nicht mehr verloren.