Marcelo Brozovic gegen Sofyan Amrabat
IMAGO/Pixsell/Goran Stanzl
FIFA WM 2022

Kroatien startet mit Nullnummer

Anders als Weltmeister Frankreich am Tag zuvor ist Vize Kroatien am Mittwoch holprig in die Endrunde 2022 in Katar gestartet. Luka Modric und Co. kamen zum Auftakt der Gruppe F im Al Bayt Stadium gegen Marokko nicht über ein 0:0 hinaus. Es war die dritte Nullnummer im bisher neunten WM-Spiel. In einer ausgeglichenen, aber chancenarmen Partie blieben vor allem die Kroaten spielerisch viel schuldig.

Die Kroaten, die vor vier Jahren im Finale in Moskau gegen Frankreich mit 2:4 den Kürzeren gezogen hatten, kamen vor 59.407 Zuschauerinnen und Zuschauern in al-Chaur gegen die Marokkaner zum Auftakt nie wirklich auf Touren. Der Vizeweltmeister hatte in einem Spiel mit wenig Chancen zwar die besseren, konnte den marokkanischen Abwehrriegel aber nicht knacken.

Marokko, das vor vier Jahren in Russland in der Vorrunde gescheitert war, zeigte sich zwar etwas aktiver, blieb aber offensiv ebenfalls blass. Die Nordafrikaner warten nach der Nullnummer weiter auf ihren ersten Sieg bei einer WM seit 1998. Von 2002 bis 2014 waren die „Löwen vom Atlas“ allerdings nicht für eine Endrunde qualifiziert. Am Abend (20.00 Uhr, live in ORF1) stehen sich in Gruppe F Belgien und WM-Rückkehrer Kanada gegenüber.

Heimvorteil Marokko

Zum zweiten Mal bei dieser WM war das markante einem Zelt nachempfundene Dach des Al Bayt Stadium der Rahmen für ein Gruppenspiel. Am Sonntag war an gleicher Stelle die Endrunde mit der 0:2-Niederlage von Gastgeber Katar gegen Ecuador eröffnet worden. Diesmal hatten die Marokkaner Heimvorteil. Auf den Tribünen war das markante Rot der Nordafrikaner gegenüber dem kroatischen Karo klar in der Überzahl. Beim Nations-League-Spiel der Kroaten Ende September in Wien hatte das noch deutlich anders ausgesehen.

Gleich war logischerweise die Anzahl an Feldspielern, die sich gegenüberstanden. Die kroatische Elf wurde wie erwartet von Superstar Luka Modric angeführt, auch Marcelo Brozovic und der gebürtige Linzer Mateo Kovacic waren rechtzeitig für die erste Partie fit geworden. Josko Gvardiol war trotz Nasenbeinbruchs, dafür aber mit Schutzmaske dabei. Bei Marokko fiel vor allem die Personalie Nayef Aguerd auf. Der Verteidiger, der bei West Ham in der Premier League heuer nur einmal mitkicken dufte, stand diesmal von Beginn an auf dem Platz.

Vorsichtige erste Hälfte

Die Anfangsminuten fielen in die Kategorie vorsichtig. Keine Mannschaft wollte sich allzu früh aus der Reserve locken lassen, schließlich lauerten da wie dort mit Ivan Perisic und Andrej Kramaric bzw. Hakim Ziyech gefährliche Stürmer. Daher dauerte es auch mehr als eine Viertelstunde, bis sich der Ball das erste Mal einem Gehäuse näherte – fast wäre ein Traumtor daraus geworden. Denn Perisic hatte gesehen, dass Marokkos Goalie Yassine Bounou ein Stück zu weit vor seinem Tor gestanden war, der Versuch des Routiniers aus rund 30 Metern ging aber knapp drüber (17.).

Perisic verzieht knapp

Der Torjäger versuchte, den marokkanischen Goalie aus der Distanz zu überlisten, der Ball ging aber knapp drüber.

Die Partie nahm auch nach dem ersten Aha-Moment nur wenig Fahrt auf. Marokko agierte zwar etwas aktiver als die Kroaten, mehr als ein Freistoß von Ziyech aus guter Distanz, der allerdings in der Mauer landete, war für die Nordafrikaner aber nicht drinnen (20.). Kroatien schob sich entweder geduldig die Kugel hin und her oder lauerte bei Ballbesitz der Kontrahenten auf Fehler, um dann blitzschnell in den Gegenangriff überzugehen. Aber auch die marokkanische Abwehrreihe stand vorerst sicher, flog der Ball einmal in einen Strafraum, waren die Torhüter zur Stelle.

Nachdem das Spiel 45 Minuten dahingeplätschert war, kamen die Kroaten dem 1:0 in der Nachspielzeit wie aus dem Nichts ganz nahe. Nach einem perfekten Stanglpass von Borna Sosa machte Nikoka Vlasic in der Mitte alles richtig, doch Bounou im Tor stand goldrichtig und verhinderte aus kurzer Distanz die kalte Dusche vor der Pause. Unmittelbar danach pfefferte Modric das Leder knapp über die Querlatte (45.+2). Daher blieb es beim 0:0 zur Halbzeit.

Bounou zeichnet sich aus (45+1. Minute)

Kurz vor Ende der ersten Spielhälfte kam es zu der ersten zwingenden Chance. Marokkos-Goalie Yassine Bounou rettete gleich zweimal gegen die Kroaten.

Offene Partie ohne Tempo

In der zweiten Hälfte plätscherte die Partie zwar vorerst ebenfalls nur dahin, aber wenigstens begann sie gleich mit Torchancen hüben wie drüben. Zuerst köpfelte Bayern-Legionär Noussair Mazraoui – der wenig später verletzt ausgewechselt werden musste – Goalie Dominik Livakovic aus spitzem Winkel auf den Oberschenkel (51.), praktisch im Gegenzug fand der Ball von Perisic’ Hinterkopf fast den Weg ins marokkanische Tor (52.). Bounou im Tor stand aber wie schon kurz vor der Pause zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Fleck.

Marokko blieb weiter um ein Alzerl initiativer als Kroatien. Trotzdem bissen sich die „Löwen vom Atlas“ an der sicher stehenden Abwehr des Vizeweltmeisters die Zähne aus. Ein Weitschusshammer von Achraf Hakimi weckte nicht nur die marokkanischen Fans, sondern auch Kroatiens Goalie Liovakovic auf. Der faustete die scharf daher fliegende, aber zentral angetragene Kugel aber aus dem Gefahrenbereich (62.). Schon kurz davor hatte sich der Schlussmann nicht überraschen lassen, als Selim Amallah eine Flanke fast noch gefährlich abfälschte.

Distanzschuss von Hakimi (65. Minute)

Ein Freistoß der Marokkaner wurde kurz auf Achraf Hakimi abgelegt, der zog wuchtig ab, Dominik Livakovic im Tor der Kroaten meisterte die Aufgabe aber souverän.

Erst im letzten Viertel der Partie übernahmen die Kroaten optisch das Kommando über die Partie. Marokko schien mit dem Zähler gegen den Vizeweltmeister gut leben zu können und konzentrierte sich verstärkt darauf, sich aus Unachtsamkeit nicht doch noch einen Gegentreffer einzufangen. Entsprechend mau gestaltete sich auch die Schlussphase der Partie, die dank einiger Behandlungspausen wie bei dieser WM gewohnt gleich um sechs Minuten verlängert wurde. An einer torlosen, aber gerechten Punkteteilung ändert das aber auch nichts.

Stimmen zum Spiel:

Walid Regragui (Teamchef Marokko): „Wir haben gegen eine wirklich sehr gute Mannschaft gespielt. Im Mittelfeld waren sie sehr gut, wir haben versucht, ihnen Probleme zu bereiten. Wir hatten manchmal zu viel Respekt, es war ein intensives Spiel. Es ist ein sehr gutes Ergebnis, bravo an die Mannschaft. Es ist noch Zeit, sich für das Achtelfinale zu qualifizieren. Die Zuschauer haben sicher geholfen, sodass wir über die Grenzen gehen konnten. Wir hatten unsere Möglichkeiten, sie waren aber noch nicht so konkret.“

Luka Modric (Kroatien-Kapitän): „Es war ein schweres Spiel. In der ersten Hälfte waren wir in der ersten Viertelstunde sicher besser. In der zweiten Hälfte sind wir besser geworden, leider haben wir die Chancen nicht genutzt. Es war das erste Spiel, es wird sicher noch besser im Verlauf des Turniers. Ein Unentschieden ist auch nicht schlecht.“

FIFA WM 2022, Gruppe F, erster Spieltag

Mittwoch:

Marokko – Kroatien 0:0

Al-Chaur, Al Bayt Stadium, 59.407, SR Rapallini (ARG)

Marokko: Bounou – Hakimi, Aguerd, Saiss, Mazraoui (60. Attiat-Allah) – Ounahi (82. Sabiri), Amrabat – Ziyech, Amallah, Boufal (65. Abde) – En-Nesyri (81. Hamdallah)

Kroatien: Livakovic – Juranovic, Lovren, Gvardiol, Sosa – Modric, Brozovic, Kovacic (79. Majer) – Vlasic (46. Pasalic), Kramaric (71. Livaja), Perisic (90. Orsic)

Gelbe Karten: Amrabat