FIFA WM 2022

DFB-Team patzt zum Auftakt gegen Japan

Die Fußballweltmeiterschaft 2022 hat ihre nächste faustdicke Überraschung: Am Mittwoch verlor Deutschland sein Auftaktspiel in der Gruppe E gegen Japan mit 1:2 (1:0). Das DFB-Team, das vor dem Anpfiff ein Zeichen gegen den Fußballweltverband (FIFA) gesetzt hat, führte zwar gegen den Außenseiter verdient, gab aber in der Schlussphase das Spiel noch aus der Hand. Nach der Blamage 2018 legte Deutschland also wieder einen Fehlstart hin.

Vor vier Jahren scheiterte Deutschland als Weltmeister erstmals in der Gruppenphase, dieses Schicksal droht nun wieder: Einen Tag nach dem 2:1 von Saudi-Arabien gegen Argentinien mühte sich das DFB-Team in die Partie, übernahm aber die Kontrolle und ging verdient durch einen Elfmeter von Ilkay Gündogan in Führung (33.). Nach der Pause trafen Serge Gnabry und Gündogan Aluminium, doch Japan kam im Finish auf und drehte die Partie durch Ritsu Doan (75.) und Takuma Asano (83.)

Beide japanischen Torschützen verdienen ihr Geld in der deutschen Bundesliga, Doan beim SC Freiburg und Asano beim VfL Bochum. So geht Deutschland nun schwer unter Druck am Sonntag (20.00 Uhr, live in ORF1) in den Gruppenschlager gegen Spanien, Japan kann davor gegen Costa Rica (11.00 Uhr) nachlegen. Nach dem 7:0 Spaniens gegen Costa Rica ist zudem klar: Sollte das DFB-Team am Sonntag verlieren und Japan punkten, ist Deutschland schon ausgeschieden.

„Joker“ Doan gleicht aus (75. Minute)

Der wenige Minuten zuvor eingewechselte Ritsu Doan gibt gleich seine Spielberechtigung ab. Nach Abwehr von Neuer staubt der „Joker“ zum 1:1 ab.

Deutschland setzt vor Anpfiff Zeichen

Sportlich haben sich die deutschen Spieler bei diesem Turnier auch eine Wiedergutmachung zum Ziel gesetzt, nachdem man vor vier Jahren bereits in der Gruppenphase ausgeschieden war. Doch es geht bei diesem umstrittenen Turnier um mehr als nur um Fußball – das zeigten die Spieler, als sie sich vor dem Spiel demonstrativ den Mund zuhielten. Ein offensichtliches Zeichen an die FIFA, die in Katar die „One Love“-Kapitänsschleife von Manuel Neuer und sechs weiteren europäischen Mannschaftskapitänen verboten hatte.

DFB-Spieler halten sich Mund zu
AP/Ebrahim Noroozi
Nach dem Verbot der „One Love“-Kapitänsschleife hielten sich die Deutschen aus Protest den Mund zu

Neuer trug stattdessen in al-Rajjan die von der FIFA vorgegebene „No Discrimination“-Binde, die gegen Diskriminierung jeder Art stehen soll. Fußball gespielt wurde dann im Khalifa International Stadium auch.

Frecher japanischer Beginn

Gegen die WM-erprobten Japaner, immerhin ist es schon ihre siebente Teilnahme, setzte Bundestrainer Hansi Flick auf die Routine von Thomas Müller und im Angriff auf Kai Havertz. Leroy Sane musste für den Auftakt verletzt passen, die deutschen Hoffnungen in Katar trägt auch der erst 19-jährige Jamal Musiala. Bei Japan nahm der frühere Salzburg-Legionär Takumi Minamino vorerst auf der Bank Platz.

Maeda trifft aus Abseitsposition (8. Minute)

Daizen Maeda trifft ins Tor. Der Jubel fällt allerdings nur kurz aus, wegen einer Abseitsposition zählt der Treffer nicht.

Der Außenseiter in dieser Partie versteckte sich zu Beginn ganz und gar nicht und störte Deutschland früh. Eine Balleroberung führte auch zu einem Tor, das aber aufgrund einer Abseitsstellung nicht gegeben wurde. Nach einem Ballverlust von Gündogan ging es über rechts, und im Zentrum drückte Daizen Maeda den Ball über die Linie (8.).

DFB-Team erhöht erfolgreich Druck

Mit Fortlauf der Partie nahm Deutschland das Heft in die Hand, hatte viel Ballbesitz, biss sich aber an der japanischen Defensive vorerst die Zähne aus. So gab es die erste Chance erst nach einer Standardsituation, als Antonio Rüdiger einen Corner von Joshua Kimmich per Kopf vorbeisetzte (17.). Es erhöhte sich der Druck, Gündogan versuchte es aus der Distanz (28./29.).

Vor allem auf der linken Seite eröffnete sich immer wieder Platz für David Raum, der diesen dann auch in der 31. Minute entscheidend nützte. Völlig freistehend nahm sich Raum den Ball an und wurde schließlich von Torhüter Shuichi Gonda erst mit dem Fuß und dann mit der Hand zu Fall gebracht (31.). Der Elfmeterpfiff hielt der Überprüfung zu Recht stand, und Gündogan verwertete sicher zur Führung (33.).

Gündogan per Elfer zur Führung (33. Minute)

David Raum wird von Tormann Shuichi Gonda im Strafraum zu Fall gebracht. Den fälligen Elfmeter verwandelt Ilkay Gündogan souverän zum 1:0.

Mit dieser im Rücken spielte es sich für die Deutschen einfacher, und der Favorit wurde auch zunehmend spielfreudiger. Allerdings zwangen ihn die Japaner immer wieder zu Abschlüssen aus der Distanz. Kurz vor der Halbzeitpause traf Havertz dann noch aus wenigen Metern, stand aber beim Gnabry-Zuspiel deutlich im Abseits (45.+4). Es war nicht die letzte Aktion, Maeda setzte einen Kopfball noch neben das Tor (45.+6).

Deutschland vergibt weitere Chancen

Gleich nach Seitenwechsel versuchte Deutschland bald, eine Vorentscheidung herbeizuführen. Ein Schuss von Gnabry aus spitzem Winkel streifte dabei das rechte Lattenkreuz (47.). Vier Minuten später ließ Musiala dann seine Klasse aufblitzen und tänzelte durch den halben japanischen Strafraum, jagte aber den Ball über das Tor (51.).

Rund zehn Minuten später verhinderte dann die Stange den zweiten deutschen Treffer in al-Rajjan. Wieder war der quirlige Musiala beteiligt, legte dieses Mal aber für Gündogan ab, dessen Flachschuss an die rechte Stange prallte und danach ins Aus (60.). Japan versuchte in dieser Phase zu kontern, spielte aber seine Angriffe inkonsequent fertig. Und die DFB-Elf ließ einfach zu viele Chancen aus: So wehrte Goalie Gonda, der einst auch ein Jahr beim Zweitligisten SV Horn unter Vertrag stand, zunächst gegen Jonas Hofmann ab und dann noch bravouröser bei einer Doppelchance von Gnabry in derselben Minute (70.).

Deutschland drückt auf das 2:0 (70. Minute)

Die Deutschen wollen die Entscheidung erzwingen. Bisher können die Japaner sich noch zur Wehr setzen.

Japan dreht Partie im Finish

Eine alte Fußballerweisheit besagt bekanntlich: Wer die Tore nicht macht, bekommt sie. Und einmal mehr hat sie sich bewahrheitet. Nach rund 70 Minuten wechselte der japanische Teamchef Hajime Moriyasu dann auch Minamino ein, und der brachte Schwung ins Offensivspiel. Zunächst wehrte Neuer noch mit einer Glanzparade gegen Junya Ito (73.) ab, zwei Minuten später lenkte der Tormann den Abschluss von Minamino vor die Füße von Ritsu Doan, der zum 1:1 vollendete (75.).

Nach dem ersten Schock schien sich Deutschland wieder zu erfangen, doch dann folgte ein Blackout auf deutscher Seite, der die Partie noch komplett drehen ließ: Eine langgezogene Freistoßflanke von Ko Itakura erreichte den eingewechselten Takuma Asano, Niklas Süle hob das Abseits auf, und Nico Schlotterbeck kam letztlich zu spät. Asano zog davon und vollendete aus spitzem Winkel zum 2:1 (83.), von dem sich das DFB-Team nicht mehr erholte. „Joker“ Leon Goretzka setzte einen Schuss noch neben das Tor – das war zu spät und zu wenig.

Stimmen zum Spiel:

Hansi Flick (Deutschland-Teamchef): „Das ist brutal enttäuschend. Wir sind zu Recht mit 1:0 in Führung gegangen, das war mehr als verdient. Wir haben viele Torchancen nicht gemacht. Man muss einfach sagen: Da hat Japan uns, was die Effizienz angeht, klar geschlagen. Die individuellen Fehler, die wir gemacht haben, dürfen einfach nicht passieren. Wir müssen die Spieler jetzt aufbauen.“

Hajime Moriyasu (Japan-Teamchef): „Wir wussten, dass wir uns mehr um die Verteidigung kümmern müssen. Deshalb habe ich das System umgestellt. Die Spieler wussten direkt, was ich meine und wie sie sich verhalten sollten. Wir haben einen tollen Sieg gefeiert, aber es geht weiter. Wir werden uns auf das nächste Spiel genauso vorbereiten.“

Manuel Neuer (Deutschland-Kapitän): „Es ist eine Riesenenttäuschung für uns, wir sind frustriert. Für mich ist es so knapp nach dem Spiel schwer zu verstehen, wie wir das aus der Hand gegeben haben.“

Ilkay Gündogan (Deutschland-Torschütze): „Wir haben es Japan zu einfach gemacht. Gerade beim zweiten Tor, ich weiß nicht, ob jemals bei einer WM ein einfacheres Tor erzielt wurde, das darf nicht passieren. Vorne hatten wir unfassbare Möglichkeiten und haben das zweite nicht erzielt. Wie die Tore gefallen sind, das nicht passieren.“

Thomas Müller (Deutschland-Stürmer): „An sich haben wir vom Gefühl her ein weite Strecken gutes Spiel gemacht. Aber die Effektivität hat an beiden Enden nicht gepasst. Es ist aberwitzig, dass wir mit einer Niederlage dastehen. Am Ende müssen wir uns die mangelnde Effizienz klar vorwerfen. Wir müssen das aufarbeiten und sachlich bleiben.“

FIFA WM 2022, Gruppe E, erster Spieltag

Mittwoch:

Deutschland – Japan 1:2 (1:0)

Al-Rajjan, Khalifa International Stadium, 42.608 Zuschauer, SR Barton (SLV)

Torfolge:
1:0 Gündogan (Foulelfmeter/33.)
1:1 Doan (75.)
1:2 Asano (83.)

Deutschland: Neuer – Süle, Rüdiger, Schlotterbeck, Raum – Kimmich, Gündogan (67./Goretzka) – Gnabry (90./Moukoko), Müller (67./Hofmann), Musiala (79./Götze) – Havertz (79./Füllkrug)

Japan: Gonda – Sakai (75./Minamino), Itakura, Yoshida, Nagatomo (57./Mitoma) – Endo – J. Ito, Kamada, Tanaka (71./Doan), Kubo (46./Tomiyasu) – Maeda (57./Asano)

Gelbe Karten: keine