enttäuschte deutsche Spieler
AP/Eugene Hoshiko
FIFA WM 2022

Deutschland steht schon unter Druck

Wie schon vor vier Jahren hat Deutschland einen kapitalen Fehlstart in die Fußball-WM hingelegt. In Russland unterlag man einst Mexiko mit 0:1, nun Japan trotz Führung mit 1:2. Nach dem Selbstfaller saß der Stachel tief, zudem steht das Team schwer unter Druck: Bereits am Sonntag könnte die deutsche WM-Mission in Katar schon wieder zu Ende sein.

Das zweite Gruppen-K.-o. nach der Blamage 2018 steht fest, wenn Deutschland gegen Spanien (20.00 Uhr, live in ORF1) verliert und zuvor Japan gegen Costa Rica (11.00 Uhr) mindestens einen Punkt holt. Spanien hatte am Mittwochnachmittag Costa Rica mit 7:0 besiegt.

Zunächst muss aber die Auftaktniederlage verarbeitet werden. „Es war ein undenkbar schlechter Start von uns, eine brutale Enttäuschung“, sagte der deutsche Bundestrainer Hansi Flick, den die Historie nicht berührt. „Ich war 2018 nicht dabei. Das interessiert mich nicht. Ich blicke nach vorne. Wir müssen gegen Spanien unsere Chancen nutzen, um in die Play-offs zu kommen. Wir haben die Qualität dazu.“

Fehlstart für Deutschland

Die Fußballweltmeisterschaft in Katar hat ihre nächste große Überraschung: Der viermalige Weltmeister Deutschland legte heute gegen Japan mit einer 1:2-Niederlage einen kapitalen Fehlstart hin.

Der 57-Jährige stellte am Mittwochabend die Charakterfrage in den Raum: „Wir stehen unter Druck. Das haben wir uns selbst eingebrockt. Wir müssen Charakter zeigen.“ Kapitän Manuel Neuer sprach nach der Partie von einer „Katastrophe“, Thomas Müller als anderer deutscher WM-Routinier von einem „Horrorszenario“ zum Auftakt der Endrunde.

Selbstfaller „schwer zu verstehen“

Fast 70 Minuten ging Flicks Plan zum Turniereinstieg auf, bis nach einem fahrlässigen Chancenwucher zwei „Joker“-Tore der Japaner durch den Freiburger Ritsu Doan (75.) und den Bochumer Takuma Asano (83.) zum Untergang führten. Das Elfmetertor von Ilkay Gündogan (33.) war zu wenig. Dannach folgten Selbstanklagen.

„Ich bin frustriert und verärgert. Für mich ist es schwer zu verstehen, wie wir das aus der Hand gegeben haben“, sagte Neuer. „Es ist aberwitzig, dass wir hier mit einer Niederlage dastehen. Wir müssen uns die mangelnde Effizienz ganz klar vorwerfen“, meinte Müller.

Trainer Hansi Flick
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Flick muss seine Spieler schnell aufrichten, bereits am Sonntag könnte Deutschland vorzeitig ausscheiden

Harsche Kritik von Gündogan

Müllers Bayern-Teamkollege Joshua Kimmich sprach an, was ganz schnell besser werden muss: „Wir müssen abgezockter werden, dann fahren wir die drei Punkte locker ein. Wir kassieren aus drei Chancen zwei Tore.“ Torschütze Gündogan, der selbst bei einem Stangenschuss das 2:0 verpasst hatte, klagte aber auch Teamkollegen an, ohne Namen zu nennen. Er bemängelte zu viele lange Bälle und unterstellte, dass einige Spieler den Ball nicht mehr hätten haben wollen.

Vor allem das zweite Gegentor, bei dem Niklas Süle das Abeits aufhob und Nico Schlotterbeck Asano nach einem Freistoß der Japaner aus der eigenen Hälfte machtlos hinterherrannte, erzürnte den beim Stand von 1:0 ausgewechselten Routinier: „Ich weiß nicht, ob jemals bei einer WM ein einfacheres Tor erzielt wurde.“

Flick gestand Gündogan als Führungsspieler die harsche Kritik in der Pressekonferenz zu. Die individuellen Fehler gelte es umgehend „abzustellen“. Flick muss im Eiltempo die Spieler aufrichten. „Wir müssen uns gut vorbereiten auf Spanien“, sagte der deutsche Bundestrainer. Er will auf keinen Fall erleben, was seinem Vorgänger Joachim Löw 2018 widerfuhr.

Moralischer Sieg vor Spielbeginn

Was allerdings auch blieb, war ein moralischer Sieg der deutschen Teamspieler. Vor dem Anpfiff formierten sich die Spieler um Kapitän Manuel Neuer nach dem FIFA-Verbot der „One Love“-Binde mit einer eindrücklichen Geste gegen den Internationalen Fußballverband und seinen allmächtigen Präsidenten Gianni Infantino.

„Wir lassen uns vielleicht die Binde nehmen, aber wir lassen uns niemals unsere Stimme nehmen. Und unsere Werte“, sagte Neuer angesprochen auf die Aktion. „Wir stehen für Menschenrechte ein. Das wollten wir damit zeigen.“ Die Idee sei im Mannschaftskreis entstanden. „Wir wollten unbedingt was machen. Uns war klar, dass wir ein Zeichen setzen wollten“, sagte Neuer. „Das ist ein Fingerzeig.“

DFB-Spieler halten sich Mund zu
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Sportlich steckten die Deutschen eine Niederlage ein, moralisch landeten sie vor Anpfiff einen Sieg

Die elf deutschen Startspieler hielten sich beim Mannschaftsfoto vor dem Anpfiff demonstrativ die Hand vor den Mund. Ein starkes Bild, das vor 42.608 Zuschauern in die Welt hinausging. „Es soll ein Zeichen gewesen sein von uns als Mannschaft, dass die FIFA uns mundtot macht“, sagte Flick nach dem Spiel, dem Infantino beiwohnte.