FIFA WM 2022

Iran feiert späten Sieg gegen Wales

Der Iran hat am zweiten Spieltag der Gruppe B bei der WM in Katar eindrucksvoll auf die Auftaktschlappe gegen England reagiert. Der Außenseiter setzte sich am Freitag in al-Rayyan gegen Wales mit 2:0 durch und darf nach dem höchsten Sieg seiner WM-Geschichte noch auf den Aufstieg hoffen. Beide Treffer fielen erst in der Nachspielzeit.

Die Tore für das Team von Trainer Carlos Queiroz erzielten Rusbeh Cheschmi (98.) und Ramin Resaeian (101.), der Iran hält nach zwei Runden bei drei Punkten und hat im letzten Gruppenspiel gegen die USA gute Chancen auf den erstmaligen Einzug in die K.-o.-Phase. Die Waliser müssen nach dem 1:1 zum Auftakt gegen die USA hingegen weiter auf den ersten WM-Sieg seit 64 Jahren warten. Die Briten sind erst zum zweiten Mal nach 1958 bei einer WM dabei.

Gespannt war man vor der Partie auf das Verhalten der iranischen Elf beim Abspielen der Nationalhymne. Nach dem Schweigen beim WM-Auftaktspiel gegen England gab es von den Spielern diesmal ein zumindest dezentes Mitsingen. Große Emotionen blieben aber aus. Der Iran wird seit Wochen von den schwersten Protesten seit Jahrzehnten erschüttert. In den vergangenen Tagen war über drohende drastische Sanktionen und einen erhöhten Druck auf die Spieler vonseiten der Regierung berichtet worden.

Spieler der iranischen Nationalmannschaft
AP/Frank Augstein
Die iranischen Teamspieler gaben eine leise Version der Hymne zum Besten

Für die walisischen Fans gab es vor dem Match positive Neuigkeiten: Sie dürfen ab nun mit ihren Hüten und Fahnen in Regenbogenfarben ins Stadion, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Beim Auftakt am Montag gegen die USA waren die Utensilien den Fans noch abgenommen worden.

Einsergoalie Beiranwand auf der Bank

Beim Spiel selbst saß Iran-Torhüter Aliresa Beiranwand dann nur auf der Bank. Er war beim 2:6 gegen England mit einem Gegenspieler zusammengeprallt und musste mit einer Kopfverletzung ausgewechselt werden. Der 30-Jährige trainierte am Donnerstag mit einer Gesichtsmaske wieder, nach Ansicht der FIFA sollte er wegen Verdachts auf Gehirnerschütterung aber nicht spielen. Die letzte Entscheidung über einen möglichen Einsatz lag allerdings beim iranischen Verband.

Alireza Beiranvand (IRN)
IMAGO/Shutterstock/Javier Garcia
Torhüter Beiranwand blieb nur die Rolle des Zuschauers und Daumendrückers

Auf der Gegenseite bestritt Kapitän Gareth Bale sein 110. Match im Teamdress und avancierte damit zum alleinigen Rekordspieler seines Landes vor Verteidiger Chris Gunter, der in Katar aber ebenfalls im WM-Kader der Waliser steht.

Munterer Auftakt auf beiden Seiten

Das erste Duell der beiden Teams in einem Pflichtspiel begann im Ahmad bin Ali Stadium unter lautstarker Unterstützung von den Rängen für den Iran. Und dieser legte auch gleich ordentlich los, echte Torchancen gab es zu Beginn auf beiden Seiten aber nicht. In Minute zwölf wurde es dann erstmals im iranischen Strafraum brenzlig: Connor Roberts flankte auf Kieffer Moore, dessen Ball konnte Torhüter Hossein Hosseini gerade noch parieren.

Moore vergibt aus kurzer Distanz (12. Minute)

Moore hatte die erste große Chance der Partie.

Drei Minuten später gab es dann Jubel auf der Gegenseite, nachdem Ali Gholisadeh den Ball nach einem sehenswerten Spielzug im Netz der Waliser untergebracht hatte. Der Treffer wurde nach VAR-Konsultation aber wegen Abseits aberkannt.

Abseitstor des Iran (15. Minute)

Ali Gholisadeh steht bei seinem Treffer einen Schritt zu weit vorne.

In der Folge entwickelte sich eine flotte Partie, allerdings ohne echte Höhepunkte. Beide Teams versuchten, das Mittelfeld schnell zu überbrücken. Beim Ballbesitz hatte Wales deutliche Vorteile, zählbare Resultate ergaben sich daraus aber nicht. Die Moore-Chance und das aberkannte Tor von Gholisadeh blieben damit die Glanztaten der ersten Hälfte. In der Nachspielzeit wäre Sardar Asmun allerdings nach einer Flanke unmittelbar vor dem Tor der Waliser fast noch an den Ball gekommen. Auch bei einem Freistoß wenig später nach einem groben Foul von Joe Rodon wurde es im Strafraum der „Drachen“ noch einmal gefährlich.

Iran-Chancen im Sekundentakt

In Halbzeit zwei gab es vorerst keine Wechsel, die ersten Höhepunkte dann aber gleich im Doppelpack: Asmun lief nach tollem Lochpass auf das Tor von Wayne Hennessey zu, sein Schuss ging aber an die Stange (51.).

Sardar Azmoun (IRN)
IMAGO/Mike Egerton
Asmun hatte bei einem Stangenschuss Pech

Nur Sekunden später setzte Gholisadeh den Ball von der Strafraumgrenze an die andere Stange (52.), den Nachschuss von Asmun parierte Hennessey. Eine Minute später bekam Moore auf der Gegenseite eine Chance, sein Kopfball ging aber über das Tor. Dem Iran war jedenfalls anzumerken, dass nach der Auftaktpleite ein Erfolgserlebnis mit aller Kraft erreicht werden sollte. Und nach der Anzahl der Chancen wäre ein Sieg zu diesem Zeitpunkt auch durchaus verdient gewesen.

Doppelchance für den Iran (52. Minute)

Der Iran trifft innerhalb weniger Momente zweimal die Stange.

Hennesy wehrte dann auch einen Schuss von Saeid Esatolahi mit den Fingerspitzen in den Corner ab (73.). Wales stand in dieser Phase schon einige Zeit unter Dauerdruck, vorne gab es für Bale und Co. keine Bälle mehr, zu sehr war man in die Defensive gedrängt. Die Iraner liefen weiter bis ans Ende ihrer Kräfte, aus einem der wenigen Gegenangriffe wäre aber beinahe das Tor für Wales gefallen. Ben Davies knallte den Ball aber über das Gehäuse (84.).

Hennessey fliegt, Iran siegt

Beim Gegenangriff kam Goalie Hennessey weit aus dem Tor und rannte Mehdi Taremi brutal um. Er sah dafür von Schiedsrichter Mario Escobar aber nur Gelb, erst nach Intervention des VAR wurde er ausgeschlossen. Es war die erste Rote Karte bei dieser WM. In der hektischen Schlussphase kam der eingewechselte Mehdi Taremi noch zu einer guten Chance, sein Schuss ging nur knapp am Tor vorbei. Wie schon in so manchem Spiel davor gab es üppig Nachspielzeit, diesmal wurden neun Minuten angezeigt.

Und in dieser schien alles auf das fünfte torlose Remis der WM hinauszulaufen, ehe sich Roosbeh Cheschmi in der 98. Minute ein Herz nahm und den Ball aus 20 Metern unter die Latte jagte. Der Jubel beim Iran war entsprechend groß, sollte dann aber noch größer werden. Die Waliser mussten alles nach vorne werfen und kassierten durch Ramin Resaeian aus einem Konter auch noch das 0:2 (101.).

Ramin macht das 2:0 (90.+11. Minute)

Mit einem eleganten Heber erhöht Ramin noch auf 2:0.

Stimmen zum Spiel:

Carlos Queiroz (Iran-Trainer): „Das ist erst der Anfang. Ein wunderbarer Tag, die Spieler sind fantastisch. Wir wollen die iranischen Fans beschenken und das wollen wir noch einmal schaffen. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass wir gut genug sind, um ins Achtelfinale zu kommen. Unsere Vorbereitung beginnt direkt heute – mit etwas Erholung.“

Rob Page (Wales-Trainer): „Ich bin riesig enttäuscht. Es war ein großer Erfolg für uns, sich zu qualifizieren. Heute sind wir einfach bestraft worden. Der Sieg des Iran war absolut verdient. Wir wollen das Turnier mit einer guten Performance beschließen und zwar mit einem Sieg. Aber England ist eine harte Prüfung.“

FIFA WM 2022, Gruppe B, zweiter Spieltag

Freitag:

Wales – Iran 0:2 (0:0)

Al-Rayyan, Ahmad bin Ali Stadium, 40.875, SR Escobar (GTM)

Wales: Hennessey – Mepham, Rodon, B. Davies – Roberts (58./Johnson), Ramsey (88./Ward), Ampadu (78./Allen), Wilson (58./James), N. Williams – Bale, Moore

Iran: S. Hosseini – Resaeian, Pouraligandschi, M. Hosseini, Mohammadi – Gholisadeh (77./Torabi), Noorollahi (78./Cheschmi), Esatolahi (83./Karimi), Hadschsafi (77./ Dschahanbachsch) – Asmun (68./ Ansarifard), Taremi

Torfolge:

0:1 Cheschmi (98.)
0:2 Resaeian (101.)

Rote Karte: Hennessey (86.)

Gelbe Karten: Rodon bzw. Rezaeian, Jahanbakhsh

Die Besten: Williams bzw. Azmoun, Hajsafi, S. Hosseini